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POLITIK/1773: Pflege-Neuausrichtungsgesetz - Stellungnahme des Medizinischen Dienstes (MDS)


Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS)
Pressemitteilung - Berlin, Essen 13.02.2012

Erweiterte Leistungen verbessern die Situation der Menschen mit Demenz

Gleichstellung ist nur mit neuem Pflegebedürftigkeitsbegriff zu erreichen


"Die im Referentenentwurf für ein Pflege-Neuausrichtungsgesetz vorgeschlagenen Leistungsverbesserungen sind geeignet, die Situation der Menschen mit Demenz zu verbessern und bisher bestehende Benachteiligungen gegenüber anderen Pflegebedürftigen abzumildern." Dies erklärte Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des Medizinischen Dienstes des GKV-Spitzenverbandes (MDS) anlässlich der Verbändeanhörung zum Referentenentwurf am 13. Februar 2012.

Insoweit sei das Anliegen des Bundesministeriums für Gesundheit, die Leistungen entsprechend den Bedarfen der Demenzkranken auszuweiten, aus fachlicher Sicht sachgerecht, so Pick weiter. "Eine Gleichstellung von Menschen mit gerontopsychiatrischem Hilfebedarf und Menschen mit körperbezogenem Hilfebedarf ist jedoch nur mit einem neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff zu erreichen. Seine Einführung ist im Sinne einer neuen Ausrichtung der Pflegeversicherung dringend erforderlich." Erfahrungen aus der Begutachtungspraxis der Medizinischen Dienste zeigten, dass der aktuell gültige Pflegebedürftigkeitsbegriff und das darauf aufbauende Begutachtungsverfahren nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Pflege und Betreuung entsprechen. Mit den Arbeiten des Beirates zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und dem in Zusammenarbeit von Pflegewissenschaft und MDK-Gemeinschaft entwickelten und erprobten neuen Begutachtungsassessment stehen die notwendigen Vorarbeiten zur Verfügung. "Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff sollte zügig im Gesetz verankert und die notwendigen Umsetzungsschritte eingeleitet werden."

Zur Anhörung der Verbände zum Referentenentwurf für ein Pflege-Neuausrichtungsgesetz (PNG) hat der MDS eine Stellungnahme abgegeben. Darin sind auch die den MDK betreffenden Änderungen kommentiert. Die Stellungnahme ist als Anlage beigefügt.


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STELLUNGNAHME

des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS)
zur Erörterung des Referentenentwurfes für ein Gesetz zur Neuausrichtung der Pflegeversicherung
(Pflege-Neuausrichtungsgesetz - PNG) am 13. Februar 2012 in Berlin


9. Februar 2012

Pflege-Neuausrichtungsgesetz - PNG / Stellungnahme


Der MDS nimmt im Folgenden in Abstimmung mit den MDK zu der mit dem vorliegenden Referentenentwurf beabsichtigten Neuausrichtung der Pflegeversicherung Stellung.

Das Anliegen des BMG, die Leistungen der Pflegeversicherung entsprechend den Versorgungsbedarfen der Pflegebedürftigen weiter zu entwickeln, ist aus fachlicher Sicht sachgerecht. Dabei kommt aus fachlicher Sicht den Bedarfen von Menschen mit Demenz und anderer Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz zentrale Bedeutung zu. Die mit den vorgeschlagenen Leistungsverbesserungen verfolgte Zielstellung ist geeignet, die Situation der Menschen mit Demenz zu verbessern und bestehende Benachteiligungen gegenüber anderen Pflegebedürftigen teilweise auszugleichen.

Eine Gleichstellung von Menschen mit gerontopsychiatrischem Hilfebedarf und Menschen mit körperbezogenem Hilfebedarf ist jedoch nur mit einem neuen Pflegebegriff zu erreichen. Dessen Einführung ist im Sinne einer neuen Ausrichtung der Pflegeversicherung dringend erforderlich. Erfahrungen aus der Begutachtungspraxis zeigen, dass der aktuell gültige Pflegebedürftigkeitsbegriff und das ihm folgende gültige Begutachtungsverfahren nicht mehr den Anforderungen an eine moderne Pflege und Betreuung entsprechen. Mit den Arbeiten des Beirates zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs und dem in Zusammenarbeit von Pflegewissenschaften und MDK-Gemeinschaft entwickelten und erprobten neuen Begutachtungsassessment stehen die notwendigen Vorarbeiten zur Verfügung. Der neue Pflegebedürftigkeitsbegriff sollte zügig im Gesetz verankert und die notwendigen Umsetzungsschritte eingeleitet werden.

