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POLITIK/1996: Medizinischer Dienst - Gesetz zur Neuordnung des Medizinischen Dienstes sorgt für Diskussion (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 9/2019

MEDIZINISCHER DIENST
Gesetz mit Zündstoff

von Dirk Schnack


6K-Verbund kritisiert unseriöse Darstellungen der Krankenkassen über Klinikabrechnungen. MDK-Gesetz bleibt umstritten.

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Der Entwurf des MDK-Gesetzes sieht u.a. vor, dass die Abrechnungsqualität eines Krankenhauses künftig den Umfang der zulässigen Prüfungen durch die Krankenkassen bestimmen soll. Dazu wird ab 2020 eine maximale Prüfquote je Krankenhaus bestimmt, die den Umfang der Prüfungen begrenzt. Strittige Kodier- und Abrechnungsfragen sollen systematisch reduziert werden. Der Katalog für ambulante Operationen und stationsersetzende Eingriffe wird erweitert. Eine Aufrechnung mit Rückforderungen der Kassen gegen Vergütungsansprüche der Krankenhäuser ist künftig grundsätzlich nicht mehr zulässig.
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Die geplante Neuordnung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) sorgt seit Monaten für Diskussion im deutschen Gesundheitswesen. Insbesondere Krankenkassen kritisieren den Entwurf und verweisen in diesem Zusammenhang oft auf die Bedeutung der MDK-Prüfungen in den Krankenhäusern. In die Berichterstattung über die Abrechnungsprüfungen mischten sich zum Teil Töne über vermeintlichen Abrechnungsbetrug, die der 6K-Vorsitzende Dr. Roland Ventzke als "Frechheit" wertet und die für ihn "fast den Tatbestand der Verleumdung erfüllen".

In einem Pressegespräch im August forderte der 6K-Verbund, bei der Wortwahl "abzurüsten". Der Zusammenschluss von sechs kommunalen Klinikträgern in Schleswig-Holstein bezog sich auf Äußerungen von Kassenseite, wonach angeblich die Hälfte der Klinikabrechnungen falsch sein soll. Ventzke, Geschäftsführer im Städtischen Krankenhaus Kiel, wirft den Krankenkassen vor, sich bei dieser Darstellung nur auf einen kleinen Ausschnitt von geprüften Rechnungen zu beziehen, eine Hochrechnung sei unseriös. Unterstützung erhielt er von Dr. Martin Blümke, Geschäftsführer der Westküstenkliniken. Nach Darstellung der beiden Geschäftsführer werden nur 18 Prozent der Abrechnungen geprüft - also hätten die Krankenkassen über 82 Prozent der Abrechnungen keinen Überblick. Bei den geprüften Abrechnungen wiederum gehe es zu 75 Prozent um Themen wie Verweildauer oder Fehlbelegung. Aus solchen strittigen Fragen einen Abrechnungsbetrug zu konstruieren, ist nach ihrer Ansicht unseriös. Denn häufig geht es nach ihrer Darstellung etwa darum, einen hochbetagten Menschen noch einen Tag länger stationär zu betreuen, weil diesem die Anschlussbetreuung fehlt, auch wenn dieser Tag die obere Verweildauer überschreitet. "Wir verhalten uns sozial und deshalb wird uns Abrechnungsbetrug vorgeworfen", sagt Arzt Blümke dazu. Nach seiner Darstellung sind dies keine Einzelfälle.

Ventzke vermutet, dass die Krankenkassen die MDK-Prüfungen als Geschäftsmodell entdeckt haben. Nach seinen Angaben hat der MDK im Jahr 2012 bei einem Verwaltungsaufwand von 270 Millionen Euro 730 Millionen Euro von deutschen Krankenhäusern über Prüfungen zurückgeholt. Im Jahr 2016 waren es bei einem Verwaltungsaufwand von 310 Millionen Euro schon 1,2 Milliarden Euro. Folge: Für den MDK lohnt es sich, die Prüfungen auszudehnen. Die Kliniken wiederum sind gezwungen, mehr Personal zu beschäftigen, um die Abrechnungen prüfungssicher zu machen. Ventzke sieht darin ein System, das immer weiter aufgerüstet wird und Fachkräfte bindet. Eine weitere Folge: Das Misstrauen zwischen den Vertragspartnern wächst.

