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AUSLAND/1847: Bangladesch - Experten misstrauen HIV-Statistiken, hohe Dunkelziffer befürchtet (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. Juni 2012

Bangladesch: Experten misstrauen HIV-Statistiken - Hohe Dunkelziffer befürchtet

von Naimul Haq

Prostituierte werden im Zuge der Aids-Prävention kostenlos medizinisch versorgt - Bild: © Naimul Haq/IPS

Prostituierte werden im Zuge der Aids-Prävention kostenlos medizinisch versorgt
Bild: © Naimul Haq/IPS

Dhaka, 6. Juni (IPS) - Die Rate der HIV-Infektionen in Bangladesch ist bisher niedrig. Experten warnen jedoch davor, dass sich die Immunschwächekrankheit schleichend zu einer Epidemie ausweiten könnte. Sie kritisieren, dass viele Fälle nicht gemeldet werden und die Ausbreitung des Virus in der Bevölkerung nicht hinreichend untersucht wird.

In den amtlichen Statistiken sind bis jetzt nur 2.533 der insgesamt rund 160 Millionen Einwohner des südasiatischen Landes als HIV-positiv erfasst. Aus dem jüngsten Untersuchungsbericht vom Juni 2011 geht hervor, dass vor allem Hochrisikogruppen wie Drogenabhängige, Prostituierte, homosexuelle Männer und Arbeitsmigranten Aids-gefährdet sind.

Laut dem Report, für den fast 3.000 Menschen aus 36 verschiedenen Regionen des Landes befragt wurden, liegt die HIV-Rate in Bangladesch bei 0,7 Prozent. Syphilis trat demnach bei drei Prozent der Bevölkerung auf, was auf eine hohe Verbreitung sexuell übertragbarer Krankheiten hindeutet. Bei 12,5 Prozent der Straßenprostituierten in der Stadt Hili wurde Syphilis festgestellt, während die Rate in Chittagong bei 10,3 und in Sylhet bei 9,3 Prozent lag.

Da die HIV-Infektionsrate selbst unter Sexarbeitern gering ist, kommt das Land bei der Erreichung der Millenniums-Entwicklungsziele der Vereinten Nationen gut voran. Vorgesehen ist eine Eindämmung der Infektionsrate bis 2015.

Mediziner und freiwillige Helfer, die sich im Kampf gegen HIV und Aids engagieren, sehen allerdings keinen Anlass zu Optimismus. Bangladesch stehe möglicherweise am Rand einer Epidemie, warnen sie. Darauf deute die anhaltend hohe Zahl sexuell übertragener Infektionen hin.


Virus eingeschleppt

Die Experten beunruhigt, dass der intravenöse Drogenkonsum zunimmt, immer weniger Männer Kondome benutzen, zahlreiche Jugendliche auf Arbeitssuche ins Ausland gehen und die Grenze zu Indien, wo 2,4 Millionen Menschen das HI-Virus in sich tragen, sehr durchlässig ist. Bangladesch liegt zudem in Nachbarschaft zu Myanmar und Nepal, wo das Immunschwächevirus ebenfalls verbreitet ist.

Das UN-Aids-Programm UNAIDS, das das Land im Kampf gegen HIV und Aids unterstützt, führt die niedrige Infektionsrate auf ein rechtzeitiges Eingreifen der Regierung zurück. Nach Ansicht des UNAIDS-Koordinators in Bangladesch, Leo Kenny, ist es den Behörden unter anderem gelungen, eine HIV-Epidemie unter Drogenabhängigen zu verhindern.

"Wir sind bereits vier Jahre vor dem Auftreten des ersten HIV-Falles 1989 gegen die Infektionen vorgegangen", berichtet Mohammad Abdul Waheed, der Leiter des nationalen Programms gegen HIV und Aids (Nasp) in Bangladesch. Das Nationale Aids-Komitee habe schon in den späten neunziger Jahren Kontakte zu Nichtregierungsorganisationen und Medien geknüpft, um die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren.


Hohe Dunkelziffer vermutet

Andere Beobachter geben jedoch zu bedenken, dass viele Fälle gar nicht offiziell bekannt werden. Freiwillige Tests würden in Bangladesch nach wie vor kaum vorgenommen. Infizierte müssen zudem befürchten, gesellschaftlich ausgegrenzt zu werden. "Die geringe Erfassung von Fällen wird so lange ein Dilemma bleiben, bis eine Epidemie ausbricht", fürchtet Halida Khandaker von der Organisation 'Confidential Approach to Aids Prevention' (CAAP).

"Es wird immer nur über Hochrisikogruppen gesprochen. Doch wie steht es um die Hausfrauen? Oder die Schüler? Heimkehrende Arbeitsmigranten und Sexarbeiterinnen in Bordellen jenseits der Grenze zu Indien werden ebenfalls vollständig außer Acht gelassen.", kritisiert Habiba Akhter von der 'Ashar Alo Society'.

Offizielle Untersuchungen haben immerhin eine Zunahme der HIV-Infektionen in der Hauptstadt Dhaka belegt. Dort sind die Ansteckungen unter Drogensüchtigen von 1,4 auf vier Prozent gestiegen, so der Bericht aus dem letzten Jahr. Auch die Tatsache, dass viele Junkies heimlich Blut an private Kliniken oder Distrikthospitäler verkaufen, gibt Anlass zur Sorge. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.un.org/millenniumgoals/
http://www.unaidsbd.org/
http://www.padakhep.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=108013

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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juni 2012