Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → GESUNDHEITSWESEN

INTERNATIONAL/006: Südsudan - Weltweit höchste Müttersterblichkeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 25. Juli 2012

Südsudan: Kinderkriegen wird zum tödlichen Risiko - Weltweit höchste Müttersterblichkeit

von Grit Porsch



Berlin, 25. Juli (IPS) - In Südsudan stirbt jede siebte Frau an den Folgen einer Schwangerschaft oder Entbindung. Nicht nur im Hinterland ist die Lage für werdende Mütter kritisch. Auch im größten Krankenhaus des Landes wird eine sichere Geburt zum Lotteriespiel.

Schwangerschaftsvorsorge und Geburtshilfe sind in dem bitterarmen Land im zentralöstlichen Afrika mit einer desolaten medizinischen Infrastruktur, in dem rund acht Millionen Menschen leben, für werdende Mütter kaum erreichbar. Hier werden Mädchen sehr früh verheiratet.

"Im Abstand von höchstens drei Jahren werden sie schwanger, und das bis zur Menopause", heißt es in einem Bericht der in Genf ansässigen Denkfabrik 'Small Arms Survey' (SAS), dem zufolge es nichts Bedrohlicheres für Mädchen und Frauen in dem jüngsten Staat der Welt gibt als eine Schwangerschaft.

Der diesjährige SAS-Bericht 'Women's Security in South Sudan: Threats in the Home' kommt zu dem Schluss, dass die nationale Untersuchung von 2006 die Müttersterblichkeit mit 2.054 Todesfällen bei 100.000 Geburten erheblich unterschätzt hat.

"Da 90 Prozent der Frauen ihre Kinder fern von medizinischen Einrichtungen und ohne Hilfe von Fachkräften bekommen, werden zahlreiche Todesfälle gar nicht erst registriert", betont SAS. "Hier werden Komplikationen wie Infektionen, Kindbettfieber, Blutungen oder ein überlanger Geburtsverlauf meist zu spät erkannt."


Nicht nur Waffen töten

Wann immer Südsudans Sicherheitsprobleme zur Sprache kommen, geht es vorrangig um Waffen und bewaffnete Milizen. Doch Sicherheit für die Menschen bedeutet Schutz vor allem, was deren Leben und Wohlergehen gefährdet.

In einem Bericht vom vergangenen Mai hatte der UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA) darauf hingewiesen, welche wichtige Rolle gut ausgebildete Hebammen im Kampf gegen die Müttersterblichkeit spielen. Nach UNFPA-Angaben gibt es in Südsudan bislang nur acht fachlich qualifizierte Hebammen sowie 150 kommunale Geburtshelferinnen. Derzeit lässt die UN-Organisation rund 200 Frauen zu Hebammen ausbilden, die im nächsten Jahr vor Ort auf dem Land mit ihrer Arbeit beginnen sollen.

Nicht nur in den entlegenen Gebieten ist es schlecht um die Betreuung und Versorgung werdender Mütter bestellt. Nicht einmal die Geburtsabteilung des baufälligen, ständig überfüllten Technischen Hospitals in der Hauptstadt Juba verfügt über genügend medizinisches Fachpersonal und ist ausreichend mit Instrumenten, Medikamenten, Verbandszeug oder Blutkonserven versorgt.

Julia Amatoko ist eine von drei ausgebildeten Hebammen, die hier arbeiten. Sie berichtete dem UN-Informationsdienst IRIN: "Wir sind nur wenige und müssen uns um viele Patientinnen kümmern. Für Schwangere mit beginnenden Wehen und für die nachgeburtliche Versorgung gibt es nur acht Betten."


Gesundheitswesen auf ganzer Linie überfordert

Sie sieht in dem Mangel an Hebammen, die in den Dörfern durch die traditionellen 'weisen Frauen' und unqualifizierten kommunalen Geburtshelferinnen ersetzt werden, eine wesentliche Ursache für die hohe Müttersterblichkeit. "Sie können nichts tun, wenn es etwa bei schweren Blutungen um Leben und Tod geht", sagte Amatoko. "Ich arbeite seit drei Monaten hier und habe erlebt, dass zwei Mütter nachts starben, weil kein Personal verfügbar war."

UNFPA versorgt die Klinik mit einer Basisausstattung für Mütter, chirurgischen Instrumenten und lebensrettenden Medikamenten gegen die Blutungen. "Dennoch fehlen unentbehrliche Spezialinstrumente wie Geburtshelferzangen oder Verbandsstoff", klagte die Hebamme.

Der Gynäkologe Mergani Abdalla kennt viele Gründe, die die rechtzeitige Einlieferung von werdenden Müttern mit schweren Geburtskomplikationen verhindern oder verzögern. "Das hat viel mit der Tradition in den Gemeinden zu tun, mit der schlechten Infrastruktur, den schlechten Straßen und mit fehlenden Krankenwagen. Selbst im Krankenhaus kann es lange dauern, bis man sich um die eingelieferten Patientinnen kümmert", sagte der Arzt gegenüber IRIN.

Vor allem der Bedarf an Bluttransfusionen ist groß, denn bei den meisten Müttern kommt es nach der Geburt zu schweren Blutungen. Es gibt zwar inzwischen eine nationale Blutbank, doch im Krankenhaus von Juba steht nur ein bescheidener Haushaltskühlschrank. Hier werden Blutkonserven aufbewahrt, die Verwandte ihren Angehörigen vor anstehenden Operationen spenden. (Ende/IPS/mp/2012)


Links:

http://www.smallarmssurveysudan.org/pdfs/facts-figures/women-security/HSBA-threats-in-the-Home.pdf
http://www.unfpa.org/public/home/news/pid/7665
http://www.irinnews.org/Report/95900/SOUTH-SUDAN-The-biggest-threat-to-a-woman-s-life

© IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 25. Juli 2012
IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
vormals IPS-Inter Press Service Europa gGmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 28 482 361, Fax: 030 28 482 369
E-Mail: redaktion@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Juli 2012