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AUSLAND/1663: Kenia - Gesundheitsexperten sehen Recht auf Generika gefährdet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 1. März 2011

Kenia: Gesundheitsexperten sehen Recht auf Generika gefährdet

Von Miriam Gathigah


Nairobi, 1. März (IPS) - In Kenia wehren sich Gesundheitsexperten und Vertreter der Zivilgesellschaft gegen ein Gesetz gegen Medikamentenfälschungen und ein geplantes Handelsabkommen zwischen Indien und der Europäischen Union. Sie befürchten, dass beide Initiativen Millionen Kranken den Zugang zu den vergleichsweise preiswerten Generika versperren werden.

Wie in vielen anderen Ländern der Welt ist auch in Kenia die Mehrheit der Bevölkerung auf die Nachahmerpräparate angewiesen. Doch Regierung und Pharmaindustrie sehen das Problem mit den gefälschten Medikamenten in der Abhängigkeit des Landes von den Generika. Angenommen wird, dass skrupellose Händler gefälschte Präparate als Generika auszeichnen und an ahnungslose Kunden verkaufen.

Der Etikettenschwindel birgt aber nicht nur gesundheitliche Risiken. Der Handel mit den Fälschungen prellt den kenianischen Staat um Steuereinannahmen von jährlich 75 Millionen US-Dollar. Auch die regulären Arzneimittelhersteller fahren Verluste ein. Sie berichten von Netto-Profiteinbußen in Höhe von jährlich über 375 Millionen Dollar. Aus diesem Grund hat die Regierung bereits 2008 ein Gesetz verabschiedet, das nicht zwischen Fälschungen und Generika unterscheidet. Die Rechtmäßigkeit des Gesetzes muss noch juristisch geklärt werden.


Produktionsverzögerungen befürchtet

Onyango Opiyo vom 'Nairobi Network of Post-Test Clubs', einer Aidshilfegruppe in der Hauptstadt Nairobi, befürchtet, dass aufgrund des neuen Gesetzes Generika Gefahr laufen, mit Fälschungen gleichgesetzt und kriminalisiert zu werden. Opiyo befürchtet ferner, dass bei einem Zustandekommen des Handelsabkommens zwischen EU und Indien noch in diesem Jahr die Produktion neuer Generika in Indien künftig um bis zu zehn Jahre verzögert werden könnte. Für Kenianer und andere Afrikaner wäre dies ein herber Rückschlag im verzweifelten Kampf gegen Killerkrankheiten wie Aids und Malaria.

Wie dem 'Kenya AIDS Indicator Survey' zu entnehmen ist, sind 1,4 Millionen Kenianer HIV-positiv. 400.000 der Kranken haben bereits Zugang zu den wirksamen antiretroviralen Medikamenten. Weitere 70.000 Menschen sollen in den kommenden zwei Monaten ebenfalls mit den lebensverlängernden Arzneien versorgt werden.

In den letzten Jahren sind es aber auch immer mehr Krebskrankheiten, die das kenianische Gesundheitsbudget belasten. Nach Angaben von Opiyo, der auch die Krebsstation des Kenyatta-Krankenhauses in Nairobi leitet, werden auf seiner Station jedes Jahr 4.000 Krebspatienten behandelt. Hinzu kommen auch etliche Tuberkulosefälle.

Die Generika bieten den Vorteil, dass sie deutlich preiswerter als Originalmedikamente sind und somit die Behandlung möglichst vieler Menschen möglich machen. Seitdem das Land Generika aus Indien bezieht, konnten die Kosten für die antiretrovirale Aids-Therapie pro Patient und Jahr auf 88 Dollar gesenkt werden.


Die meisten Medikamente sind Generika

"Generika machen 90 Prozent aller in Kenia verwendeten Arzneimittel aus", erläutert der Aids-Aktivist Jack Kamonya. Schon ohne das Gesetz gegen die Fälschungen seien Malariamittel, Antibiotika und Antiretrovirale im Lande aufgrund der finanziellen Engpässe knapp gewesen.

"Wir machen uns Sorgen, dass die EU im Rahmen ihres Handelsabkommens mit Indien Initiativen ergreifen könnten, die Menschen wie mir den Zugang zu den Nachahmerprodukten erschweren", sagt Kamonya.

Im Februar hatte das 'Corporate Europe Observatory', die EU verklagt, weil sie Vertretern der Pharmaunternehmen einen privilegierten Zugang zu Informationen über die Verhandlungen mit Indien zukommen ließ. Demgegenüber musste die niederländische Nichtregierungsorganisation 18 Monate darum kämpfen, Einblick in die Dokumente nehmen zu dürfen, die in Schlüsselfragen zudem geschwärzt waren. Auch sie befürchtet, dass das Abkommen zu Einschränkungen bei der Produktion von Generika führen wird.

Drei Aids-Infizierte versuchen derzeit in Kenia die Gleichsetzung von Medikamentenfälschung und Generika rechtlich anzufechten. Sie sei verfassungswidrig, weil sie Millionen Kenianer den Zugang zu wichtigen Nachahmerpräparaten versperre, argumentieren sie. Das kenianische Verfassungsgericht hat der Regierung untersagt, die strittigen Teile des Gesetzes umzusetzen, solange die gerichtliche Entscheidung noch aussteht. (Ende/IPS/kb/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2011