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POLITIK/2008: Der Weg zum Tarifvertrag - Entlastung am Klinikum Brandenburg kommt langsam in die Gänge (UZ)


UZ - Unsere Zeit, Nr. 48 vom 29. November 2019
Sozialistische Wochenzeitung - Zeitung der DKP

Der Weg zum Tarifvertrag
Entlastung am Klinikum Brandenburg kommt langsam in die Gänge

von Werner Sarbok im Gespräch mit Andreas Kutsche


Die Städtisches Klinikum Brandenburg GmbH und die Gewerkschaft ver.di haben sich am 23. Januar 2019 in Brandenburg an der Havel auf ein gemeinsames Eckpunktepapier zur Entlastung der Pflegekräfte geeinigt (siehe UZ vom 18. April). UZ sprach mit Andreas Kutsche über die Umsetzung.


UZ: Hat sich nach der Vereinbarung der Personalschlüssel bei euch verändert? Gibt es nun mehr Kolleginnen und Kollegen auf den Stationen?

Andreas Kutsche: Ja, der Personalschlüssel hat sich im Haus verändert. Es sind eine ganze Menge an Schwestern und Pflegern eingestellt worden, der größte Anteil davon zum Ende des Ausbildungsjahres. Am 1. Oktober haben wir unsere 25 Auszubildenden übernommen.

Weiterhin haben wir uns im Laufe des Jahres an Programmen zur Personalgewinnung beteiligt, um ukrainische Pflegekräfte und philippinische Pflegekräfte anzuwerben. Dabei zeigt sich eine ganz große Schwierigkeit, die Sprachbarriere bereitet uns große Kopfschmerzen. Nur wenige schaffen sprachbedingt die Zulassung und sind hier immer noch als Krankenpflegehelfer beschäftigt, obwohl sie ja eigentlich schon fertig ausgebildet sind.


UZ: Macht sich die Entlastung auf den Stationen konkret bemerkbar?

Andreas Kutsche: Die Entlastung ist noch nicht richtig angekommen. Schlimmer noch, die Ausfallquote hinsichtlich des Langzeitkrankenstandes hat sich erhöht. Wir können noch nicht verstehen, warum das passiert, denn eigentlich sind die Stationen etwas besser besetzt. Wir denken, dass das angestammte Personal so ausgebrannt ist, dass sich einige ins Krank flüchten.

Also, die Entlastung kommt noch nicht so richtig an. Man muss aber auch dazu sagen, dass wir eine Leistungserweiterung vollzogen haben: Wir haben eine neue Station eröffnet und da ist ja auch Personal reingeflossen. Man muss von den insgesamt 46 Neueingestellten etwa 20 abziehen. Wenn man es richtig betrachtet, sind es im Endeffekt über das Jahr gesehen nicht so viele entlastende Stellen gewesen. Doch die Entlastung beginnt jetzt erst, mit der Einstellung unserer Schüler im Oktober, wirklich zu wirken.


UZ: Wo klemmt es denn noch am meisten mit der Umsetzung des Tarifvertrages Entlastung?

Andreas Kutsche: Wir haben bisher nur ein Eckpunktepapier vereinbart, uns fehlt noch ein ausformulierter Tarifvertrag. Und da sind beide Seiten ein Stück weit in der Verantwortung. Auf der einen Seite haben wir mit ver.di diesen nicht mit Nachdruck gefordert, daraus jetzt endlich den Tariftext zu machen, und der Arbeitgeber hat sich aber auch nicht weiter gerührt, weil die Ausfinanzierung des Ganzen sehr schwierig ist. Die Refinanzierung der zusätzlichen Stellen läuft ja nachträglich, so dass das "Klinikum" in Vorleistung gehen muss. Die Banken investieren gern in Betongold, aber nicht in Humankapital.


UZ: Die kritische Finanzlage des Klinikums ist durch die Lokalpresse in Brandenburg gegangen. Ist das der Hintergrund?

Andreas Kutsche: Ja, unter anderem. Die Liquidität ist sehr angespannt. Das liegt aber an dem Finanzierungssystem der Krankenhäuser in der Bundesrepublik. Und es gibt auch noch hausgemachte Probleme. Wir machen Dinge, die wir uns nicht leisten können, die wir nicht refinanziert bekommen. Das Problem mit der schlechten Refinanzierung haben viele Krankenhäuser in der BRD.


