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UMWELT/725: Fukushima - Zahl bisher entdeckter Schilddrüsenkrebsfälle ist hoch (IPPNW)


IPPNW - 6. Juni 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Zahl bisher entdeckter Schilddrüsenkrebsfälle ist hoch

Ausführliche IPPNW-Analyse zum UNSCEAR-Bericht veröffentlicht



Bei 50 japanischen Kinder in der Präfektur Fukushima wurden mittlerweile Schilddrüsenkrebs-Operationen durchgeführt. Das geht aus einem Bericht des Fukushima Health Management vom 19. Mai 2014 hervor. 39 weitere Kinder haben krebsverdächtige Biopsieergebnisse und müssen noch operiert werden. Es ist zu erwarten, dass die Zahl der Krebsfälle weiter steigen wird, da bislang erst für 78% der betroffenen Kinder Ergebnisse publiziert wurden und bei rund 400 Kindern mit verdächtigen Ergebnissen in den ersten Reihenuntersuchungen noch keine Folgeergebnisse vorliegen. Japanische Krebsstatistiken belegen in der entsprechenden Altersgruppe normalerweise eine Inzidenz von weniger als einem Schilddrüsenkrebsfall pro Jahr.

Für die IPPNW sind diese Ergebnisse besorgniserregend. Die Ärzteorganisation analysiert in ihrem heute veröffentlichten ausführlichen Kommentar, wie der Bericht des Wissenschaftlichen Ausschusses der Vereinten Nationen zur Untersuchung der Auswirkungen der atomaren Strahlung (UNSCEAR) die gesundheitlichen Folgen der Atomkatastrophe systematisch verharmlost.

Basierend auf den im UNSCEAR-Bericht aufgeführten kollektiven Lebenszeitdosen für die japanische Bevölkerung durch radioaktiven Niederschlag gehen die IPPNW-ÄrztInnen in den kommenden Jahrzehnten von ca. 1.000 strahlenbedingten Schilddrüsenkrebsfällen und zwischen 4.300 und 16.800 weiteren Krebsfällen aus."Vorhersagen können nur so gut sein, wie die Annahmen und die Daten, auf denen sie basieren", stellt Dr. Alex Rosen, leitender Autor der Analyse und IPPNW-Vorstandsmitglied, fest. Diese müssen jedoch laut IPPNW auf Grund der folgenden Punkte als systematische Unterschätzungen angesehen werden:

  • Die Validität der im UNSCEAR-Bericht aufgeführten Emissionswerte ist zweifelhaft.
  • Es gibt ernsthafte Bedenken bezüglich der Berechnung der internen Strahlendosen.
  • Es gibt keine verlässlichen Dosisberechnungen für die Arbeiter im AKW Fukushima.
  • Der UNSCEAR-Bericht ignoriert die Strahleneffekte auf die Tier- und Pflanzenwelt.
  • Die besondere Strahlenempfindlichkeit des ungeborenen Kindes wird nicht berücksichtigt.
  • Nicht-Krebserkrankungen und genetische Effekte werden von UNSCEAR ignoriert.
  • Der Vergleich von radioaktivem Niederschlag mit natürlicher Hintergrundstrahlung ist unzulässig.
  • Die Interpretation der verfügbaren Daten durch UNSCEAR ist fragwürdig.
  • Die von den Behörden veranlassten Schutzmaßnahmen werden falsch dargestellt.
  • Schlussfolgerungen aus den Schätzungen der Kollektivdosen werden nicht präsentiert.

Laut UNSCEAR sei es "unwahrscheinlich, dass gesundheitliche Folgen in der Allgemeinbevölkerung oder der überwiegenden Mehrheit der Arbeiter auf die radioaktive Strahlung durch den atomaren Unfall von Fukushima-Daiichi zurückzuführen sein werden". Hierzu Rosen: "Selbstverständlich ist es nicht möglich, einen einzelnen Krebsfall auf einen spezifischen Auslöser zurück zu führen, da Krebserkrankungen kein Herkunftssiegel tragen. Doch allein die Zahl der bisher entdeckten Schilddrüsenkrebsfälle ist bereits unerwartet hoch. Die schrecklichen Folgen der Atomkatastrophe für zehntausende Familien auf ein statistisches Problem zu reduzieren ist unangebracht und ignoriert die vielen individuellen Schicksale der betroffenen Menschen."


Den ausführlichen IPPNW-Kommentar zum UNSCEAR-Bericht (englisch) zu den Fukushimafolgen finden sie unter
www.fukushima-disaster.de/information-in-english/maximum-credible-accident.html

Die Zusammenfassung unserer Kritikpunkte können Sie sich zudem in einem Video-Statement von Dr. Alex Rosen anhören unter
www.youtube.com/watch


Die IPPNW ist eine berufsbezogene, friedenspolitische Organisation, die 1981 von einer Gruppe von Ärzten aus den USA und Russland gegründet wurde. Ihre Überzeugung: Als Arzt hat man eine besondere Verpflichtung zu sozialer Verantwortung. Daraus entstand eine weltweite Bewegung, die 1984 den UNESCO-Friedenspreis und 1985 den Friedensnobelpreis erhielt. Heute setzen sich Mediziner und Medizinerinnen der IPPNW in über 60 Ländern auf allen fünf Kontinenten für eine friedliche, atomtechnologiefreie und menschenwürdige Welt ein.

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Quelle:
Presseinformation der IPPNW - vom 6. Juni 2014
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges /
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juni 2014