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FORSCHUNG/2291: Warum Landluft so gesund ist - Studienarbeiten zum "Bauernhofeffekt" (idw)


Universität Bayreuth - 04.10.2010

Warum Landluft so gesund ist - Bayreuther Studienarbeiten zum "Bauernhofeffekt"


Bayreuth (UBT). "Landluft ist gesund" - diese alte und weit verbreitete Einschätzung konnte in den letzten Jahren wissenschaftlich erhärtet werden. Kinder, die in einem landwirtschaftlichen Betrieb leben, erkranken nachweislich seltener an Allergien oder Asthma als gleichaltrige Stadtkinder. Es wird vermutet, dass dieser sogenannte "Bauernhofeffekt" insbesondere durch Mykobakterien hervorgerufen wird. Denn diese Mikroorganismen können wesentlich zu einer Stärkung der Immunabwehr beitragen.

Aufgrund bisheriger Forschungen wusste man bisher nur allgemein, dass es in landwirtschaftlichen Betrieben mit Tierhaltung verschiedenste Reservoire für Mykobakterien gibt. Genauere Erkenntnisse darüber zu gewinnen, war daher das Ziel zweier Studienarbeiten, die kürzlich am Lehrstuhl für Mikrobiologie der Universität Bayreuth (Leitung: Professor Dr. Ortwin Meyer) entstanden sind. Julia Lockhauserbäumer und Maria Schreiner wollten in ihren Abschlussarbeiten für den Bachelor-Studiengang "Biologie, B.Sc." dem Bauernhofeffekt auf die Spur kommen. An welchen Standorten eines Bauernhofs treten Mykobakterien vermehrt auf? Und was sind die Ursachen dafür? Hinsichtlich dieser Leitfragen haben die beiden Studentinnen Kuhställe, einen Schweinestall und verschiedene Nutzflächen eines landwirtschaftlichen Betriebs in Oberfranken untersucht. Die Arbeiten wurden von der Simon-Nüssel-Stiftung der Universität Bayreuth finanziell unterstützt.

Unterschiedliche Verteilung von Mykobakterien

Insgesamt stellte sich heraus, dass Proben mit einer besonders hohen Gesamtzahl von Mikroorganismen auch vergleichsweise viele Mykobakterien enthielten. Ein besonders signifikantes Teilergebnis: Mykobakterien konnten im Staub sowie auf dem Boden des Kälberstalls und des Bullenstalls, nicht jedoch im Milchkuhstall nachgewiesen werden. Dieser Unterschied hängt vermutlich mit dem Alter der Ställe zusammen. Denn je älter die Ställe sind, desto größere Oberflächen aus Holz sind darin vorhanden, und desto mehr Mykobakterien wurden in den Proben gefunden. Als weitere Ursache kommt die Art der Tierhaltung in Frage: Im Kälber- und im Bullenstall werden die Tiere in kleinen Gruppen gehalten, während die Milchkühe im Freilaufstall mehr Bewegungsfreiheit haben. Dass hier überhaupt keine Mykobakterien isoliert werden konnten, ist möglicherweise auch in geschlechtsspezifischen Unterschieden begründet.

"Bis wir ein klares Bild von den Ursachen haben, die solche unterschiedlichen Verteilungen von Mykobakterien in der Landwirtschaft bewirken, sind zahlreiche weitere Forschungen nötig", erklärt Dr. Oliver Kreß, der als Projektleiter die Studienarbeiten betreut hat. "Derzeit sind noch viele Fragen offen. Beispielsweise haben wir bisher noch keine zureichende Erklärung dafür, weshalb nur im Bodendreck, aber nicht im Staub des Schweinestalls Mykobakterien enthalten waren."

Julia Lockhauserbäumer und Maria Schreiner konnten zahlreiche weitere Reservoire von Mykobakterien identifizieren, wie etwa Kälbermist, Kuh- und Bullengülle und Felderde. Hingegen ließen sich aus der Heu- und Maissilage, die luftdicht gelagert wird, keine Mykobakterien isolieren - offensichtlich deshalb, weil sie zum Wachstum auf Sauerstoff angewiesen sind. Insgesamt aber zeigen die beiden Studienarbeiten, dass die auf dem Bauernhof lebenden Menschen relativ häufig mit Mykobakterien in Kontakt kommen. Daher stützen sie die Annahme, dass Mykobakterien in einem engen Kausalzusammenhang mit dem "Bauernhofeffekt" stehen.

Forschungsnahe Bachelor-Ausbildung

In den mikrobiologischen Laboratorien der Universität ist es den beiden Bachelor-Studentinnen gelungen, die Mykobakterien genauer zu analysieren. Dabei wird zunächst die Probe, die z.B. aus dem Stalldreck oder der Gülle stammt, dekontaminiert; d.h. alle Mikroorganismen, die nicht der Gattung der Mykobakterien angehören, werden möglichst weitgehend abgetötet. Anschließend macht eine spezielle Färbemethode ("Ziehl-Neelsen-Färbung") alle Mykobakterien innerhalb der Probe sichtbar; sie lassen sich deutlich von den noch verbliebenen Mikroorganismen unterscheiden, die das Dekontaminierungsverfahren überlebt haben. Anschließend wird mithilfe verschiedener Verfahren geklärt, um welche Arten von Mykobakterien es sich genau handelt.

"Diese mikrobiologischen Untersuchungen zeigen, dass wir an der Universität Bayreuth bestrebt sind, die Studierenden bereits in den Bachelor-Studiengängen an aktuelle Themen der Forschung heranzuführen," erklärt Projektleiter Dr. Oliver Kreß. "Die Studierenden sollen sich möglichst frühzeitig mit Forschungsmethoden vertraut machen und sie in unseren Laboratorien praktisch anwenden. So erwerben sie fachliche Kompetenzen, mit denen sie für eine Mitarbeit in forschungsnahen Unternehmen, aber auch für weitergehende Master- oder Promotionsprogramme bestens qualifiziert sind."


Kontaktadresse für weitere Informationen:
Dr. Oliver Kreß
Lehrstuhl für Mikrobiologie
Universität Bayreuth
D-95440 Bayreuth
E-Mail: oliver.kress@uni-bayreuth.de

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:

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Ausschnitt aus einer lichtmikroskopischen Aufnahme: Die Mykobakterien sind ca. 1 Mikrometer lang, 0,2 Mikrometer breit und rot eingefärbt; alle anderen Mikroorganismen sind grün eingefärbt. Zum Vergleich: Ein menschliches Haar hat einen Durchmesser von ca. 70 Mikrometern. Das bei der Färbung eingesetzte Verfahren, das dem diagnostischen Nachweis der Mykobakterien dient, wird in der Forschung als "Ziehl-Neelsen-Färbung" bezeichnet.

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Projektleiter Dr. Oliver Kreß im Laboratorium für Mikrobiologie der Universität Bayreuth.

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution4


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Bayreuth, Christian Wißler, 04.10.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2010