Die vorgesehenen Leistungsverbesserungen für Menschen mit Demenz und auch die Einführung eines neuen Pflegebegriffs sind durch ein nachhaltiges Finanzierungskonzept zu unterlegen.

Die Hervorhebung des Grundsatzes "Rehabilitation vor Pflege" wird von uns grundsätzlich als sinnvoll betrachtet. Wir schlagen allerdings vor, den Fokus nicht zu sehr auf die medizinische Rehabilitation zu verengen. Vielmehr sollten alltagsrelevante Rehabilitationsziele für die betroffenen Pflegebedürftigen im Vordergrund stehen. Diese lassen sich oftmals besser durch umfassende Nutzung der Angebote aus dem Heil- und Hilfsmittelbereich realisieren.

Die vom Referentenentwurf vorgeschlagene stärkere Dienstleistungsorientierung bei der Begutachtung von Antragsstellern auf Leistungen der Pflegeversicherung ist bereits heute gelebte Praxis in der Pflegebegutachtung. Wir halten es für sachgerecht, dass der MDK legitimiert wird, im Vorfeld einer Begutachtung mit individuellen und umfassenden Informationen über das bevorstehende Begutachtungsverfahren aufzuklären. Beschwerdemanagement-Verfahren bestehen bereits in allen Medizinischen Diensten. Ebenso werden in den Medizinischen Diensten bereits Versichertenbefragungen durchgeführt und für die Weiterentwicklung des Dienstleistungsverhaltens genutzt. Insofern sind die vorgeschlagenen Servicegrundsätze einschließlich der Einrichtung eines Beschwerdemanagements bei den Medizinischen Diensten längst gelebte Realität. Das Dienstleistungsverhalten gesetzlich über eine Richtlinie regeln zu wollen, verursacht dagegen bürokratischen Aufwand und geht an der Wirklichkeit vorbei. Für eine solche Richtlinie sehen wir daher keine sachliche Notwendigkeit.

Der Einführung eines Überschreitungsbetrages bei Nichteinhaltung der gesetzlichen Fristen bei der Bearbeitung von Anträgen auf Pflegeleistungen stehen wir skeptisch gegenüber. In den vergangenen Jahren sind die Laufzeiten der MDK-Gutachten in der Pflegebegutachtung systematisch reduziert worden. Die Überschreitung der gesetzlichen Fristen kann verschiedene Ursachen haben. Sie kann auf Seiten des Versicherten z. B. durch einen Krankenhausaufenthalt bzw. durch ein Nichtantreffen bei einem angekündigten Hausbesuch oder durch den Medizinischen Dienst oder die Pflegekassen verursacht sein. Der vorgesehene Überschreitungsbetrag wird in diesen Konstellationen zu einem bürokratischen Verfahren führen und vielfältigen Streit zwischen Versicherten, MDK und Pflegekassen auslösen. Von daher sollte auf den vorgesehenen Überschreitungsbetrag verzichtet werden.

Auch den Vorschlag, den Pflegekassen zu ermöglichen, in Zukunft neben dem Medizinischen Dienst auch andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung der Pflegebedürftigkeit beauftragen können, halten wir sachlich nicht für geboten. Bei den MDK hat sich zwischenzeitlich mehr als 15 Jahre nach Einführung der Pflegeversicherung ein Verfahren etabliert, das flexibel auf eventuelle "Begutachtungsspitzen" reagieren kann. Die Beauftragung externer Gutachter durch den MDK bietet im Übrigen den großen Vorteil, dass diese Personen ohne größere Friktionen in die bestehende Organisation und die bestehenden Verfahren integriert werden können. Die für die Richtlinien gemäß § 53 b SGB XI -neu- vorgesehenen Inhalte sind hier bereits geregelt, insbesondere die Fragen der Qualifikation, die Begutachtungs-Maßstäbe sowie nicht zuletzt die Qualitätssicherungs-Maßnahmen.


Zu den vorgeschlagenen Änderungen und Ergänzungen im Einzelnen nehmen wir wie folgt Stellung:


Zu Artikel 1 Nr. 6 Buchstabe a) bis c) (§ 18 SGB XI):

Die Pflegekassen sollen künftig auch andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung der Pflegebedürftigkeit beauftragen können.

Siehe hierzu die Anmerkungen zu Artikel 1 Nr. 25 (§ 53 b).


Zu Artikel 1 Nr. 6 Buchst.c) Doppelbuchstabe dd) (§ 18 Abs. 3 Sätze 8-10 SGB XI):

Der Antragsteller hat ein Recht auf die Übermittlung des Gutachtens. Bei der Begutachtung ist zu erfassen, ob der Antragsteller von diesem Recht Gebrauch machen will.

Bewertung:

Obwohl die Versicherten schon heute gemäß § 25 SGB X ein Einsichtsrecht in das Gutachten haben, wird diese Regelung begrüßt. Sie erweitert und vereinfacht für die Versicherten die Transparenz, indem sie selbst bereits bei der Begutachtung entscheiden können, ob sie das MDK-Gutachten von der Pflegekasse erhalten möchten.


Zu Artikel 1 Nr. 6 Buchst. d (§ 18 Absatz 3a SGB XI -neu-):

Für jeden Tag einer Überschreitung der im Gesetz genannten Fristen soll die Pflegekasse zukünftig 10 an den Antragsteller zahlen, sofern dieser nicht die Fristüberschreitung zu vertreten hat.

Bewertung:

Eine Strafgebühr wird abgelehnt. Sie wird dazu beitragen, Streitfälle zwischen Pflegekassen, MDK und Antragsteller zu Fragen zu produzieren, wer für die Fristüberschreitung Verantwortung trägt. Vielfältige Gründe können dazu führen, dass ein einmal geplanter Begutachtungstermin nicht zustande kommt. Für derlei Verschiebungen ist nicht in jedem Fall der Medizinische Dienst oder die Pflegekasse verantwortlich zu machen. Von daher wird durch diese Regelung zusätzliche Bürokratie für alle Beteiligten entstehen. Gleichwohl werden die Medizinischen Dienste ihre Aktivitäten forcieren, um die Laufzeiten kontinuierlich weiter zu verkürzen. (vgl. Angaben zu Art. 1 Nr. 6 Buchst. a)-c).


Zu Artikel 1 Nr. 6 Buchst. g Doppelbuchstabe cc (§ 18 Abs. 6 Satz 3 SGB XI -neu-):

Die Feststellungen zur medizinischen Rehabilitation sind durch den Medizinischen Dienst oder die durch die Pflegekasse beauftragten Gutachter in einer gesonderten Rehabilitationsempfehlung zu dokumentieren.

Grundlage der Information für die Versicherten ist die Reha-Empfehlung des MDK. Laut Begründung haben die Pflegekassen darauf zu achten, dass die Stellungnahme des MDK vollständig ist und den Versicherten insbesondere darüber zu informieren, ob

- Empfehlungen für die Durchführung von Reha-Maßnahmen ausgesprochen werden, wobei das gesamte Spektrum möglicher Leistungsformen zu beachten ist, oder

- keine Empfehlungen ausgesprochen wurden, weil kurative, ausschließlich pflegerische oder andere Maßnahmen vorzuziehen oder derzeit ausreichend sind.

Bewertung:

Dem grundsätzlichen Ansatz wird zugestimmt. Schon heute geben die Medizinische Dienste Empfehlungen zur Rehabilitation.

Die Chancen auf praktische Umsetzung hängen jedoch vor allem davon ab, dass Hinweise auf eine Indikation zur medizinischen Rehabilitation bei der Pflegebegutachtung richtig erkannt und zur definitiven Indikationsstellung ein Arzt hinzugezogen wird. Beides wird bereits heute durch den MDK sichergestellt. Es ist außerdem davon auszugehen, dass neben der Motivierbarkeit des Versicherten die Einbindung des behandelnden Arztes von besonderer Bedeutung ist. Letztere ist derzeit nur als Informationspflicht der Pflegekasse ausgestaltet (§ 31 Absatz 3 SGB XI). Durch dessen frühzeitige Beteiligung könnte auch eine höhere Akzeptanz der vorgeschlagenen Maßnahmen erreicht werden. Vor diesem Hintergrund muss bezweifelt werden, dass die vorgesehene alleinige Ausgliederung der auch bisher schon unter Ziffer 6.3 des Formulargutachtens dokumentierten Rehabilitationsempfehlung aus dem Pflegegutachten nennenswert zur Verbesserung der praktischen Umsetzung der Rehabilitationsbedarfe der Betroffenen beiträgt. Die alleinige Umstellung der Dokumentation der Rehabilitationsempfehlung kann die o.g. Einflussfaktoren auf die Umsetzung von Rehabilitationsbedarf nicht nachhaltig beeinflussen.


