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FINANZEN/635: Telemedizinprojekt für eine bessere Gesundheitsversorgung ländlicher Räume (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 9/2019

TELEMEDIZIN
Landesmittel für Telemedizin

von DIRK SCHNACK


Versorgungssicherungsfonds fördert Videotelefonie und Tele-Arzt-Rucksack. Ausweitung auf mehr Praxen geplant.

Im Juli ist ein auf zwei Jahre angelegtes Telemedizinprojekt in Schleswig-Holstein gestartet, das die Gesundheitsversorgung in ländlichen Räumen verbessern soll. Aus dem Versorgungssicherungsfonds des Landes wird das Projekt mit 230.000 Euro gefördert. Derzeit profitieren ausschließlich Versicherte des Projektpartners Techniker Krankenkasse (TK), die Aufnahme weiterer Krankenkassen ist nach Auskunft der TK aber "perspektivisch denkbar".

Bei dem Projekt kommen Videotelefonie-Systeme in mehreren Arztpraxen im Land zum Einsatz. Hausärzte können über diese Verbindung die augenärztliche Expertise eines augenärztlichen Zentrums in Rendsburg nutzen. Die telemedizinische Konsultation nutzen diese Hausarztpraxen im ländlichen Raum bei akuten Erkrankungen, für die eine schnelle Abklärung erforderlich ist. Bestandteil des Telemedizinprojektes ist auch der sogenannte Tele-Arzt-Rucksack, den wie berichtet speziell geschulte Medizinische Fachangestellte wie etwa Nicht-ärztliche Praxisassistentinnen (NäPa) oder Versorgungsassistentinnen in der Hausarztpraxis (VERAHs) für Hausbesuche nutzen, um Vitaldaten etwa aus einem EKG oder einer Blutdruckmessung der besuchten Patienten direkt an die Praxen zu übertragen. Sie ersparen den Patienten damit den Weg in die Praxis. Bei Bedarf ist bei diesen vom behandelnden Arzt in Auftrag gegebenen Hausbesuchen auch ein Videokontakt über ein Tablet möglich.

Partner für das geförderte Projekt sind neben der Techniker Krankenkasse auch die Gesellschaft für integrierte ophthalmologische Versorgung Schleswig-Holstein (GIO), die Ärztegenossenschaft Nord, der Hausärzteverband Schleswig-Holstein sowie das Institut für Allgemeinmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck. Landesgesundheitsminister Dr. rer. pol. Heiner Garg nannte das Projekt, über das er sich schon vor Ort informierte, "so einfach wie gut". "Wenn Patienten nicht zum Facharzt kommen können, kommt dieser per Video-Telefonie zu ihnen. Wir verbinden damit spezielle fachärztliche Angebote mit der Hausarztpraxis auf dem Land", sagte Garg in einer Mitteilung über das Telemedizinprojekt. Der Gesundheitsminister nannte als Vorteile, dass beide Projektbestandteile den Patienten weite Wege ersparen und dass über diese beiden Wege mehr Menschen Zugang zu medizinischen Leistungen erhalten.

Die Landesmittel werden in dem Projekt für die Anschaffung der Hardware und für Softwarelizenzen, die für die Anwendung der Telemedizin erforderlich sind, verwendet. Auch die Personalkosten für die wissenschaftliche Begleitung des Modellprojektes werden aus dem Fördertopf bezahlt. Die teilnehmenden Haus- und Augenärzte erhalten im Rahmen des Modellvertrages eine zusätzliche Vergütung von der Krankenkasse, neben der im EBM vorgesehenen Honorierung für den Videokontakt. Auch für den Einsatz des Tele-Arzt-Rucksacks zahlt die TK im Rahmen des Versorgungsvertrages eine zusätzliche Vergütung, die den Einsatz der Technik berücksichtigen soll. Über die Höhe der Vergütungen machte die Kasse keine Angaben.

Der schleswig-holsteinische Hausärzteverband hält das im Juli gestartete Projekt für richtungsweisend. "Wir setzen diese Projekte um, weil sie unsere tägliche Arbeit erleichtern und die unmittelbare Patientenversorgung unterstützen können. Nur so macht Telemedizin für uns Hausärzte Sinn", sagte der Verbandschef Hausärzte in Schleswig-Holstein, Dr. Thomas Maurer.