Der 6K-Verbund glaubt dennoch nicht, dass das MDK-Gesetz von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zum richtigen Zeitpunkt kommt. "Es stellt ja nicht die Abrechnungslogik infrage", sagte Blümke dazu. Damit werde nicht verhindert, dass zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern Misstrauen herrscht und dass es weiterhin zu Auseinandersetzungen kommt. Die von Spahn angestrebte Unabhängigkeit des MDK durch die Umwandlung in eigenständige Körperschaften halten die Klinikvertreter ohnehin nur für ein "Feigenblatt", weil die Kassenvertreter in den entscheidenden Gremien weiterhin die Mehrheit haben. "Es bleibt der Medizinische Dienst der Krankenkassen, er heißt nur anders", sagte Blümke. Weiterer Kritikpunkt sind die vorgesehenen Strafzahlungen für die Kliniken, wenn die Prüfer Rechnungskürzungen vornehmen. Sie halten dies für überzogen, weil es dabei eben nicht um Betrug, sondern um unterschiedliche medizinische Einschätzungen medizinischer Sachverhalte geht. Nach dem Motto "ein Tag geht immer" könnten MDK-Mitarbeiter stets eine kürzere Verweildauer als angemessen einstufen. Helfen würde nach Ansicht Ventzkes beiden Seiten neben einer neuen Abrechnungslogik nur ein vereinfachtes System. "Es ist zu kompliziert", sagt Ventzke mit Blick auf weit über 1000 Fallpauschalen.

Der Referentenentwurf aus dem Bundesgesundheitsministerium wird seit Monaten kontrovers diskutiert. Der MDK ist bis jetzt eine Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassen und in fast jedem Bundesland vertreten. In Nordrhein-Westfalen gibt es zwei MDK, Berlin und Brandenburg haben einen gemeinsamen MDK, und Schleswig-Holstein und Hamburg stehen unter der Verantwortung des MDK Nord. Alle 15 MDK in Deutschland sind im Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (MDS) auf Bundesebene zusammengefasst. Träger sind die Landesverbände der Krankenkassen und Pflegekassen. Dadurch sehen sich die MDK in Deutschland oftmals dem Vorwurf ausgesetzt, der Dienst sei zu sehr von den Kassen abhängig. Der Entwurf sieht deshalb vor, den MDK als Körperschaft öffentlichen Rechts umzustrukturieren und von den Kranken- und Pflegekassen abzukoppeln - was diese mit zum Teil drastischer Wortwahl kritisierten. Der Medizinische Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (MDS) etwa nannte das geplante Gesetz "unnötig, untauglich und gefährlich", u. a. wegen der geplanten Veränderung der Stimmenanteile im Verwaltungsrat.

Auf überwiegend positive Resonanz stieß der Entwurf dagegen unter Ärzten. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein etwa begrüßte den Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums, die rechtliche Form des MDK zu verändern. Der Medizinische Dienst bleibe in seiner föderalen Struktur bestehen. Als Körperschaft des öffentlichen Rechts könne der Dienst unabhängiger handeln. "Die Leistungsfähigkeit bleibt damit erhalten, die Unabhängigkeit wird sogar gestärkt. Das können wir nur befürworten", sagte Dr. Henrik Herrmann, Präsident der Ärztekammer Schleswig-Holstein.

Zum 6K-Verbund zählen die kommunalen Klinikträger der Westküstenkliniken (Heide und Brunsbüttel), des Klinikums Itzehoe, des Friedrich-Ebert-Krankenhauses (FEK) Neumünster, des Klinikums Bad Bramstedt, der imland Kliniken (Rendsburg und Eckernförde) und des Städtischen Krankenhauses Kiel. 12.000 Mitarbeiter sind an den Standorten des 6K beschäftigt. Zusammen behandeln sie im Jahr 260.000 Patienten ambulant und 160.000 stationär. Damit stellen sie nach eigenen Angaben ein Viertel der Gesundheitsversorgung in Schleswig-Holstein sicher.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 9/2019 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2019/201909/h19094a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
72. Jahrgang, September 2019, Seite 14
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. November 2019

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