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MELDUNG/877: Nachrichten aus Forschung und Lehre vom 09.12.15 (idw)


Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilungen

→  Kraftmikroskopie in drei Dimensionen
→  Nature Press: Stratifizierung des Schweregrads von nicht-alkoholischer Fettleber


Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg - 07.12.2015

Kraftmikroskopie in drei Dimensionen

FAU-Forscher entwickeln Methode zur Messung der Kräfte von Tumorzellen bei ihrer Wanderung durch Bindegewebe

Metastasen entstehen, wenn sich Tumorzellen vom Ursprungstumor ablösen und durch das Bindegewebe der Organe in benachbarte Regionen wandern. Bei dieser Wanderung erzeugen die Tumorzellen mechanische Kräfte, um den Widerstand des Bindegewebes zu überwinden oder um sich selbst so zu verformen, dass sie auch durch sehr kleine Poren passen. In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Nature Methods haben Physiker der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) eine Methode beschrieben, mit der diese mechanischen Zellkräfte gemessen werden können.*

Julian Steinwachs und Kollegen vom Lehrstuhl für Biophysik der FAU benutzten bei ihren Untersuchungen ein künstliches Bindegewebe aus Kollagen, welches in seiner chemischen Zusammensetzung, Struktur und anderen Materialeigenschaften der natürlichen Matrix von Organen ähnelt. Die Idee der Wissenschaftler bestand darin, die Deformation der Bindegewebsregion um die einwandernden Tumorzellen herum genau zu vermessen. Ist die Elastizität des Bindegewebes bekannt, können dann anschließend wie bei einer Federwaage die Kräfte berechnet werden.

Eine besondere Herausforderung für die Wissenschaftler war die ausgeprägte Nichtlinearität von Bindegewebe: Bei kleinen Kräften ist es zunächst weich, bei größeren Kräften aber versteift es sich und verhindert so eine Zerstörung des Gewebes. Auch Tumorzellen, so die Erkenntnis der Wissenschaftler, können mit ihren Kräften das Bindegewebe versteifen. Einen Teil der Kräfte verwenden die Tumorzellen außerdem dafür, sich in die Länge zu ziehen. Dadurch gelingt es ihnen, mit beachtlicher Geschwindigkeit auch durch sehr kleine Poren des Bindegewebes zu wandern. Mit dem Verfahren wollen die Forscher in Zukunft untersuchen, wie sich die Zellkräfte von unterschiedlich aggressiven Tumorarten unterscheiden.

• * doi: 10.1038/nmeth.3685

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution18

Quelle: Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Dr. Susanne Langer, 07.12.2015

Raute

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf - 08.12.2015

Nature Press: Stratifizierung des Schweregrads von nicht-alkoholischer Fettleber

Ein europäisches Konsortium unter Leitung des Forschers James Adjaye, Medizinische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und ehemaliger Max-Planck-Forscher, entdeckt Methoden, um den Schweregrad der nicht-alkoholischen Fettleber (NAFL) in einer kleinen Patientenkohorte vorherzusagen. Der Artikel wurde aktuell in Nature Press - Scientific Data 2:150068 doi: 10.1038/sdata.2015.68 (2015) veröffentlicht.

Mit einer geschätzten Verbreitung von ca. 40 Prozent in Europa und 50 Prozent in der allgemeinen Weltbevölkerung ist die nicht-alkoholische Fettleber (NAFL), die auch Steatose genannt wird, ein schwerwiegendes Problem für die öffentliche Gesundheit. Sie steht in engem Zusammenhang mit unserem bewegungsarmen Lebensstil und unserer fetthaltigen Ernährung. Man erwartet, dass die Verbreitung rasant ansteigt und einen epidemischen Status erreichen wird. Für den einzelnen NAFL-Patienten wurden in Europa 26 Prozent höhere Gesundheitskosten geschätzt.

NAFL ist eine typische metabolische Krankheit, die mit Fettleibigkeit, Insulin-Resistenz und Typ-II-Diabetes assoziiert ist. Ungewöhnliche Fettablagerungen entstehen in der Leber von Patienten. Im Normalfall ist die Steatose zunächst komplikationslos, aber mit einem erhöhten Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen verbunden. Außerdem kann Steatose zu Steatohepatitis fortschreiten und sich in einigen Fällen zu Leberzirrhose und sogar Leberkrebs entwickeln. Genetische Mutationen wurden bereits mit der Krankheit assoziiert, z.B. in den Genen PNPLA3 und TM6SF2. Zusammengefasst lässt sich sagen, dass NAFL durch ein komplexes Zusammenspiel von genetischen und äußeren Faktoren verursacht wird.