Zu Artikel 1 Nr. 6 Buchst. i) (§ 18 Absätze 8 und 9 SGB XI -neu-):

Die Regelung soll dazu dienen, die Rechte der Pflegebedürftigen auf zielgerichtete umfassende Beratung durch die Pflegekassen zu stärken. Dies soll dadurch erreicht werden, dass die Pflegekassen dem Versicherten die gesonderte Rehabilitationsempfehlung zuleiten. Weiterhin soll die Pflegekasse verpflichtet werden, umfassend und begründet dazu Stellung zu nehmen, inwieweit auf der Grundlage der gesonderten Rehabilitationsempfehlung die Durchführung einer Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation angezeigt ist.

Bewertung:

Der Sinn dieser Stellungnahme der Pflegekasse erschließt sich nicht. Nach bisherigem Recht ist die Pflegekasse verpflichtet, eine Empfehlung des MDK zur Durchführung von Leistungen zur medizinischen Rehabilitation an den Rehabilitationsträger weiterzuleiten, was eine Antragstellung nach § 14 SGB IX auslöst. Eine zusätzliche Stellungnahme der Pflegekasse bringt hier keinen Vorteil und ist nicht notwendig. Durch die vorgesehene Regelung besteht vielmehr die Gefahr, dass die Vorgabe dahingehend fehlinterpretiert wird, dass die Pflegekasse die Indikationsstellung zur medizinischen Rehabilitation durch den MDK in Ihrer Stellungnahme noch einmal zu bestätigen oder abzulehnen hätte. Dies wäre ein deutlicher Rückschritt im Vergleich zum bisherigen Recht.

Insgesamt scheitert die Umsetzung rehabilitativer Maßnahmen erfahrungsgemäß nicht an einer unzureichenden Information des Versicherten über die Rehabilitationsempfehlung. Vielmehr ist in der Praxis das Fehlen von auf die Zielgruppe zugeschnittenen niedrigschwelligen Angeboten mit rehabilitativer Zielsetzung das Problem. Die komplexen Leistungen zur medizinischen Rehabilitation werden den Bedürfnissen vieler Pflegebedürftiger nicht gerecht. Vor diesem Hintergrund ist die Fokussierung der vorgesehenen Neuregelungen auf Leistungen der medizinische Rehabilitation eher nicht zielführend. Zur Stärkung des Grundsatzes "Reha vor Pflege" wäre die Entwicklung und Implementierung von niedrigschwelligen, auf der gezielten Anwendung von Heilmitteln basierenden rehabilitativen Angeboten zielführend. Entsprechende Erfahrungen liegen aus zahlreichen Modellprojekten vor. Diese Aspekte werden in dem vorliegenden Referentenentwurf bislang vernachlässigt.


Zu Artikel 1 Nr. 7 (§ 18a SGB XI -neu-):

Der GKV-Spitzenverband soll unter Beteiligung des MDS bis zum 31. März 2013 eine für alle MDK verbindliche Richtlinie erlassen, die das Ziel verfolgt, die Dienstleistungsorientierung für die Versicherten im Begutachtungsverfahren zu stärken. Dabei sind insbesondere allgemeine Verhaltensgrundsätze für Gutachter und andere Mitarbeiter der MDK, Beschwerdemöglichkeiten sowie die regelhafte Durchführung von Versichertenbefragungen zu regeln.

Bewertung:

Die in der Pflegebegutachtung eingesetzten MDK-Gutachterinnen und -Gutachter werden für das besondere Aufgabenfeld der Pflegebegutachtung vorbereitet und geschult. Ihnen ist bewusst, in welcher besonderen Situation sich die Antragsteller befinden. Sie gehen deshalb sensibel auf diese Situation ein.