UZ: Als kommunales Krankenhaus könnt ihr viele Leistungen nicht oder zu wenig bei den Krankenkassen abrechnen, die ihr aufbringt. Von der derzeitigen Abrechnung über Fallpauschalen, den DRGs, profitieren die meist privaten Kliniken, die sich beispielsweise auf bestimmte operative Eingriffe konzentriert haben. Und ihr müsst ja als kommunale Klinik die ganze Akutversorgung aufrecht erhalten. Ist die Finanzsituation überhaupt zu lindern im Rahmen der bestehenden Finanzierung des Krankenhaussystems?

Andreas Kutsche: Nein, das ist sie nicht. Wir haben uns auf den Weg gemacht, mit der Medizinischen Hochschule Brandenburg (MHB) zu einer der angesagtesten Kliniken in Brandenburg zu werden. Der Antrag, den Status Uniklinik zu erhalten, ist gestellt. Die MHB soll dazu dienen, die Fachkräftesicherung im ärztlichen Dienst zu sichern und das Leistungsspektrum zu erweitern. Doch die MHB ist auch eine zusätzliche Belastung für das Klinikum. Mit Weitblick gesehen ist es aber wiederum auch ein Vorteil, weil wir uns in eine Richtung spezialisieren und Dinge anbieten können, die eben andere Krankenhäuser im Land Brandenburg nicht anbieten.

Das ist positiv, wenngleich ich immer sage, so eine medizinische Hochschule kann niemals nur von drei Krankenhäusern getragen werden. Das ist eine Landesaufgabe.

Im DRG-System sehen wir Licht am Horizont hinsichtlich des Herausrechnens der Pflege-DRGs. Das DRG-System selbst ist völlig untragbar und muss abgeschafft werden. Aber andere sehen das eben noch nicht so.


UZ: Hat sich die Stimmung der Belegschaft verbessert, auch wenn der Tarifvertrag jetzt noch nicht greift?

Andreas Kutsche: Ich denke schon. Man muss ja damit erst mal klarkommen, dass man vielleicht doch eine oder zwei Personen auf der Station mehr hat, das baut sich jetzt wirklich erst so richtig auf und man kann seine Arbeit wieder anders organisieren. Wieder mehr Zeit für den Patienten zu haben, daran muss die Pflegekraft sich auch erst wieder gewöhnen.

Die Mindestbesetzungsquoten sind noch nicht optimal, aber wir sind schon auf einem guten Weg und die Stimmung ist positiv. Wir haben immer noch Probleme mit der Besetzung von Diensten, spontane Ausfälle kriegen wir immer noch nicht sofort ersetzt, damit die Schicht abgedeckt ist. Wir arbeiten weiterhin mit Bettenschließungen. Und positiv wird aufgegriffen, dass wir die Eckpunkte haben und dass wir ab nächstes Jahr in den Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes (TVöD) zurückkehren.


UZ: Gibt es denn auch Stolz und Zufriedenheit bei den Kolleginnen und Kollegen, dass sich dieser Kampf für Entlastung gelohnt hat?

Andreas Kutsche: Das ist noch nicht so offensichtlich. Die Anerkennung zeigt sich auf anderen Wegen. Wir hatten vor drei Wochen unsere Aufsichtsratswahl für das Klinikum, da sind neben vier weiteren Bewerbern drei ver.di-Mitglieder angetreten. Wir haben klar gewonnen. Wir sind jetzt drei ver.di-Mitglieder im drittelbeteiligten Aufsichtsrat und besetzen somit alle drei Mitarbeitersitze.


UZ: Welches Fazit kannst du bisher ziehen?

Andreas Kutsche: Wir sind auf dem richtigen Weg. Jetzt muss endlich bei uns unter beide Tarifverträge die Unterschrift drunter. Wir haben aus der Mitgliedschaft Druck in Richtung ver.di aufgebaut. Weil die Gewerkschaft leider auch zu wenig Personal hat, bleiben manche Dinge liegen und es geht nicht voran.

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Quelle:
Unsere Zeit (UZ) - Zeitung der DKP, 51. Jahrgang,
Nr. 48 vom 29. November 2019, Seite 3
Herausgeber: Parteivorstand der DKP
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Dezember 2019

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