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HYGIENE/065: Schweinegrippe - Hygieniker empfehlen Händedesinfektion an allen öffentlichen Orten (idw)


Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald - 27.08.2009

Schweinegrippe - Hygieniker empfehlen Händedesinfektion an allen öffentlichen Orten

Wirksamer als Händewaschen und überall möglich


Der Leiter des Greifswalder Instituts für Hygiene und Umweltmedizin, Prof. Axel Kramer (Foto), zugleich Präsident der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (www.krankenhaushygiene.de), empfiehlt die Händedesinfektion als wirksame und praktische Alternative zur Händewaschung.

"Das Händedesinfizieren kann Ansteckungsketten wirksam unterbrechen und ist neben der Impfung die effektivste Maßnahme zur Infektionsvermeidung. Ihre Durchführung ist nicht nur völlig standortunabhängig, der Einsatz von mobilen Flaschen oder von Wandspendern ist zudem preiswerter und kann jederzeit in Alltagsabläufe integriert werden. An allen öffentlichen Orten wie Schulen, Kindergärten, Verwaltungen, Betrieben und Supermärkten könnten die Spender angebracht werden", so Kramer.

In den nächsten Monaten wird mit einer weiteren Welle der so genannten Schweinegrippe gerechnet, wobei sich das genaue Ausmaß, die Anzahl der Betroffenen und die Schwere der Infektion im Moment nicht vorhersagen lassen. Die bisher schwerste saisonale Grippewelle dieses Jahrzehnts 2004 und 2005 führte in Deutschland zu ca. 4,7 Millionen Arztbesuchen und 12.000 Verstorbenen (Robert-Koch-Institut).

Abgesehen von der medizinischen Seite hat eine Pandemie eine erhebliche volkswirtschaftliche Bedeutung. Das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung (RWI) rechnet bereits bei einem mittelschweren Geschehen mit 100.000 Toten und 300.000 zusätzlichen Erkrankten in den Kliniken mit einem Schaden von 25 bis 75 Milliarden Euro. Zusätzlich zu den direkten Kosten für die unmittelbare medizinische Versorgung bilden dabei indirekte Verluste durch Fehlzeiten, eingeschränkte Produktivität am Arbeitsplatz sowie Einbußen im Konsum- und Tourismusgeschäft den größten Kostenfaktor.

"Die Prävention der Ausbreitung hat damit nicht nur eine hohe Bedeutung für das persönliche Wohlergehen des Einzelnen und die öffentliche Gesundheit, sondern erreicht zugleich eine betriebs- und volkswirtschaftlich bedenkliche Dimension", betonte der Greifswalder Wissenschaftler.

Das Influenzavirus A H1N1 wird wie die übliche Grippe überwiegend durch Kontakt mit Menschen, verunreinigten Gegenständen und über Tröpfchen beim Sprechen, Husten oder Niesen übertragen. Grundsätzlich ist das Händewaschen eine wirkungsvolle Methode, Grippeviren von der Hand zu entfernen. Allerdings müssen die Hände dazu sehr häufig, mindestens zehnmal täglich und etwa dreimal länger als üblich, ca. 40 Sekunden, gesäubert werden. Die Händewaschung ist zumeist an feste Sanitäranlagen gebunden. Anzahl und Ausstattung sind im Allgemeinen nicht für die Kontrolle einer Epidemie ausgelegt. Mehr noch, an den Waschplätzen überkreuzen sich die Wege der Mitarbeiter, was weitere Gelegenheit zu Übertragungen gibt. Dort, wo die häufigsten Kontakte bestehen, beispielsweise in Verkehrsmitteln und in vielen öffentlichen Gebäuden, besteht überhaupt keine Möglichkeit zur Reinigung. Damit geht die Empfehlung zum Händewaschen an der Lebenswirklichkeit der meisten Menschen vorbei.


Händedesinfektion stößt auf hohe Akzeptanz

"Als effektive und praktikable Alternative bietet sich deshalb die Händedesinfektion an", unterstrich der Hygieneexperte. "Sie ist wirksamer als die Seifenwaschung und nicht an bestimmte Orte gebunden, hautverträglicher und schneller als die Waschung." Darüber hinaus ist die Desinfektion mit etwa 2 bis 3 Cent pro Anwendung deutlich billiger. Geeignet sind alle alkoholischen Händedesinfektionsmittel, die in Apotheken, Fach- und Großhandel sowie im Internet angeboten werden. Der Literpreis liegt bei ca. 7,50 bis 10,00 Euro. "Im Gegensatz zur Waschung entfernt die Desinfektion die Erreger nicht nur von der Hand, sondern setzt die gefährlichen Krankheitsüberträger innerhalb von 30 Sekunden außer Kraft." Besonders praktisch neben den Wandspendern sind kleine "Taschenflaschen" mit einem Volumen von 100 bis 200 ml. Diese könnten an jeden Mitarbeiter zur persönlichen Verwendung ausgegeben werden.

In den USA ist es in Verbindung mit Aufklärungskampagnen gelungen, sogar Schüler zur Händedesinfektion mit Desinfektionsmitteln in Gelform zu motivieren. Dadurch kam es zu einem Rückgang der Fehltage an Schuleinrichtungen.

Eine ähnliche Studie in der Universitäts- und Stadtverwaltung von Greifswald im Rahmen einer Doktorarbeit führte zu ebenso positiven Ergebnissen. In der Untersuchung wurde im Jahr 2006 die Machbarkeit und Wirksamkeit der Händedesinfektion in öffentlichen Einrichtungen der Hansestadt Greifswald analysiert, die zu einer Reduzierung der Rate infektiöser Erkrankungen der Atemwege und des Magen-Darm-Trakts führte und insgesamt auf eine hohe Akzeptanz stieß.

"Die Bedeutung der Händehygiene zur Prävention der Grippeübertragung wird noch unterschätzt", konstatierte Prof. Axel Kramer. In Zeiten großflächiger Ausbreitung der Grippe könne die Händehygiene einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung der betriebs- und volkswirtschaftlichen Schäden leisten. Die Händedesinfektion ist dabei die kostengünstigere, praktischere und wirksamere Methode. "Arbeitgeber sollten überlegen, insbesondere Mitarbeitern mit häufigem Kundenkontakt und in Schlüsselbereichen Zugang zu Händedesinfektionsmittelspendern zu gewähren oder Taschenflaschen zur Verfügung zu stellen, um so die Ausbreitung zu begrenzen. Das sollte auch alle Bildungseinrichtungen einschließen", so Kramer abschließend.


Ansprechpartner am Uniklinikum Greifswald
Institut für Hygiene und Umweltmedizin
Direktor: Prof. Dr. med. Axel Kramer
Walter-Rathenau-Straße 42, 17489 Greifswald
E kramer@uni-greifswald.de
www.klinikum.uni-greifswald.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution65


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Constanze Steinke, 27.08.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. August 2009