Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN


ARTIKEL/1522: Der Hausarzt als Lotse - Wiederbelebung für die hausarztzentrierte Versorgung (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 1/2020

Allgemeinmedizin
Wiederbelebung für die HzV

von Dirk Schnack


Schleswig-Holstein war eines der ersten Bundesländer, in denen die hausarztzentrierte Versorgung (HzV) möglich wurde. Dann blockierten Datenschutzbedenken die Entwicklung. Jetzt soll die HzV wieder durchstarten.


Der Hausärzteverband Schleswig-Holstein will im Jahr 2020 mehr Mitglieder von der Hausarztzentrierten Versorgung (HzV) überzeugen und die Zahl an eingeschriebenen Patienten erhöhen. Die Vorteile der HzV aus Verbandssicht: Teilnehmende Hausärzte könnten die Versorgung für ihre Patienten verbessern und zugleich den Praxisumsatz deutlich steigern.

Bestätigt wird das mit der Evaluation der HzV in Baden-Württemberg. Danach profitieren Versorgung, Krankenkassen und zugleich die teilnehmenden Ärzte. "Wer an der HzV teilnimmt, bekommt pro Patient mehr Geld und man hat die Möglichkeit, die Patienten besser zu steuern", nennt Landeschef Dr. Thomas Maurer als Hauptargumente für die HzV. Auf rund 20 Euro Mehreinnahmen pro behandeltem HzV-Patienten beziffert der in Leck niedergelassene Allgemeinmediziner die zusätzliche Einnahme. Im Jahresergebnis einer Hausarztpraxis könne sich dieser erhöhte Erlös deutlich bemerkbar machen.

Nach Angaben von Verbandsvize Michael Sturm aus Hohn kommt der Hausarzt mit den meisten eingeschriebenen Patienten im Land auf 950 HzV-Patienten bei einem Patientenstamm von rund 1200. Dieser Anteil ist allerdings überdurchschnittlich hoch; das HzV-Potenzial in einer durchschnittlichen Praxis siedelt Sturm bei rund 50 Prozent der Patienten an. Wer diesen Anteil erreicht, kommt im Jahr auf Mehreinnahmen in hoher fünfstelliger Summe. Dieses Potenzial schöpfen bislang allerdings nur wenige Praxen in Schleswig-Holstein aus, obwohl der Norden nach den Pionieren in Baden-Württemberg und Bayern frühzeitig HzV-Verträge ausgehandelt hatte und es Verträge mit allen gesetzlichen Krankenkassen gibt. Ausgebremst wurde die Entwicklung schon vor Jahren durch den damaligen Landesdatenschützer, der die ausgehandelten Verträge beanstandete und damit eine jahrelange Blockade bewirkte. Die Auseinandersetzung ist zwar längst beigelegt, erholt hat sich die HzV in Schleswig-Holstein davon aber bis heute nicht. Ende vergangenen Jahres waren landesweit nur rund 30.000 Patienten eingeschrieben.

"Die Datenschutz-Geschichte wirkt bis heute nach. Wenn man Kollegen die Teilnahme erst empfiehlt und dann raten muss, den Vertrag aus Datenschutzgründen vorerst nicht mit Leben zu füllen, ist das kontraproduktiv", bedauert Maurer. Sturm vermutet außerdem, dass die mit der HzV verbundene Bereinigung des KV-Honorars nicht jedem Kollegen geheuer ist. "Das ist eine unbegründete Angst", versichert er. Denn die HzV-Verträge sind im SGB V verankert, und wenn Patienten aus der HzV aussteigen, wird wieder herkömmlich über EBM mit der KV abgerechnet. Das zwischen Hausärzteverband und Krankenkassen ausgehandelte Honorar wird aus der Gesamtvergütung, die die Krankenkassen an die KV zahlen, herausgerechnet und bereinigt. Die KV-Einnahmen verringern sich also durch HzV. Das HzV-Honorar erhalten die Ärzte über eine Tochtergesellschaft des Verbandes ausgezahlt.

Ein weiterer Grund für die eher schleppende Inanspruchnahme könnte das unbelastete Verhältnis zwischen Hausärzteverband und KV in Schleswig-Holstein sein. In den Bundesländern, in denen HzV schnell zu höheren Einschreibzahlen führte, herrschte lange Zeit ein angespanntes Verhältnis. "HzV war dort erfolgreich, wo zwischen KV und Verband polarisiert wurde", sagt Maurer. Inzwischen ist HzV, nicht zuletzt aufgrund der rechtlichen Verankerung, längst kein Streitthema mehr. Maurer verweist in diesem Zusammenhang auf Bayern, wo in der KV-Spitze überzeugte Anhänger der HzV arbeiten. "In Schleswig-Holstein haben wir damit ohnehin kein Problem", sagt Maurer, der selbst als stellvertretender Vorsitzender der KV Abgeordnetenversammlung tätig ist.

Die Überzeugung der Patienten fällt nach den Erfahrungen von Maurer und Sturm nicht schwer. Maurer selbst hat innerhalb kürzester Zeit in seiner Praxis 60 Patienten eingeschrieben. Sturm hatte in seiner aktiven Zeit als Landarzt gegenüber den Patienten offen kommuniziert, dass er selbst von der Einschreibung finanziell profitiert. "Das ist nicht die ursprüngliche Intention der HzV, aber die Patienten haben sich gefreut, dass sie ihrem Arzt etwas Gutes tun", berichtet er. Sturm hält HzV zudem für sinnvoll, um eine Praxis attraktiver für Nachfolger aufzustellen.

In diesem Jahr plant der Verband mehrere Veranstaltungen mit Informationen zur HzV. Außerdem gibt es mittlerweile sechs Qualitätszirkel landesweit zur hausarztzentrierten Versorgung. Von den Teilnehmern dieser Qualitätszirkel erhofft sich der Verband eine Mund-zu-Mund-Propaganda.


Verträge

Die mit den Krankenkassen ausgehandelten Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung sind auf der Homepage des Deutschen Hausärzteverbandes einsehbar
(www.hausaerzteverband.de/hausarztvertraege/hzv-vertraege-schnellsuche/co/Bundesland.html)
Es gibt Verträge mit allen Krankenkassen. Jeder Arzt kann frei entscheiden, ob er sich an der HzV beteiligen möchte.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 1/2020 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2020/202001/h20014a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
73. Jahrgang, Januar 2020, Seite 11
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der Kassenärztlichen Vereinigung
Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-272, -273, -274,
E-Mail: aerzteblatt@aeksh.de
www.aeksh.de
www.arztfindex.de
www.aerzteblatt-sh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2020

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang