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KASSEN/997: E-Card - Das Gutachten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV (Aktion Stoppt die eCard)


Aktion Stoppt die eCard - 9. Februar 2014

Das Gutachten der Kassenärztlichen Bundesvereinigung KBV

Ungeprüfte Fotos kompromittieren das gesamte Sicherheitskonzept des Mammut-Projektes



"Elektronische Gesundheitskarte ist illegal" titelten die Medien letzte Woche [1]. Und das jetzt vom Ärztenachrichtendienst änd [2] veröffentlichte KBV-Gutachten [3] im Volltext ist ja hochinteressant.

Die Frage ist, warum ist die Identitätsprüfung bei der Ausgabe der elektronischen Gesundheitskarte durch die Kassen eigentlich wichtig?

Ungeprüfte Fotos kompromittieren das gesamte Sicherheitskonzept des Mammut-Projektes

Sozialdaten im Gesundheitswesen dürfen nur online versendet werden, wenn der Sicherheitsstandard des Verfahrens den Sicherheitsbedarf "hoch" oder "sehr hoch" erfüllt. Bei Sicherheitsbedarf "hoch" oder "sehr hoch" ist immer der Authentifizierungs-Prozess für den Nachweis der digitalen Identität so zu erstellen:

Es ist mindestens eine belastbare Bestätigung der Identität beim Ausstellen von Identifikationskarten durch eine vom Benutzer unabhängige Instanz notwendig oder das persönliche Erscheinen des Benutzers bei einer vertrauenswürdigen Stelle mit Vorlage eines amtlichen Ausweisdokumentes.

Das geschieht aber nicht! Diese Richtlinien sind die Grundlage für die gesamte Sicherheitsarchitektur der elektronischen Gesundheitskarte, schon 2004 festgelegt in der B4health Studie, die im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit damals die Grundlagen für das Gesamtprojekt gelegt hat. Auch die EU Kommission, vertreten durch Kommissarin Viviane Reding, hat das auf Anfrage von 2 deutschen CDU-EU Parlamentariern 2011 verlangt.

Da die Krankenkassen nur das ungeprüfte Papier- oder Upload-Verfahren verwendet haben (Versicherter schickt irgendein Foto, jemand unterschreibt oder übers Internet wird ein Bild hochgeladen welches, wie auch die Unterschrift, nicht geprüft wird), haben sie im Grunde inzwischen an ca. 60 Millionen Versicherte ungültige Behandlungsausweise ausgestellt, die den Sicherheitsanforderungen nicht entsprechen. Auf keinen Fall kann man damit ein Versichertenstammdatenmanagement in den Arztpraxen einführen, geschweige denn kann man diese Karten als Zugangsschlüssel oder Träger für sensible Patientenakten oder Notfalldatensätze verwenden. Die notwendigen Sicherheitskriterien sind nicht erfüllt worden. Aber die neuen Karten kosten pro Stück 10 Mal so viel wie die bisherigen KVKs.

Arztpraxen am Onlinegängelband der Kassen

Ziel des Milliardenprojektes ist weiterhin der Aufbau eines großen Zwangsnetzes, an welches sich alle Teilnehmer des Gesundheitswesens anschließen müssen, Ärzte, Apotheker, Kliniken, Psychologen, Physiotherapeuten, Masseure, Pflegedienste, die Liste lässt sich beliebig erweitern. Der nächste geplante Schritt ist der Zwangsanschluss aller Arztpraxen und Kliniken an die Server der Krankenkassen. Kassen und Gesundheitskonzerne wünschen mit politischer Unterstützung aus unterschiedlichen Interessen heraus in den Besitz der kostbaren Daten zu gelangen. Sachargumente der hauptbetroffenen Ärzte und Patienten spielen dabei keine Rolle. Im Gegenteil. Ärzte und Patienten sollen von Kassen gesteuert werden. Ziel ist der abstrakte leitliniengesteuerte Patientenpfad. Der freiberufliche Arzt, der die Behandlung für seinen Patienten nach medizinischen Gesichtspunkten entscheiden kann, wird mit diesem Übergewicht der Krankenkassen irgendwann keine Chance mehr haben.

Arztpraxen als Hilfspolizei für die Kassen - was ist eigentlich das online-"Versichertenstammdatenmanagement" (VSD) in den Arztpraxen?

