Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2020, Januar 2020
REHA
Positiver Effekt nachweisbar
von Horst Kreussler
Lässt sich die Wirkung medizinischer Reha belegen? Dieser Frage ging das 10. Reha-Symposium in Lübeck nach. Fast 200 Teilnehmer. In der allgemeinen Reha kommen nicht immer die richtigen Patienten an.
Haben die Maßnahmen besonders der stationären Rehabilitation
entsprechenden Nutzen - also objektiv, spürbar, längerfristig, bei
einem hohen Anteil der jeweiligen Rehabilitanden? Was unter Praktikern
als sicher gilt, ist nach Angaben des wissenschaftlichen Leiters des
Symposiums, Prof. Dr. phil. Matthias Bethge (Institut für
Sozialmedizin und Epidemiologie der Universität zu Lübeck, ISE), mit
neuen randomisierten, kontrollierten Studien belegt worden.
Zwei der neuen Studien wurden vorgestellt. Dr. Konrad Schultz, Klinik Bad Reichenhall (EPRA-RCT, Asthma-Reha), und Dr. phil. Angelika Hüppe (MERCED-Studie, ISE) legten Ergebnisse dar, nach denen die multimodalen, interdisziplinären rehabilitativen Maßnahmen nach etwa einem Jahr zu besserer Bewältigung chronischer Krankheiten und besserer Teilhabe führten. Die MERCED-Studie mit je rund 265 Teilnehmern in der Interventionsgruppe und in der Kontrollgruppe ist eine Studie aus dem ISE mit Prof. Heiner Raspe als Letztautor. Sie sollte einen Beitrag liefern zur Evidenzbasierung bei dreiwöchig stationärer Reha von erwerbstätigen GKV-Versicherten mit CED (Morbus Crohn, Colitis ulcerosa). Sie kam zu dem Ergebnis "überlegener Besserungen in klinischen und psychosozialen Variablen" in der Interventionsgruppe, anzunehmen durch die Rehabilitation. Allerdings nennt die Studie selbst erhebliche methodische Einschränkungen dieses "Outcome", vor allem die Nutzung nur von Patientenbefragungen.
Daher war die Frage zur Bewertung an sich erfreulicher Studienergebnisse besonders einleuchtend, die Bethge im nächsten Referat stellte: die Gefahr der Fehlinterpretation aufgrund von Studienbedingungen im Unterschied zur Versorgungsrealität: "Der Weg in die Versorgung ist lang ... die Frage ist, ob am Ende überhaupt etwas übrig bleibt."
In der Studie mit je 641 befragten Rehabilitanden mit Muskel-Skelett-Erkrankungen ergaben sich nach einer besonderen medizinisch-beruflichen Reha deutlich bessere Ergebnisse nicht nur "in der Komfortzone idealer Studienbedingungen" mit sehr klaren Einschlusskriterien und hoher Behandlungsgenauigkeit, sondern auch in der realen Versorgung. Das dürfte neu sein, denn die bisher bekannten randomisierten Studien mit positivem Ergebnis für die medizinisch-berufliche Rehabilitation - etwa 20 Prozent höhere berufliche Beschäftigung nach einem Jahr - blieben im Bereich wissenschaftlicher Studienbedingungen, so Bethge. Die Zielgruppe dieser speziellen beruflichen Reha bildeten Personen, deren berufliche Leistungsfähigkeit nicht nur vorübergehend deutlich eingeschränkt ist und die deshalb ein hohes Risiko haben, dass ihre berufliche Eingliederung nach einer üblichen Rehabilitation scheitert. Daher sieht das spezielle Programm rund acht Stunden Ergänzungen in Diagnostik, Sozial- und Berufsberatung, berufsbezogenem Gruppen- sowie Arbeitsplatztraining vor. Jedoch zeigte sich durch die Befragungen vor und 10 Monate nach der Reha-Maßnahme, dass der Zugang zur Reha in der Versorgungsrealität anders lief als beabsichtigt:
"Die Hälfte ... hatte ein geringes Risiko, dass eine Wiedereingliederung scheitert. Diese benötigen die Programme eigentlich nicht." Und: Bei den Reha-Einrichtungen zeigte sich "eine starke Heterogenität. Die Hälfte konnte die Mindestanforderungen nicht umsetzen." Dennoch lasse sich auch unter realen Versorgungsbedingungen ein positiver Effekt nachweisen: zwischen 6 und 10 Prozentpunkte bzw. bis zu 100 Tage Verkürzung der Rückkehrdauer in den Beruf.
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Infos
- Der Impetus zur Verbesserung war nicht zu überhören (PD Dr. Dieter
Bennighoven, Mühlenbergklinik Bad Malente): In der allgemeinen Reha
kommen nicht immer die Richtigen an - mehr bringt spezifische
Rehaversorgung.
- Neben dem ISE sind der Verein zur Förderung der
Rehabilitationsforschung (vffr) und Deutsche Rentenversicherung (DRV)
Nord Mitveranstalter des Symposiums. Weitere Referate gaben Hinweise
auf die Herausforderungen und Chancen einer besser vernetzten
Versorgung. So berichtete Nicole Tralau vom Praxisnetz Herzogtum
Lauenburg über die Versorgung von geriatrischen Patienten durch ein
koordinierendes und begleitendes Fallmanagement. Andere Beispiele
zeigten eine trägerübergreifende Individualprävention von Unfall-,
Renten- und Krankenversicherung oder die Wirkung
verhaltensmedizinischer Reha.
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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2020
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, Nr. 1/2020, Januar 2020, Seite 25
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.
veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Februar 2020
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