Dies schließt nicht aus, dass es in Einzelfällen zu Diskussionen zwischen zu Begutachtendem und Gutachter über die Empfehlung zur Einstufung oder zum Vorgehen des Gutachters kommt. Hierzu haben die Medizinischen Dienste ein Beschwerdemanagement wie auch ein übergreifendes Qualitätssicherungsverfahren im Zusammenhang mit der Begutachtung implementiert. Darüber hinaus darf nicht übersehen werden, dass beim Gutachter auch häufig Ärger und Enttäuschung über die aktuell gültige enge Definition von Pflegebedürftigkeit und den Teilleistungscharakter der Pflegeversicherung abgeladen werden.

Seit dem Jahr 2004 erfolgt eine MDK-interne und MDK-übergreifende Qualitätssicherung der Pflegebegutachtung nach einer von den Spitzenverbänden der Pflegekassen erlassenen Richtlinie. Der Schwerpunkt dieser Qualitätsprüfungen konzentriert sich auf die inhaltlichen Aspekte der Pflegegutachten (Transparenz und Kompetenz der inhaltlichen Bewertungen sowie Nachvollziehbarkeit der gutachterlichen Empfehlungen). Die Ergebnisse dieser Prüfverfahren belegen seit Jahren einen hohen Qualitätsstandard in der Pflegebegutachtung durch den MDK.

Auch das Instrument der Versichertenbefragung wird bereits in den Medizinischen Diensten genutzt. Ergebnisse von Befragungen unter Antragstellern, die vom MDK begutachtet wurden, weisen sehr hohe Zufriedenheitswerte aus. Im MDK Sachsen-Anhalt, der eine solche Befragung durch ein externes Institut hat durchführen lassen, waren dabei 96 % der Befragten mit dem Verhalten der Gutachter sehr gut zufrieden. Hinsichtlich der Beurteilung des Verhaltens des Gutachters gaben allerdings diejenigen Befragten, deren Antrag abgelehnt wurde, ein leicht schlechteres Urteil ab als diejenigen, deren Antrag befürwortet wurde. Aber auch bei den abgelehnten Antragstellern bewerten 89 % das Verhalten des Gutachters als gut bis sehr gut.

Angesichts all dieser Maßnahmen und Ergebnisse ist es überraschend und für die Medizinischen Dienste und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter irritierend, wenn Einzelfälle in Bezug auf das Verhalten im Begutachtungsverfahren vom Gesetzgeber zum Anlass genommen werden, einen Verhaltenskodex per Richtlinie im Gesetz zu verankern.

Dagegen wird der Teil der Regelung, der sich auf die Erweiterung der Beratung durch den MDK im Rahmen der Begutachtung bezieht und die eine Information über die Begutachtungsgrundlage und das Begutachtungsverfahren ermöglicht, begrüßt. Im Rahmen einer ersten Impulsberatung kann der MDK über das weitere Verfahren, aber auch über mögliche Versorgungstrukturen vor Ort informieren. Im Interesse der Betroffenen sollte es dabei auch möglich sein, dem Versicherten eine erste Einschätzung zur Empfehlung der Pflegestufe an die Pflegekasse im Sinne einer Tendenzaussage zu geben.


Zu Artikel 1 Nr. 25 (§ 53b SGB XI -neu-) i.V.m. Artikel 1 Nr. 6 Buchstabe a-c) (§ 18 SGB XI):

Die Pflegekassen sollen künftig auch andere unabhängige Gutachter mit der Prüfung der Pflegebedürftigkeit beauftragen können.

In der Begründung heißt es zu den Änderungen in § 18, dass das Verfahren zur Feststellung von Pflegebedürftigkeit so gestaltet werden soll, dass es den Interessen und Ansprüchen der Antragsteller hinsichtlich einer zügigen Bescheid-Erteilung und einer umfassenden Information besser gerecht wird. Dazu soll auch die Möglichkeit beitragen, dass die Pflegekassen andere unabhängige Gutachter beauftragen können. Wie die Begründung weiter dazu ausführt, sind Anlass für die Änderung Fälle von Fristüberschreitungen zum Nachteil der Antragsteller.

Der GKV-Spitzenverband wird beauftragt, bis zum 31. März 2013 Richtlinien zur Zusammenarbeit der Pflegekassen mit anderen unabhängigen Gutachtern im Verfahren zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit mit dem Ziel einer einheitlichen Rechtsanwendung zu erlassen.