Um Einblick in die krankheitsauslösenden Mechanismen zu erhalten, wurde von James Adjaye das livSYSiPS-Konsortium koordiniert, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) als Partner der ERASysBio+ Initiative (unterstützt vom EU ERA-NET Plus Schema im FP7) ko-finanziert wurde. Ziel der ERASysBio+ Initiative war die Förderung der Systembiologie-Forschung in Europa. Das multinationale Konsortium mit Forschungsgruppen aus Deutschland, Großbritannien, Italien und Österreich verfolgte einen systembiologischen Ansatz, um die Entstehung von NAFL zu untersuchen.

In der publizierten Studie wurde ein verstärktes Vorkommen des Gens PLIN2 in NAFL-Patienten entdeckt. PLIN2 ist in die Aggregation von Fettablagerungen in der Leber involviert. Mäuse ohne dieses Protein werden nicht dick, auch wenn sie mit einer fettreichen Nahrung überfüttert werden. Weitere Entdeckungen waren u.a. unterschiedliche Höhen des appetitkontrollierenden Hormons LEPTIN, von ADIPONECTIN und von Aminosäuren, die den Abbau von Fett kontrollieren. Außerdem wurden Veränderungen in den komplexen Signal-Kaskaden von Insulin entdeckt, die den zentralen Regulierungsmechanismus für das Glukose-/Fett-Gleichgewicht darstellen.

Diese Erkenntnisse sind eine ermutigende Basis für weitere Forschung. Nötig wäre, so die Autoren eine größere Patientenkohorte zu untersuchen, um das Potential auszuschöpfen,neue Diagnosemöglichkeiten und Therapien für NAFL zu finden.

Essentiell für die Erreichung dieses Ziels sind systembiologische Datensätze und Modelle von hoher Qualität sowie der Austausch von Daten zwischen Forschern. Wasco Wruck, Bioinformatiker und Erstautor der Studie, berichtet: "Von unseren multi-disziplinären Messungen haben wir hervorragende Datensätze erhalten, aus denen wir bereits interessante Erkenntnisse und Hypothesen über NAFL gewinnen konnten. Wir brauchen zusätzliche Patientenkohorten und Experimente, um diese ersten Erkenntnisse zu bestätigen und unsere systembiologischen Modelle zu verbessern. Um auch anderen Forschern zu ermöglichen, mit diesen wertvollen Daten zu arbeiten, haben wir sie in öffentlichen Datenbanken abgelegt."

Um weitere Einblicke in die Ursachen der Krankheit auf der Basis von individuellen Patienten zu erlangen - eine Vorgehensweise der neuen Ära der personalisierten Medizin - generiert James Adjayes Team nun induzierte pluripotente Stammzellen (iPSCs) aus Hautzellen dieser Patienten und vergleichbarer gesunder Kontrollpersonen. Diese patienten-spezifischen iPSCs werden dann in Leberzellen (Hepatozyten) umgewandelt mit der Aussicht, den Lebermetabolismus des Patienten in der Petrischale zu simulieren. Um Steatose zu induzieren, wird Fett (z.B. Ölsäure) auf die Zellen gegeben und danach Änderungen in Gen-, Protein- und Metabolit-Vorkommen analysiert, wie es anfänglich mit den originalen Leberbiopsien und Blutserumproben geschah. "Unser Ziel ist jetzt zu sehen, ob unser "Krankheit in der Petrischale"-Modell widerspiegelt, was wir in den Patienten sehen: Neue Biomarker für NAFLD zu definieren und biochemische Reaktionswege als mögliche Angriffspunkte für Medikamente zu identifizieren, die benutzt werden können, um bestehende Therapien für NAFLD zu ergänzen.", sagt James Adjaye, der der Senior-Autor der aktuellen Publikation ist.

• Original Publikation:
Wasco Wruck, Karl Kashofer, Samrina Rehman, Andriani Daskalaki, Daniela Berg, Ewa Gralka, Justyna Jozefczuk, Katharina Drews, Vikash Pandey, Christian Regenbrecht, Christoph Wierling, Paola Turano, Ulrike Korf, Kurt Zatloukal, Hans Lehrach, Hans Westerhoff, and James Adjaye Multi-omic profiles of human non-alcoholic fatty liver disease tissue highlight heterogenic phenotypes
Nature Press - Scientific Data 2:150068 doi: 10.1038/sdata.2015.68 (2015)

Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.erasysbio.net/index.php?index=264
ERASysBio+ Initiative

http://www.uniklinik-duesseldorf.de/isrm
Institut für Stammzellforschung und Regenerative Medizin
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution223

Quelle: Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Susanne Dopheide, 08.12.2015

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 10. Dezember 2015

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