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AUSLAND/2072: Pakistan - Preiswert und gut, geschmuggelte Medikamente aus Indien retten Leben (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 6. März 2014

Pakistan: Preiswert und gut - Geschmuggelte Medikamente aus Indien retten Leben

von Ashfaq Yusufzai


Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Trotz aller Handelsbarrieren - Indische Medikamente finden ihren Weg nach Pakistan
Bild: © Ashfaq Yusufzai/IPS

Peshawar, Pakistan, 6. März (IPS) - Pakistan ist zu einem wichtigen Markt für geschmuggelte Medikamente geworden. Für die Kranken und Pflegebedürftigen in diesem Land sind die über Afghanistan eingeschleusten Pharmaka aus Indien ein Segen, vor allem weil sie gegenüber den legal gehandelten Produkten einen gravierenden Preisvorteil haben. Und mindestens genauso wirksam sind sie auch, wie Ärzte und Patienten gleichermaßen bestätigen.

Zwischen den beiden Nachbarstaaten Indien und Pakistan besteht zwar kein Handelsabkommen für Medikamente, doch auf den Märkten in der nordpakistanischen Provinz Khyber Pakhtunkhwa werden die Arzneien aus Indien rege gehandelt. "Uns ist durchaus klar, dass sie in riesigen Mengen über Afghanistan nach Pakistan geschmuggelt werden", meint Muhammad Riaz, ein staatlicher Medikamentenkontrolleur. "Doch wir unternehmen nichts dagegen, weil wir wissen, dass sie der lokalen Bevölkerung helfen."

Aus dem gleichen Grund hat der Arzt Abdul Kabir, der am Stadtrand von Peshawar eine Praxis betreibt, keine Skrupel, seinen Patienten die geschmuggelten Medikamente zu verschreiben. "Das mache ich schon lange so", sagt der Mediziner und bescheinigt ihnen eine hohe Wirksamkeit.

Gerade in den ländlichen Gebieten werden sie verschrieben, weil sich die dort lebenden Menschen die teuren Pharmaka westlicher Konzerne nicht leisten können oder aber sich einheimische Erzeugnisse als ineffektiv herausgestellt haben. Manchmal sind die lokal hergestellten Mittel sogar teurer als die indische Konkurrenz. 'Famotidin' gegen Magengeschwüre zum Beispiel kostet zwischen 200 und 500 pakistanischen Rupien (1,90 bis 4,70 US-Dollar), das aus Indien eingeführte Präparat hingegen zwischen 30 und 50 Rupien (30 bis 45 US-Cent).


Auch Apotheker profitieren

Für die meisten der 60.000 Apotheker in Khyber Pakhtunkhwa und den Stammesgebieten unter Bundesverwaltung (FATA) ist der Verkauf der indischen Medikamente ein gutes Geschäft. "Pharmazeutische Produkte, die aus Indien illegal eingeführt werden, gehen in Pakistan problemlos über den Ladentisch. Und auch die staatlich eingesetzten Kontrolleure wissen, dass sie wirksam sind", meint Mushtaq Ali, ein Apotheker in Peshawar.

Ali zufolge sind indische Kopfschmerztabletten, Antibiotika, Beruhigungsmittel, Krebsmedikamente und blutdrucksenkende Pillen leicht zugänglich. Sie finden als Paracetamol, Diclofenac, Misprostol, Amoxicillin und Ampicillin 'made in India' reißenden Absatz. "Die Menschen, die chronisch krank sind und über einen langen Zeitraum Medikamente einnehmen müssen, entscheiden sich meist für indische Erzeugnisse, weil sie preiswerter sind", fügt er hinzu.

Hauptnutznießer der indischen Medikamente sind aufgrund ihrer geographischen Nähe zu Afghanistan vor allem die Einwohner von Khyber Pakhtunkhwa und den FATA. Von Afghanistan aus, mit dem Indien ein Handelsabkommen unterhält, gelangen die Medikamente in die beiden pakistanischen Grenzregionen.

In Pakistan wird der legale Medikamentenmarkt von rund 200 multinationalen Konzernen und 300 lokalen Pharmaunternehmen dominiert. "Doch die Produkte sind teuer", bestätigt der Kontrolleur Riaz. Hinzu kommt, dass die Arzneien der einheimischen Hersteller nicht immer halten, was sie versprechen und deshalb von den Ärzten selten verschrieben werden.

Die pakistanische Behörde für Qualitätskontrolle unterzieht die indischen Medikamente häufig einer Überprüfung. Und immer wieder kommt sie zu dem Schluss, dass diese hochgradig wirksam sind. "Den Verkauf der Schmuggelware zu unterbinden hieße armen Pakistanern eine angemessene Behandlung vorzuenthalten", fürchtet Riaz.

Jaffar Shah lebt im Bezirk Mardan in Khyber Pakhtunkhwa. Wie er berichtet, schluckt sein Vater seit zehn Jahren blutdrucksenkende Tabletten. "Anfangs haben wir die Präparate der Multis gekauft. Doch als das Geld knapp wurde, sind wir auf die preiswerteren und ebenso wirksamen indischen Medikamente umgestiegen." Shah kennt viele Menschen in seiner Nachbarschaft, die wie seine Familie auch auf die indischen Alternativen schwören.


Hohe Nachfrage nach indischen HIV/Aids-Generika

Auch HIV-positive Pakistaner geben indischen Antiretroviralen (ARVs) vor einheimischen Kombipräparaten den Vorzug. "Die Weltgesundheitsorganisation importiert die ARVs aus Indien, die in landesweit 13 Gesundheitszentren ausgegeben werden", sagt Atif Khan vom Hayatabad-Krankenhaus in Peshawar, der Hauptstadt von Khyber Pakhtunkhwa. "Diese 2005 eingeführten Medikamente sind 20 Mal preiswerter, als die der multinationalen Konzerne. Leider jedoch werden sie nur in Krankenhäusern unter der Aufsicht qualifizierter Ärzte ausgegeben."

Mit dem Medikamentenschmuggel aus Indien hat sich schon häufiger die pakistanische Nationalversammlung befasst. Doch jedes Mal wird das Thema schnell wieder fallengelassen. Offenbar fürchten die Abgeordneten den Zorn der Bevölkerung, sollten sie den illegalen Handel unterbinden wollen.

Für Rasool Shah, Pharmazieprofessor an der Universität von Peshawar, tut Indiens boomende Generika-Industrie ihr Bestes, um sich eine Scheibe des 200 Milliarden Dollar schweren pakistanischen Medikamentenmarkts abzuschneiden. "Die in Pakistan ansässigen Multis sind zu Recht besorgt, weil sie von indischen Herstellern vom Markt verdrängt werden." (Ende/IPS/kb/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/02/smuggled-drugs-save-lives-2/

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IPS-Tagesdienst vom 7. März 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. März 2014