Bewertung:

Es erscheint zweifelhaft, ob das vom Gesetzgeber gewählte Mittel geeignet ist, die Zielsetzung zu erreichen. Durch vielfache organisatorische Regelungen haben die Medizinischen Dienste in den letzten 10 Jahren die durchschnittliche Bearbeitungszeit auf 23,8 Tage (ambulante Leistungen) und 16,4 Tage (stationäre Leistungen) reduzieren können. Der Trend setzt sich auch in 2011 fort.

Darüber hinaus erscheint die Regelung nicht geboten. Zum Einen ist herauszustellen, dass die Medizinischen Dienste schon heute die Möglichkeit haben und bei Bedarf nutzen, externe Gutachter einzusetzen. Im Übrigen würden mit der Neuregelung Doppelstrukturen in der Begutachtung aufgebaut. Dies wäre mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur schwer in Einklang zu bringen, da für den Bereich der anderen Gutachter gesonderte Maßnahmen zur Sicherstellung einer einheitlichen Begutachtung, zur Qualitätssicherung sowie zur statistischen Erfassung der Gutachten-Ergebnisse entwickelt werden müssten. Andere Gutachter haben die gleichen fachlichen Anforderungen wie der MDK - was neben der Feststellung des Hilfebedarfs auch die Empfehlung rehabilitativer wie anderer Leistungen einschließt - zu erfüllen. Darüber hinaus müssen sie unabhängig von Leistungserbringungs-Interessen sein. Dies setzt dem Einsatz anderer Gutachter enge Grenzen.


Zu Artikel 1 Nr. 46 (§ 114a Abs. 1 Sätze 3 und 4 SGB XI -neu-):

Wenn organisatorische Gründe es erfordern, soll die Qualitätsprüfung in ambulanten Pflegeeinrichtungen kurzfristig angekündigt werden. Die Gründe sind den Landesverbänden der Pflegekassen mit dem Prüfbericht schriftlich mitzuteilen.

Bewertung

Eine kurzfristige Ankündigung am Tag vor der Prüfung ist bei ambulanten Pflegeeinrichtungen sachgerecht, weil damit eine reibungslosere Durchführung von Qualitätsprüfungen in ambulanten Einrichtungen ermöglicht wird. Diese Regelung sollte nicht nur für kleinere ambulante Dienste, sondern für alle ambulanten Pflegedienste, unabhängig von der Größe, gelten. Eine formale Begründung bei jeder kurzfristigen Ankündigung wäre damit entbehrlich.

Der derzeitige § 114 a Absatz 3 SGB XI enthält die Vorschrift, dass Inaugenscheinnahmen von Pflegebedürftigen, Befragungen von Personen nach § 114 a Absatz 3 Satz 2 sowie die damit jeweils zusammenhängende Erhebung, Verarbeitung und Nutzung personenbezogener Daten von Pflegebedürftigen zum Zwecke der Erstellung eines Prüfberichtes der Einwilligung der betroffenen Pflegebedürftigen bedürfen. Bisherige Erfahrungen in der Praxis lassen eine Klarstellung zur Form der Einwilligung sinnvoll erscheinen. Vor dem Hintergrund der gesammelten Erfahrungen sollte dabei für Pflegebedürftige, für die eine gesetzliche Betreuung eingerichtet ist oder eine Bevollmächtigung vorliegt, ein mündliche Einwilligung, die durch den Prüfer dokumentiert wird, ausreichen.


Zu Artikel 1 Nr. 51 (§ 123 SGB XI -neu-):

Verbesserte Leistungen für Personen mit erheblich eingeschränkter Alltagskompetenz (PEA)

Bewertung

Die Zielsetzung der Leistungsverbesserungen für demenziell Erkrankte wird aus fachlicher Sicht befürwortet. Die Anknüpfung an die PEA-Feststellung durch den Medizinischen Dienst ist sachgerecht. Diese Neuregelungen sollten jedoch nur eine Übergangsregelung darstellen. Um den Betroffenen gerecht zu werden, sollte der Gesetzgeber schnellstmöglich einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff gesetzlich verankern und umsetzen. Auf die in Zusammenarbeit von MDK-Gemeinschaft und Pflegewissenschaften geleisteten Vorarbeiten in Form des neuen Begutachtungsassessments, die in die Arbeiten des Beirats zur Überprüfung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs eingeflossen sind, sollte dabei zurückgegriffen werden.


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Quelle:
Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Februar 2012