Ab dem 4. Quartal 2014 werden in 2 Testregionen im Nordost (Flensburg, Bochum-Essen und Trier) und im Südwest (Ingolstadt in Bayern und Sachsen) jeweils 500 Praxen und Kliniken mit den Tests für das sogenannte Online-Versichertenstammdatenmanagement (VSD) beauftragt. Bei jedem ersten Erscheinen eines Versicherten in jeder Haus- oder Facharztpraxis im Quartal müssen die Praxen dann über eine neue Onlineleitung den Versichertenstatus überprüfen. Haben sich die Daten verändert, werden sie dann in der Praxis auf den Kartenchip online neu geschrieben.

Neuer Bürokratiewahn und alle Praxen hängen online an den Kassenservern

Dafür müssen die Praxen dann die kostenträchtige und arbeitsaufwändige Onlineleitung vorhalten und die Angestellten bezahlen, die die Arbeit machen sollen. Nach Berechnungen der Krankenkassen tritt der Fall einer Änderung in nur 2,3 % aller Onlineprüfungen auf, das heißt, die Arztpraxen müssen sinnloserweise in 97,7 % aller Fälle Prüfungen durchführen, bei denen die Karte nicht geändert wird. Ab diesem Moment ist aber durch die Hintertür die geplante bundesweite Zwangsvernetzung, genannt Telematik-Infrastruktur (TI), eingerichtet, die für alle weiteren Ziele später beliebig erweitert werden kann wie elektronische Patienten- oder Fall Akte, Notfalldatensatz, e-Rezepte. Da die Ärzteschaft bei Ärztetagen und KV Vertreterversammlungen diese Verwandlung in Kassenaußenbüros abgelehnt hat, werden die Testpraxen gleich von der Industrie (Telekom, CompuGroup, Booz and Co., Koco Connector) ausgewählt und von der Gematik mit einem Budget von immerhin 34 Millionen Euro ausgestattet.

34 Millionen für die Arztpraxen, die die Ablehnungs-Beschlüsse der Ärzteschaft missachten?

Völlig ignoriert wird, dass schon 2007-2008 frühere Massentests mit der Gesundheitskarte in einem totalen Fiasko geendet sind. Und macht sich eigentlich irgendjemand klar, welchem Risiko mehrere 100.000 medizinische und zahnmedizinische Fachangestellte ausgesetzt werden, wenn sie am Praxistresen prüfen sollen, ob jemand mit krimineller Energie mit einer falschen Karte oder falschem Bild "Missbrauch" betreiben will und sie dann die falsche Karte einziehen sollen? Das ist ein lebensgefährliches Unterfangen für Praxisangestellte.

Aber der Sprecher des Bundesministeriums für Gesundheit verkündet seit einer Woche im Chor mit dem Spitzenverband Bund der Kassen, dass die Ärzte jetzt die Aufgabe hätten, die Identität jedes Patienten in der Praxis zu prüfen, da es ja die Kassen versäumt hätten.

Unverschämte Anmaßung als Reaktion darauf, dass Einzelheiten aus einem KBV-Rechtsgutachten an die Öffentlichkeit gekommen sind und von Journalisten auf ein Problem hingewiesen wurde, welches von den Offiziellen seit vielen Jahren tot geschwiegen wird! Auch der KBV Sprecher hat letzte Woche bestätigt, dass die Identitätsprüfung nicht Aufgabe der Arztpraxen sein kann und die ungeprüften Fotos ein Sicherheitsproblem darstellen können.

Das ganze e-Card Projekt ist absurd, keine Arztpraxis sollte sich an neuen Tests für das Mammutprojekt beteiligen.


[1] http://www.abendblatt.de/politik/article124502451/Gutachten-Die-elektronische-Gesundheitskarte-ist-illegal.html
[2] http://www.stoppt-die-e-card.de/exit.php?url_id=608&entry_id=233
[3] http://www.stoppt-die-e-card.de/index.php?serendipity[subpage]=downloadmanager&thiscat=2&file=101

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Quelle:
Bündnis "Stoppt die e-Card!"
Freie Ärzteschaft e.V.
Presse: Dr. Silke Lüder
Bergstr. 14, 40699 Erkrath
Tel: 02104/1385975, Fax: 02104/449732
E-Mail: info@freie-aerzteschaft.de
Internet: www.stoppt-die-e-card.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2014