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AUSLAND/2161: Niger - Traditionelle Chiefs engagieren sich in Initiativen für bessere Müttergesundheit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. September 2014

Niger: Schule für Ehemänner - Traditionelle Chiefs engagieren sich in Initiativen für bessere Müttergesundheit

von Joan Erakit


Bild: © Joan Erakit/IPS

Der traditionelle Chief Yahya Louche sensibilisiert Einwohner von Bande für Müttergesundheit
Bild: © Joan Erakit/IPS

Bande, Niger, 12. September (IPS) - Die Fahrt von Nigers Hauptstadt Niamey zu der Ortschaft Bande dauert 14 Stunden und führt über unbefestigte Straßen. Alle paar Kilometer trifft man auf einen einsamen Ziegenhirten mit seiner Herde. Wasserstellen sind nicht in Sicht.

Der trockene, heiße und oft von Sandstürmen geplagte Staat Niger hat mehr als 17,2 Millionen Einwohner, von denen 80 Prozent in ländlichen Regionen leben. Nur etwa die Hälfte der Menschen hat Zugang zur Gesundheitsversorgung. Innovative Ansätze sind deshalb besonders wichtig.

So hat die Regierung mit der Unterstützung des Weltbevölkerungsfonds UNFPA 2011 eine Schule für Ehemänner eingerichtet, die in dem westafrikanischen Land einzigartig ist. Dass sich Männer um die Gesundheit von Müttern kümmern, ist hier nicht üblich. Häufig sind Männer während der Schwangerschaft und Geburt aus kulturellen Gründen nicht anwesend.

Hier kommt die Schule ins Spiel, die inzwischen etwa 140 Niederlassungen in der südlichen Region Zinder vorweisen kann. Besucht wird sie von verheirateten Männer im Alter zwischen 25 und 50 Jahren. Auch Jungen werden eingeladen, an den Treffen teilzunehmen und von den Älteren zu lernen.

Als IPS unlängst ein UNFPA-Team nach Bande begleitete, näherte sich eine Gruppe Musiker dem Wagen und spielte festliche Musik. Kurz darauf trat der traditionelle Chief Yahya Louche in Erscheinung, begleitet von Vertrauten und Sicherheitsleuten, die neugierige Kinder mit Stöcken verscheuchten.


Männer diskutieren über Familienplanung

"Ich bin Mitglied der Schule für Ehemänner", sagte Louche. Die informelle Bildungseinrichtung bringe verheiratete Männer zusammen, die über reproduktive Gesundheit, Familienplanung und die Gleichberechtigung von Frauen diskutierten. "In der Schule gibt es keine Schüler und Lehrer. Niemand wird bezahlt, alle arbeiten für das Wohl der Allgemeinheit", betonte er.

Die Schule für Ehemänner ist ein gutes Beispiel dafür, wie Männer Frauen unterstützen können, indem sie sich für sichere Geburten einsetzen. Nahe dem Haus des Dorfältesten ist eine junge Frau zu sehen, die, von zwei Freundinnen gestützt, in Richtung der Geburtsstation des lokalen Gesundheitszentrums geht. Sie habe gerade ein Kind geboren und sei kilometerweit zu dem Dorf gelaufen, weil sie im Anschluss an die Geburt heftige Blutungen bekommen habe, erzählt sie.

Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO sind solche postpartalen Blutungen (PPH) für etwa ein Viertel der Todesfälle bei Müttern verantwortlich. Werden die Frauen vor und nach der Entbindung nicht untersucht, steigt das Risiko für Komplikationen, die oftmals zum Tod führen. "Bevor es die Schule für Ehemänner gab, wollten Frauen zur Geburt nicht in die Krankenhäuser gehen, sondern zu Hause entbinden", sagt Louche. Nach Erkenntnissen der Weltbank liegt die Müttersterblichkeit in Niger bei 630 Todesfällen pro 100.000 Lebendgeburten. In dem Land ist es verpönt, dass sich Frauen Schmerzen oder Unwohlsein anmerken lassen. Wenn sie gebären, verhalten sie sich zumeist still - trotz der großen Schmerzen.

Doudou Aissatoo, eine Hebamme in der Stadt Konni, hält es für dringend erforderlich, den Frauen Einrichtungen für reproduktive Gesundheit und Familienplanung leichter erreichbar zu machen. Viele Frauen leben Kilometer von den nächsten Gesundheitsstationen entfernt. Wenn Hebammen und medizinische Dienstleistungen am Wohnort nicht zur Verfügung stehen, sind die Frauen für lange Zeit von ihren Familien getrennt. "Entscheidend ist, dass alles zusammen angeboten wird", sagt Aissatoo. "Selbst wenn eine Frau nur zu einer Routineuntersuchung in ein Gesundheitszentrum kommt, sollte sie gleich auch über Familienplanung beraten werden, auch samstags und sonntags."


Chiefs werden einbezogen

Das UNFPA-Landesbüro hat längst verstanden, welche wichtige Rolle die traditionellen Chiefs bei der Verbesserung der Gesundheitsversorgung von Frauen spielen können. Oft werden Männer, die auf der Suche nach einer Verbesserung ihres Lebensstandards zu anderen Ufern aufgebrochen sind, in ihre Dörfer zurückbeordert, damit sie ihr Amt als Chief antreten. Einen solchen Posten abzulehnen, würde bedeuten, dem Ruf der Familie zu schaden. Viele Chiefs sind Ärzte, Professoren oder Diplomaten. Sie werden in Niger so sehr geachtet, dass selbst Staatsoberhäupter ihren Rat suchen.

2012 unterzeichneten die nigrischen Chiefs ein Abkommen mit UNFPA, um sich auf eine effizientere Gesundheitsversorgung von Frauen zu verpflichten. "Als wir uns trafen, haben wir als Organisation zugesichert, mit UNFPA zusammenzuarbeiten, um das Bevölkerungswachstum einzudämmen und die Öffentlichkeit für das Thema zu sensibilisieren", erklärte Louche.

Die Frauen in Bande sind begeistert über das neue Engagement ihrer Männer. Sie freue sich darüber, meinte Fassouma Manzo, eine Dorfbewohnerin. Bevor es die Schule gegeben habe, hätten Frauen mit den Männern niemals über solche Themen sprechen können. Die Schule für Ehemänner beschränkt sich nicht nur auf das Thema Schwangerschaft, sondern will generell dafür sorgen, dass sich Männer und Frauen besser verstehen. (Ende/IPS/ck/2014)


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http://www.ipsnews.net/2014/09/will-you-be-chief-how-nigers-traditional-leaders-are-promoting-maternal-health/

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IPS-Tagesdienst vom 12. September 2014
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2014