Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN

AUSLAND/2130: Pakistan - Viele Mütter im Teenager-Alter (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. Juli 2014

Pakistan: Viele Mütter im Teenager-Alter

von Zofeen Ebrahim


Bild: © Zofeen Ebrahim/IPS

Viele Mädchen in Südasien werden bereits als Teenager Mütter
Bild: © Zofeen Ebrahim/IPS

Karachi, Pakistan, 15. Juli (IPS) - Wenn die 22-jährige Rashda Naureen die Zeit um sechs Jahre zurückdrehen könnte, würde sie nicht mehr heiraten. "Damals war ich einfach noch nicht reif dafür", sagt die Pakistanerin heute. "Ich war doch noch ein Kind." Mit 17 bekam sie ihr Baby, kurz darauf wurde sie geschieden.

Ihre Mutter Perween Bibi erklärt, warum die Tochter im Teenageralter verheiratet wurde. "Wir haben außer zwei Söhnen noch zwei weitere Mädchen", erläutert sie. "Die Belastung war zu groß. Deshalb haben wir Rashda an eine andere Familie gegeben." Doch jetzt müssen Bibi, die als Putzfrau arbeitet, und ihr Mann, der als Chauffeur sein Geld verdient, auch noch für ihren Enkel sorgen. Die siebenköpfige Familie weiß kaum, wie sie über die Runden kommen soll.

Naureen bedauert inzwischen, nicht auf eine Freundin gehört zu haben, die ihr zur Pille geraten hatte. "Auch mein Mann, der von seinen Eltern zur Heirat mit mir gezwungen worden war, hätte lieber noch gewartet. Ich dachte hingegen, dass es unsere Beziehung festigen würde, wenn wir sofort ein Kind bekämen."

Laut Dr. Tauseef Ahmed, Direktor der pakistanischen Sektion von 'Pathfinder International', bekommen Mädchen, die als Teenager heiraten, oftmals sehr schnell ihr erstes Kind. Ein Baby sei ein Beweis für die eigene Fruchtbarkeit. "Häufig sind es die jungen Frauen selbst, die eine frühe Mutterschaft anstreben", sagt Ahmed, dessen Mutterorganisation Jugendlichen in mehr als 30 Ländern hilft, sexuelle und reproduktive Gesundheitsleistungen in Anspruch zu nehmen.


Jedes Jahr Millionen Teenagerschwangerschaften weltweit

Nach Erkenntnissen des Weltbevölkerungsfonds UNFPA werden jedes Jahr weltweit etwa 7,3 Millionen Mädchen im Teenager-Alter schwanger. Zwei Millionen sind höchstens 14 Jahre alt. Schätzungsweise 70.000 junge Frauen in Entwicklungsländern sterben jährlich an Komplikationen infolge von Schwangerschaft und Geburt.

Die Weltgesundheitsorganisation WHO berichtet, dass die Säuglingssterblichkeit bei Müttern im Teenager-Alter um die Hälfte höher ist als bei Müttern zwischen 20 und 29 Jahren. Das Gewicht überlebender Säuglinge von Kindermüttern sei bei der Geburt meist geringer als das der Babys von Frauen in den Zwanzigern.

In Pakistan, wo 35 Prozent aller verheirateten Frauen im Alter von 25 bis 49 Jahren zum Zeitpunkt der Eheschließung unter 18 Jahre alt waren, ist das Problem besonders offensichtlich, wie aus der jüngsten pakistanischen Untersuchung zur Gesundheit der Bevölkerung 2012-2013 hervorgeht. In dem südasiatischen Land leben insgesamt rund 180 Millionen Menschen.

Experten führen die hohe Zahl von Eheschließungen und Geburten im Teenager-Alter vor allem auf mangelnde Bildung zurück. Naureen selbst sieht ihre nach drei Jahren abgebrochene Schulausbildung als gravierende Entwicklungsbremse.


