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ARTIKEL/1337: Bedarfsplanung - Hamburg diskutiert über eine angebliche Unterversorgung (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 4/2014

Bedarfsplanung
Hamburg diskutiert über eine angebliche Unterversorgung

Von Dirk Schnack


Stadtteilpolitiker sehen in einer kleinräumigeren Bedarfsplanung die Lösung. KV argumentiert dagegen: "nur gefühlt". Insgesamt herrscht Überversorgung.


In Dithmarschen und Nordfriesland spricht man von drohender Unterversorgung - in Hamburg, das über ein medizinisches Angebot in großer Breite verfügt, schon von Unterversorgung. Die erstaunliche Diskussion hat in den vergangenen Monaten in mehreren Stadtteilversammlungen und Medien so an Fahrt gewonnen, dass die KV in der Hansestadt sich in Rechtfertigungszwang sah und sich in einer Pressekonferenz um Aufklärung bemühte.

Der KV-Vorstand sprach von "gefühlter" Unterversorgung und belegte mit Daten, dass Hamburg im Gegensatz zu vielen anderen Städten und Bundesländern bestens versorgt ist. In keiner Fachgruppe liegt der Versorgungsgrad stadtweit unter 110 Prozent - damit gilt die Hansestadt rechnerisch als überversorgt. Nicht eingerechnet sind hier jedoch die Patienten aus dem Umland.

Dennoch kommt es vereinzelt zu Engpässen, Wartezeiten und unerwünschten Anfahrtszeiten. Kommunalpolitiker führten dies auf die Tatsache zurück, dass ganz Hamburg nur ein Planungsbezirk ist und Ärzte sich ihren Standort für die Praxis aussuchen können. Bei einer kleinräumigeren Bedarfsplanung, so ihr Argument, könnte es zu einer gerechteren Verteilung der Arztpraxen kommen. Doch die Datenlage spricht dagegen: Bei Hausärzten etwa gibt es auch bei einer Betrachtung der einzelnen Bezirke noch immer eine Überversorgung in drei von sieben Bezirken. In den anderen Bezirken lassen die Versorgungsgrade zwischen 75 und 110 Prozent noch immer auf eine "volle Versorgung" durch Hausärzte schließen. Es gebe zwar einige "Hot-Spots", räumte der Vorstand ein. Aber: Insgesamt ist in jedem Bezirk das Verhältnis von Einwohnern je Hausarzt deutlich besser als im Bundesdurchschnitt und nicht vergleichbar mit dem, was Regionen wie Dithmarschen aufweisen.

Nur in zwei Bezirken gibt es Probleme in anderen Fachgruppen, die der KV-Vorstand aber relativierte:

  1. Die kinderärztliche Versorgung in Hamburg-Mitte liegt bei einem Versorgungsgrad von unter 75 Prozent. Hier wohnen jedoch viele Familien mit Migrationshintergrund, die ihre Kinder traditionell eher bei Hausärzten behandeln lassen und Kinderarztpraxen nicht unbedingt vermissen. Ob tatsächlich Unterversorgung besteht, ist eher unwahrscheinlich. Denn viele Eltern nehmen für ihre Kinder sehr gezielt auch Praxen in weiter entfernten Bezirken in Anspruch.
  2. Im Bezirk Wandsbek liegt der der Versorgungsgrad von Frauenärzten unter 75 Prozent. Hier verwies KV-Vorstandschef Walter Plassmann auf die hohe Zahl von Frauen, die Ärzte häufig in der Nähe ihres Arbeitsplatzes aufsuchen.

Dass kleinräumige Bedarfsplanung für Hamburg keinen Sinn macht, verdeutlicht ein Blick auf die Stadtteile. Wenn - wie von manchen Stadtteilpolitikern gefordert - die Bedarfsplanung sogar unter der Bezirksebene vorgenommen wird, würden zum Teil über- und unterversorgte Straßen in direkter Nachbarschaft liegen. "Eine kleinräumige Bedarfsplanung berücksichtigt nicht, was links und rechts der Grenze passiert", gab KV-Vize Dr. Stephan Hofmeister zu bedenken. Er hält die Distanzen, die die Hamburger zu ihren Ärzten zurücklegen müssen, für zumutbar. Diese betragen im Höchstfall einige Kilometer, die durch einen bestens ausgebauten öffentlichen Nahverkehr in kurzer Zeit zu überbrücken sind.

In der Hamburger Kommunalpolitik wird dies zum Teil anders gesehen. So hatten sich etwa Vertreter aus Harburg über eine angebliche radiologische Unterversorgung beschwert. Tatsächlich weist die Hansestadt für diese Fachgruppe einen Versorgungsgrad von über 200 Prozent auf. Hofmeister: "Wenn wir an jeder Ecke einen Radiologen vorhalten wollen, wird es teuer."

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 4/2014 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2014/201404/h14044a.htm

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt April 2014
67. Jahrgang, Seite 64
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Franz-Joseph Bartmann (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2014

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