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UMWELT/563: Die globale Erwärmung gefährdet Ihre Gesundheit (IPPNWforum)


IPPNWforum | 113 | 08
Mitteilungen der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges, Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.

Die globale Erwärmung gefährdet Ihre Gesundheit
Mehr Kranke und Tote infolge des Klimawandels

Von Angelika Wilmen


Der Klimawandel ist in aller Munde. Im Vordergrund der medialen Berichterstattung stehen die Bemühungen der Staatengemeinschaft, die CO²-Emissionen zu reduzieren. Was bisher weniger öffentliche Aufmerksamkeit genießt, sind die Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Gesundheit von Millionen von Menschen. Im Juli 2008 sorgte in den USA die erste wissenschaftliche Analyse der Auswirkungen der Klimaerwärmung auf die Gesundheit der Bevölkerung für Aufregung. In einem 149 Seiten starken Bericht listeten Wissenschaftler des US-Umweltministeriums die Gesundheitsgefahren durch die Klimaerwärmung auf. Sie prognostizieren, dass die Zahl der US-Toten durch extremes Wetter und Krankheiten, die durch Vektoren wie Zecken übertragen werden, mit dem Anstieg der Temperaturen zunehmen wird. Auch werde es mehr Allergiekranke geben, weil im wärmeren Klima mehr Pollen fliegen. Zudem sagten die Forscher in weiten Teilen der USA eine Zunahme von Smog voraus, Hauptursache für Atemwegs- und Lungenerkrankungen.


Für das Weiße Haus kommen diese Erkenntnisse zu einem ungelegenen Zeitpunkt. Die Regierung von Präsident George W. Bush vertritt den Standpunkt, der Klimawandel habe keine direkten Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen. Eine solche Verbindung anzuerkennen würde bedeuten, dass sie gesetzliche Maßnahmen zur Begrenzung des Ausstoßes von Treibhausgasen ergreifen müsste. Prompt wies die Regierung die Studie des Umweltministeriums zurück und lehnte Konsequenzen ab.

Die Weltgesundheitsorganisation hat das Thema "Globaler Klimawandel und Gesundheit" zum Schwerpunkt des letzten Weltgesundheitstages im April 2008 gemacht. "Der Klimawandel ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit", erklärte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan anlässlich dieses Tages in Genf. Nicht nur Hitzewellen, Stürme, Überschwemmungen und Dürren forderten unzählige Menschenleben auf der ganzen Welt. An Erkrankungen wie Durchfall, Malaria und Eiweißmangel sterben laut Chan pro Jahr mehr als drei Millionen Menschen - auch diese Leiden seien zum Teil mit dem Klima verbunden. "Alle Völker sind verwundbar, aber die Armen werden als erste und am härtesten getroffen", betonte die chinesische Medizinerin.

Doch auch in reichen Ländern wie Deutschland könnte der Klimawandel zu vielen Opfern führen, fürchten Forscher. Deutschland muss sich wegen des Klimawandels nach Angaben der Gesundheitsbehörden auf neue Risiken einstellen. Allergien und Infektionskrankheiten würden neu oder verstärkt auftreten, sagte Gesundheits-Staatssekretärin Marion Caspers-Merk Anfang April in Berlin. In heißen Sommern steige durch die intensive Sonnenstrahlung das Risiko von Hautkrebs. Zecken könnten sich stärker ausbreiten und mit ihren Bissen Borreliose-Infektionen verursachen. Laut dem deutschen Forschungszentrum für Umwelt und Gesundheit in München haben empirische Untersuchungen in Schweden über einen Zeitraum von 36 Jahren zum ersten Mal einen glaubwürdigen Zusammenhang zwischen Klimadaten und der Verbreitung von Zeckenenzephalitis hergestellt.

Schon jetzt verursachen Luftschadstoffe wie Ozon und Feinstaub gravierende Gesundheitsprobleme. Hohe Ozonwerte führen in der Europäischen Union zu 20.000 vorzeitigen Todesfällen und 200 Millionen Fällen von akuten Atemwegserkrankungen pro Jahr. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Ozonkonzentrationen aufgrund des Klimawandels zunehmen werden. Das bedeutet laut WHO bis zu 1.500 zusätzliche Tote. Feinstaub verkürzt nach WHO-Aussagen die durchschnittliche Lebenszeit aller Europäer im Mittel um 8,6 Monate und in Deutschland um 10,2 Monate. In der Europäischen Region seien jährlich 13.000 vorzeitige Todesfälle von Kindern im Alter von 0-4 Jahren auf die Belastung der Außenluft durch Feinstaub zurückzuführen. Klimabedingte Veränderungen der Windströmungen sowie die fortschreitende Wüstenbildung würden dazu führen, dass natürliche und menschengemachte Luftschadstoffe verstärkt über längere Strecken nach Europa transportiert werden.

Eine weitere Folge des wärmeren Klimas wird vor allem Allergiker treffen: die Ausdehnung der Pollensaison. Manche Pollen fliegen früher als bislang, andere Pflanzen schicken ihre Allergene noch spät im Oktober auf die Reise. Insgesamt stieg die Dauer des Pollenflugs in Europa während der vergangenen 30 Jahre laut Bettina Menne, medizinische Referentin des Europäischen WHO-Zentrums für Umwelt und Gesundheit, um durchschnittlich zehn bis elf Tage. Zusätzlich treten neue Pflanzen mit stark allergenen Pollen auf, insbesondere die aus Nordamerika stammende Ambrosia, die sich inzwischen auch in Deutschland ausbreitet.

Zunehmend werden auch Infektionen importiert, etwa durch Dengue-Viren. Nach Angaben der Vereinten Nationen kam das Dengue-Fieber in den 70er Jahren in neun Ländern vor, heute in etwa 100. In Teilen Südeuropas oder in Südafrika entlang der Küste des indischen Ozeans ist Malaria schon jetzt neu aufgetreten oder zurückgekehrt. Wissenschaftler schätzen, dass sich die Übertragungsgefahr von Malaria bei einem Temperaturanstieg von drei bis fünf Grad in tropischen Regionen verdoppeln und in gemäßigten Gebieten sogar verzehnfachen wird. Auch in Mitteleuropa rechnen sie mit dem Auftreten von Malaria. Insgesamt würde dann fast zwei Drittel der Menschheit in malariagefährdeten Gebieten leben.

Wenn Infektionen an neuen Orten auftreten, an denen die Bevölkerung keine Immunität besitzt und das Gesundheitssystem nicht auf die entsprechenden Krankheiten vorbereitet ist, können die Auswirkungen dramatisch sein. Als in den Jahren 2005/2006 in Réunion eine von Mücken übertragene Chikungunya-Epidemie ausbrach, wurden nach Angaben der Behörden 266.000 Personen und damit etwa ein Drittel der Bevölkerung infiziert. Bei 254 Todesfällen im Jahr 2006 wurde das Chikungunya-Fieber als Ursache vermutet. Der Tourismus auf der Insel ging stark zurück.

Schon heute sterben nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mehr als 150.000 Menschen pro Jahr durch klimabedingte Krankheiten und Verletzungen. Allein in Europa habe der extrem heiße Sommer im Jahr 2003 mehr als 70.000 Hitze-Opfer gefordert. Durch Katastrophen, bei denen das Klima eine Rolle spielt, kommen laut WHO weltweit 60.000 Menschen ums Leben - die meisten davon in Entwicklungsländern.

"Bisher war auf den Plakaten für den Klimaschutz immer der Eisbär zu sehen", erklärte WHO-Generaldirektorin Margaret Chan anlässlich des Weltgesundheitstags. Die Politik müsse nun davon überzeugt werden, dass die wichtigste durch den Klimawandel bedrohte Art der Mensch sei. Die WHO fordert eine stärkere internationale Zusammenarbeit und verbindliche Vereinbarungen, um die Folgen des Klimawandels auf die Gesundheit einzudämmen und zu bewältigen. Doch während die wohlhabenden europäischen Länder ihre Gesundheitssysteme weiterentwickeln, um sich gegen die Folgen des Klimawandels wappnen, bleibt Entwicklungsländern nur wenig Spielraum, um auf die dramatischen Veränderungen zu reagieren.


Literatur:
- Protecting Health from Climate Change, World Health Day 2008
- Protecting Health in Europe from Climate Change, WHO 2008


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Quelle:
IPPNWforum | 113 | 08, S. 11-12
Herausgeber:
Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges,
Ärzte in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW), Sektion Deutschland
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IPPNWforum
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. Januar 2009