Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN

AUSLAND/1746: Pakistan - Taliban gegen Schluckimpfung - Polio auf dem Vormarsch (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2011

Pakistan:
Taliban gegen Schluckimpfung - Polio auf dem Vormarsch

von Ashfaq Yusufzai


Peschawar, 26. September (IPS) - Mit Fatwas des Imam und mit dem Strafgesetz zieht die pakistanische Regierung derzeit in der Nordwestgrenzprovinz Khyber Pakhtunkhwa (NWPF) und den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) gegen Familien zu Felde, die sich weigern, ihre Kinder gegen Kinderlähmung (Poliomyelitis) impfen zu lassen. Mit 83 Fällen hält Pakistan auch in diesem Jahr weltweit den traurigen Rekord an neuen Polioerkrankungen - vor Nigeria (23 Fälle) und Afghanistan (12 Fälle).

Nach Ansicht des für die Koordinierung der Impfkampagne zuständigen Provinzbeamten Siraj Ahmad Khan machen sich militante Taliban in den Nordwestregionen den weit verbreiteten Analphabetismus der Bevölkerung zu Nutze. Im Rundfunk warnen sie vor der angeblich impotent und unfruchtbar machenden Schluckimpfung gegen Kinderlähmung, mit der die USA die muslimische Bevölkerung verringern wolle. "Die Impfverweigerung ist zu einem schwerwiegenden Problem geworden, gegen das wir etwas unternehmen müssen", erklärte Khan gegenüber IPS.

2010 hatte es in Pakistan 144 Poliofälle gegeben, von denen 96 im Nordwestgrenzgebiet und in den FATA registriert wurden. Bei 50 erkrankten Kindern hatten die Eltern die Schluckimpfung verweigert.


Doppelstrategie gegen Impfverweigerer

Den Verweigerern drohen die Provinzverwaltungen jetzt Gefängnisstrafen von bis zu drei Monaten an. Doch setzten die Behörden ihre Hoffnungen vor allem auf den Einfluss lokaler Religionslehrer "Wir verfolgen damit eine Doppelstrategie", berichtete Khan. "Die Geistlichen sollen die Menschen von der Notwendigkeit der Kooperation überzeugen, und wir lassen keinen Zweifel an unserer Entschlossenheit, gegen Impfverweigerer das Gesetz zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung anzuwenden."

Wie der Arzt Jan Baz Afridi, der in der Nordwestgrenzprovinz die Impfkampagne gegen Polio leitet, berichtete, haben 16.000 Kinder auf Wunsch ihrer Eltern nicht an der Schluckimpfung teilgenommen. "Etliche Kinder, bei denen der Poliotest positiv ausfiel, leben in religiösen Familien, die offen gegen die Impfung sind."

Inzwischen werben etliche islamische Rechtsgelehrte mit Fatwas (Gutachten) für die Schutzimpfung, die das einzige Mittel gegen die Kinderlähmung und deren Folgeschäden einer lebenslangen Behinderung ist. "Es ist die religiöse Pflicht der Muslime, ihre Kinder vor Krankheiten zu schützen", stellte Muhammad Ali, fest. Er ist Lehrer an der Islamschule Darul Uloom Haqqania im Bezirk Nowshera (NWFP).

Nach Angaben des Arztes Umar Farooq, eines Mitarbeiters der Weltgesundheitsorganisation (WHO), investieren internationale Geber alljährlich rund fünf Millionen US-Dollar in die weltweite Bekämpfung der Kinderlähmung. Offiziell ist die folgenschwere Krankheit inzwischen in 125 Ländern ausgerottet. (Ende/IPS/mp/2011)


Links:
http://www.who.int
http://www.polioeradication.org/.../
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105213

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH


*


Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2011
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. September 2011