Frühe Schwangerschaften gefährden auch Gesundheit der Kinder

Der Mediziner Farid Midhet, der in Pakistan das Programm für Mütter- und Kindergesundheit der US-Entwicklungsbehörde USAID leitet, erkennt ebenfalls einen Zusammenhang zwischen Teenagerschwangerschaften und Bildungsdefiziten bei den Frauen. Die beiden Faktoren trügen zu einer hohen Säuglings- und Kindersterblichkeit und einer hohen Geburtenrate bei, sagt er. Diese Kinder seien eine Belastung für die Gesellschaft und verschärften das Problem der Armut, die wiederum Militanz, Kriminalität und soziale Unruhen fördere.

Ahmed von den internationalen Pfadfindern macht auch eine konservative Strömung innerhalb der pakistanischen Gesellschaft für ein rückständiges Rollenmuster verantwortlich. "In dem Land, in dem 97 Prozent der Bevölkerung Muslime sind, steht es für Tausende Mädchen von vorn herein fest, dass sie früh heiraten und Kinder bekommen werden", sagt er. Die Schule dürften sie dann nicht mehr besuchen.

Die Angst vor dem Widerstand der Konservativen verhindert nach Ansicht von Ahmed ein entschiedenes Vorgehen der Regierung. Dabei hätten etliche Studien klar gezeigt, dass in den Staaten, in denen mehr Mädchen zur Schule gehen könnten, weniger Teenager Kinder bekämen.

Zeba Sathar, die Direktorin des Pakistanischen Bevölkerungsrats, hält höhere Investitionen in die Bildung von Mädchen für das wirksamste Mittel gegen die Gesundheitskrise, die durch Teenager-Schwangerschaften entstanden sei. "Es gibt global erprobte Strategien, die darauf ausgerichtet sind, Mädchen in den Schulen zu halten, ihnen wirtschaftliche Anreize zu bieten und praktische Kenntnisse zu vermitteln sowie Familien und Öffentlichkeit über die negativen Folgen von Teenager-Schwangerschaften zu informieren", sagt sie. Mädchen sollten sich erst zu Frauen entwickeln können, bevor sie Kinder bekämen.


Mädchen in traditionellen Gesellschaften früh verheiratet

Auch andere Länder der Region sind mit ähnlichen Problemen wie Pakistan konfrontiert. Gesetze, die frühe Eheschließungen untersagen, lassen sich in den traditionellen Gesellschaften nur schwerlich einhalten. Laut dem 2013 veröffentlichten UNFPA-Bericht 'Motherhood in Childhood' bleibt es vor allem in Indien und Bangladesch wahrscheinlich, dass Mädchen vor ihrem 18. Lebensjahr heiraten. Pakistan und Sri Lanka hingegen verzeichneten niedrigere Schwangerschaftsraten bei den 15- bis 19-Jährigen.

Die UN-Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten (UNDESA) stellt in ihrer Prognose zur Weltbevölkerung fest, dass 15- bis 18-Jährige in Afghanistan mit 87 pro 1.000 Frauen zur Fruchtbarkeitsrate beitragen. In Bangladesch sind es 81, in Nepal 74, in Indien 33, in Pakistan 27 und in Sri Lanka lediglich 17.

Eine Umfrage des indischen Gesundheitsministeriums in 600.000 Haushalten im Zeitraum 2007 bis 2008 ergab, dass fast 70 Prozent der befragten Frauen in den frühen Zwanzigern zum Zeitpunkt ihrer Heirat unter 18 Jahre alt waren.

Nicht viel besser sieht es in Bangladesch aus, wo jedes zehnte Mädchen im Alter von unter 15 Jahren ein Kind zur Welt bringt. Jedes dritte Mädchen ist mit 15 bereits verheiratet. Ahmed weist allerdings darauf hin, dass junge Frauen in Bangladesch bessere Aussichten auf eine Ausbildung und eine gut bezahlte Arbeit haben als Mädchen in Pakistan. Laut offiziellen Daten aus Bangladesch sind in dem Land 51 Prozent der Frauen erwerbstätig. In Pakistan liegt der Anteil nur bei etwa 20 Prozent. (Ende/IPS/ck/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/07/pakistan-where-mothers-are-also-children/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. Juli 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juli 2014