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ARTIKEL/1419: Hausarztpraxis - Zentrale steuert Zweigstelle (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 9/2016

Hausarztpraxis
Zentrale steuert Zweigstelle

Von Dirk Schnack


Gesundheitsministerin Kristin Alheit informierte sich bei Dr. Thomas Maurer über sein Modell mit angestellten Ärzten und Zweigpraxis.


Mit welchen Modellen können Hausärzte junge Kollegen von einer Tätigkeit in einer Praxis überzeugen? Wie lässt sich erreichen, dass auch dort ambulante Versorgung angeboten wird, wo sich eine Praxis nicht mehr lohnt? Welche Technik ist erforderlich, damit die Kommunikation zwischen Ärzten an verschiedenen Standorten zu einer effizienteren Versorgung führt? Antworten auf solche Fragen erhoffte sich Schleswig-Holsteins Gesundheitsministerin Kristin Alheit (SPD) auf einer Station im Rahmen ihrer diesjährigen Sommertour, die sie Ende August auch in die Praxis von Dr. Thomas Maurer nach Leck führte.

Maurer ist nicht nur Vorsitzender des Hausärzteverbandes in Schleswig-Holstein, er betreibt auch eine Einzelpraxis, die insgesamt fast 4.000 Patienten im Quartal versorgt. Das schafft Maurer natürlich nicht allein, sondern mit der Hilfe von vier angestellten Kollegen, die in Leck und in einer Zweigpraxis in Neukirchen arbeiten. Dass die Patienten dafür zum Teil weitere Wege und wechselnde Ärzte in Kauf nehmen müssen, hält Alheit für akzeptabel, wie sie bei ihrem Besuch in Nordfriesland sagte.

"In der Fläche werden in Zukunft viele kleine Praxen kaum existieren können, weil trotz des großen räumlichen Einzugsgebietes nicht genügend Patienten für eine wirtschaftliche Praxisführung da sind. Deshalb müssen wir sie an größere Standorte andocken", sagte Alheit. Maurer und mehr als 100 weitere niedergelassene Ärzte in Schleswig-Holstein zeigen schon seit Jahren, wie das funktionieren kann: über Zweigpraxen, die von der Stammpraxis aus gemanagt werden.

Maurer selbst hat vor vier Jahren eine Zweigpraxis an der dänischen Grenze übernommen und dafür wie berichtet den pensionierten Klinikarzt Bernd Scharfe angestellt. Der praktiziert 20 Stunden in der Zweigpraxis, Maurer und seine Kollegen aus der Hauptpraxis reihum nur wenige Stunden. Trotz begrenzter Öffnungszeiten und wenig Technik vor Ort funktioniert das Modell. Wenn Scharfe etwa ein Ultraschall benötigt, schickt er die Patienten nach Leck. Wenn er eine Frage an Kollegen hat, setzt er sich über den Computer mit den Kollegen in der Stammpraxis in Verbindung, die Antwort kommt in aller Regel innerhalb kurzer Zeit. Scharfe kann sich in der Zweigpraxis auf die Patientenbehandlung konzentrieren, die komplette Verwaltung übernehmen die Mitarbeiter in Leck. Der mittlerweile 70-jährige Arzt - in Klinikzeiten Anästhesist, inzwischen über einen Quereinstieg Allgemeinmediziner - hält das Modell genauso wie die Ministerin auch für junge Ärzte für geeignet. "Eigenverantwortlich arbeiten und trotzdem in ein Team eingebunden", lobte Alheit die Konstellation.

Ob ein solches Modell als Blaupause für andere gelten kann, wollte sie allerdings nicht bestätigen. "Man kann nicht einfach ein Modell, das hier passt, anderen Regionen überstülpen", warnte sie bei ihrem Besuch in Leck. Besser gefällt ihr das Baukastenprinzip: Jede Region und die dort versorgenden Akteure sollen sich also das für ihre Bedingungen passende Modell basteln - vielfältig genug sind nach Meinung Alheits sowohl die gesetzlichen als auch die technischen Möglichkeiten. Besonderes Lob erhielten bei ihrem Besuch die Kassenärztliche Vereinigung und die Ärztekammer Schleswig-Holstein für ihre Aufgeschlossenheit, wenn neue Modelle für die Versorgung auf den Weg gebracht werden. So war Schleswig-Holstein damals Vorreiter beim Quereinstieg in die Allgemeinmedizin, das Modell, das damals auch Scharfe die Tätigkeit in der hausärztlichen Versorgung erst ermöglichte.

Wichtig ist Alheit, dass Ärzte die technischen Möglichkeiten ausschöpfen. Telemedizin und digitale Vernetzung werden nach ihrer Überzeugung für die ambulante Versorgung in der Fläche künftig eine bedeutsame Rolle spielen; so könne ein Teil der Versorgung auch aus der Distanz geleistet werden.

Maurer hat die zunächst aufwendige Übernahme der verwaisten Zweigpraxis nicht bereut. Sie trägt sich wirtschaftlich, weil die Organisation von Leck aus gesteuert wird, also nur Raum- und Personalkosten anfallen. Zudem hat die Gemeinde beim Umbau unterstützt. Inzwischen lassen sich rund 600 Patienten in der Zweigpraxis behandeln, rund 3.300 sind es in der Zentrale, wo Maurer noch drei weitere Ärzte beschäftigt. Insgesamt hat er 18 Angestellte. Maurer kann sich auch vorstellen, eine weitere Zweigpraxis zu integrieren. "Wir machen das nicht, um zu expandieren, sondern um die Versorgung aufrecht zu erhalten", betont er. Maurer berät auch Kollegen, die Zweigpraxen übernehmen wollen.


Dr. Thomas Maurer, Vorsitzender des Hausärzteverbandes in Schleswig-Holstein, berichtete Gesundheitsministerin Kristin Alheit in seiner Praxis in Leck über das Zusammenspiel zwischen der Hauptpraxis und der Zweigstelle in Neukirchen.

Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 9/2016 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2016/201609/h16094a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
69. Jahrgang, September 2016, Seite 16
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Oktober 2016

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