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AUSLAND/2134: Sierra Leone - Ebola-Fieber fordert viele Opfer, Misstrauen behindert Bekämpfung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Juli 2014

Sierra Leone: Ebola-Fieber fordert viele Opfer - Misstrauen und Vorurteile behindern erfolgreiche Bekämpfung

von Mohamed Fofanah


Bild: © Mohamed Fofanah/IPS

Gesundheitszentrum, in dem Ebola-Tests durchgeführt werden
Bild: © Mohamed Fofanah/IPS

Kenema, Sierra Leone, 21. Juli (IPS) - Adikali Kamara ist Krankenpflegeschüler am staatlichen Krankenhaus in Kenema am Rande des Gola-Regenwaldes in Sierra Leone. Das hat ihm möglicherweise das Leben gerettet, denn er ist eine der 51 Personen, die sich in jüngster Zeit in Sierre Leone mit dem Ebola-Erreger angesteckt und dennoch überlebt haben. Allein in Sierra Leone starben bisher 99 Menschen; weitere 315 Männer, Frauen und Kinder sind infiziert.

Ebola ist eine Viruserkrankung, die mit Fieber, Erbrechen, Blutungen und Durchfall einhergeht und auch derzeit in den westafrikanischen Nachbarländern Guinea und Liberia wütet. Sie kann in bis zu 90 Prozent der Fälle tödlich verlaufen. "Ich hatte zuerst gedacht, dass ich mir Typhus oder Malaria zugezogen haben könnte", meinte Kamara. Doch dann wurde er auf Ebola getestet, positiv diagnostiziert und behandelt.

Der Beauftragte für öffentliche Gesundheitserziehung in der Östlichen Provinz, Michael Vandi, ist im Krankenhaus von Kenema stationiert, dem einzigen Ebola-Behandlungszentrum mit eigenem Test-Labor. Das Land sei weit davon entfernt, den Kampf gegen die Krankheit zu gewinnen, sagt er. Viele Menschen leugneten die Existenz von Ebola, andere hätten so viel Angst, dass sie sich oder ihre Angehörigen erst gar nicht in Behandlung begäben. Ebola verbreite sich dann in den Dörfern, bevor die Gesundheitsbehörden von den Fälle erführen.

Vandi zufolge kursieren zudem Gerüchte, wonach Ärzte Ebola-Patienten tödliche Injektionen verabreichten oder Patienten lebenswichtige Organe entfernten, um diese dann nach Europa zu verkaufen. Auch kursiere das Ammenmärchen, dass Personen absichtlich mit dem Virus infiziert würden, um die Bevölkerungszahl zu verringern.

Seitdem kommt es immer wieder zu Übergriffen auf Klinikärzte und -schwestern. Um nicht Opfer solcher Attacken zu werden, sind die Pflegekräfte davon abgekommen, ihre Kittel auf den Weg zur Arbeit zu tragen. "Eingelieferte Patienten, Männer wie Frauen, verlassen die Krankenhäuser", berichtet Vandi. "Sie wenden sich stattdessen an die Apotheken oder lassen sich zu Hause von Quacksalbern behandeln. Das ist besorgniserregend, weil die Anzeichen und Symptome von Ebola ähnlich sind wie bei Malaria und Typhus. Wenn die Krankheit erkannt wird, ist es meist zu spät."

Der Leiter des Büros der Menschenrechtskommission in der Östlichen Provinz, Hassab Yarjah, gibt der Regierung eine Teilschuld an dem Misstrauen innerhalb der Bevölkerung. Der östliche Teil des Landes, in dem fast alle Ebola-Fälle auftreten, ist eine Hochburg der Opposition. Yarjah zufolge hat sich die Entsendung von Ministern, Parlamentariern und Funktionären der Regierungspartei 'All People's Congress', mit der sich die Menschen nicht identifizieren, als kontraproduktiv erwiesen.

Die Einwohner der östlichen Provinz fürchteten, vor dem im September geplanten Zensus aus diesem Teil des Landes vertrieben zu werden, meint Yarjah. Wird dort nämlich eine geringere Bevölkerungszahl ermittelt, ändert sich die Sitzverteilung im Parlament nach den nächsten Wahlen und könnte zu einer Verringerung der Zahl der oppositionellen Abgeordneten führen. Yarjah rief die Regierung auf, das medizinische Personal vor Ort und die lokalen administrativen Strukturen in ihren Aufklärungskampagnen stärker zu berücksichtigen.

Die Regierung hat inzwischen ein Marktverbot in Kailahun, einem der am schlimmsten von Ebola betroffenen Distrikte in der Östlichen Provinz, verhängt. Zudem wurden Ärzte und Pfleger an mehreren Kontrollpunkten an Straßen in der Region postiert, wo sie Passanten auf Ebola-Symptome untersuchen.

Lamin Musa, ein Bauer aus Kailahun, schildert die Folgen der jüngsten Ebola-Epidemie für die Landwirte der Region. "Wir können unsere Erzeugnisse nicht mehr auf den Märkten verkaufen. Auch ist der Verkauf von Wildfleisch verboten", berichtet er.


Mangelhaftes Gesundheitssystem

Das Virus breitet sich derweil weiter aus, was Experten mit dem schlecht funktionierenden Gesundheitssystem in Sierra Leone begründen. Auch der Katastrophenschutz ist in dem Land schwach entwickelt. Anfang Juli hat die Weltgesundheitsorganisation WHO ein Dringlichkeitstreffen in Ghanas Hauptstadt Accra abgehalten. Gesundheitsminister aus zwölf afrikanischen Staaten diskutierten darüber, wie der Ausbruch von Ebola in den drei betroffenen Ländern bekämpft werden könne.

Die Minister einigten sich auf eine länderübergreifende Strategie, die koordinierte und beschleunigte Reaktionen auf den Ebola-Ausbruch in Westafrika vorsieht. Die Dorfgemeinschaften sollen in diesen Plan einbezogen werden. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/07/defying-the-ebola-odds-in-sierra-leone/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juli 2014