Er ist wie berichtet im Hausarztzentrum Leck tätig, das mit einem der Videotelefonie-Systeme ausgerüstet wurde. Auch die Hausärztegemeinschaft Großhansdorf, das Medizinische Versorgungszentrum Pellworm, das Ärztezentrum Büsum und die Hausarztpraxis im Hafenhaus Travemünde arbeiten bereits mit diesem System. Die Projektpartner kündigten außerdem an, dass die telemedizinische Konsultation demnächst auch auf Amrum möglich sein wird. Die Zahl der teilnehmenden Praxen soll auf zehn ausgeweitet werden. Alle Praxen erhalten die augenärztliche Expertise aus Rendsburg. Die Praxen wurden nach Angaben der TK "danach ausgewählt, wo der Einsatz der Geräte sinnvoll ist - sprich in ländlichen Gebieten und dort, wo kein Augenarzt in unmittelbarer Nähe ist." Die Aufnahme weiterer Praxen sei zwar grundsätzlich möglich, aber durch die Zahl der vorhandenen Geräte begrenzt. Interessierte Praxen, die über eine entsprechende Ausstattung verfügen, könnten jedoch noch aufgenommen werden.

Der Tele-Arzt-Rucksack wird zum Projektstart in der Hausärztegemeinschaft Großhansdorf, im Hausarztzentrum Leck, im Ärztezentrum Büsum und in der Hausarztpraxis im Hafenhaus Travemünde verfügbar sein. Innerhalb der zweijährigen Projektlaufzeit sollen nach Auskunft der Projektpartner auch hierfür noch weitere Praxen in Schleswig-Holstein eingebunden werden.

Wissenschaftlich begleitet wird das Projekt von Prof. Jost Steinhäuser, Leiter des Instituts für Allgemeinmedizin am UKSH in Lübeck. "In der Vergangenheit sind telemedizinische Projekte, die nicht wissenschaftlich begleitet wurden, häufig nicht über ein Pilotstadium hinausgekommen. Der Blick muss daher auf dem Mehrwert für die Versorgung liegen", sagte Steinhäuser.

Die TK hat das Projekt u. a. initiiert, damit Wege erprobt werden, wie die Versorgung in der Fläche weiterhin möglich sein kann. "Telemedizinische Angebote wie dieses Projekt helfen dabei, die Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein noch weiter zu verbessern. Diese müssen wir so nutzen, dass sie sowohl eine Entlastung für Ärzte als auch eine Bereicherung für Patienten sind", sagte der Leiter der TK-Landesvertretung in Schleswig-Holstein, Sören Schmidt-Bodenstein. Er stellte auf Nachfrage in Aussicht, dass perspektivisch weitere Spezialisten wie etwa Dermatologen einbezogen werden.

Der Augenarzt-Verbund in Rendsburg nutzt Telemedizin seit nunmehr drei Jahren. Schwerpunkte des Einsatzes sind die Nachsorge der von den Verbundpraxen operierten Patienten und die Betreuung chronisch kranker Patienten etwa bei Makuladegeneration. GIO-Vorstand Dr. Jon-Marten Heisler betonte: "Für uns ist Telemedizin eine Bereicherung und Ergänzung der augenärztlichen Grundversorgung." Der Verbund unterstützt seine augenärztlichen Mitglieder u. a. durch Mitarbeiterschulungen und Info-Veranstaltungen.

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INFO

10 Hausarztpraxen in Schleswig-Holstein sollen während der Projektlaufzeit mit dem Videokonsultationssystem ausgerüstet werden. Die Hausärztegemeinschaft Großhansdorf, das Ärztezentrum Leck, das Medizinische Versorgungszentrum Pellworm, das Ärztezentrum Büsum und die Hausarztpraxis im Hafenhaus Travemünde arbeiten bereits damit. Auch Amrum soll ein solches System erhalten. Weitere sind geplant.

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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 9/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201909/h19094a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, September 2019, Seite 18
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2019

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