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DEMENZ/350: www.demenz-und-migration.de - Neue Internetseite zum Thema Demenz und Migration (Alzheimer Info)


Alzheimer Info, Ausgabe 4/17
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz

Neues Angebot der DAlzG: Das Projekt Demenz und Migration

von Helga Schneider-Schelte


Demenz hat viele Formen und Gesichter. Mit einer neuen Internetseite bietet die DAlzG nun ein Informationsangebot für Familien, die von Demenz betroffen sind und einen Migrationshintergrund haben. Unter www.demenz-und-migration.de finden sie grundlegende Informationen über Demenz in türkischer, polnischer und russischer Sprache. Alle in der Beratung und der Altenhilfe Tätigen erhalten auf dieser Seite außerdem Informationen über Migration, Demenz und Kultursensibilität.

In Deutschland leben zurzeit 18,5 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund, davon sind über 1,8 Millionen über 65 Jahre alt (Statistisches Bundesamt, 2016). Eine Studie des Robert Koch-Instituts (2008) kam zu dem Ergebnis, dass Migrantinnen und Migranten ab 55 Jahren höhere Gesundheitsrisiken aufweisen als vergleichbare Gruppen aus der Aufnahmegesellschaft. Dies liegt vor allem daran, dass sie ein höheres Armutsrisiko und einen geringeren sozialen Status haben als andere ältere Menschen. Deshalb "altern" Menschen mit Migrationshintergrund schneller und ihr Risiko steigt, an einer Demenz zu erkranken.

Ältere Migrantinnen und Migranten mit Demenz

Schätzungen zufolge leben in Deutschland etwa 108.000 Menschen mit Migrationshintergrund, die eine Demenz haben. Sie und ihre Familien brauchen Beratung, Hilfe und Unterstützung. Daher ist es dringend notwendig, dass sich alle Bereiche der Altenhilfe auch auf die Bedürfnisse und Wünsche dieser Zielgruppe einstellen.

Die meisten älteren Migrantinnen und Migranten sind entweder als sogenannte Aussiedler oder im Zuge einer Arbeitsmigration ("Gastarbeiter") nach Deutschland eingewandert. Es handelt sich dabei um eine sehr heterogene Gruppe mit unterschiedlichen Muttersprachen, kulturellen und religiösen Prägungen.

Menschen mit Demenz sind durch die Erkrankung häufig verunsichert und fühlen sich unverstanden. Bei Menschen mit Migrationshintergrund sind diese Gefühle oft noch deutlich stärker ausgeprägt. Das Ankommen in einem für sie unbekannten Land war meist begleitet von Gefühlen der Unsicherheit und Fremdheit. Durch die Demenz verstärken sich die Gefühle von Fremdheit und Unsicherheit. Dies Wird als "doppelte Fremdheit" bezeichnet.

Besondere Belastungen bei Demenz und Migration

Menschen mit Migrationshintergrund, die an einer Demenz erkranken, verlieren oft ihre Fähigkeit, die deutsche Sprache zu sprechen. Die Muttersprache ist dagegen im Langzeitgedächtnis gespeichert und bleibt meist lange erhalten. Der Verlust der deutschen Sprache führt zu Kommunikationsproblemen und dadurch häufig zu Rückzug und Isolation.

Menschen mit Migrationshintergrund erhalten oft erst spät eine Demenz-Diagnose. Einerseits weil der Zugang zur medizinischen Versorgung erschwert ist, andererseits weil die in Deutschland gängigen Tests für sie ungeeignet sind. Die Tests wurden für deutsche Seniorinnen und Senioren entwickelt und ihre Ergebnisse hängen stark von sprachlichen Fähigkeiten und Kenntnis der deutschen Kultur ab.

Menschen mit Demenz, die einen Migrationshintergrund haben, sowie ihre Familien werden vom deutschen Unterstützungssystem zu selten erreicht. Die bestehenden Angebote orientieren sich kaum an den spezifischen Gesundheitsvorstellungen, Lebensverhältnissen und Bedürfnissen älterer Migrantinnen und Migranten. Zudem fehlen Informationen darüber, welche Angebote es gibt und wie diese finanziert werden. Flyer und schriftliches Material auf Deutsch erreicht die Zielgruppe oftmals nicht.

Die Situation der Angehörigen

Menschen mit Demenz werden über die längste Zeit der Krankheit von ihren Angehörigen gepflegt. Dies gilt für Menschen mit Migrationshintergrund in besonderem Maße. Häufig wird von den Kindern erwartet, dass sie die Eltern pflegen. Hilfe durch Dritte wird selten angenommen. Die Gründe dafür sind vielfältig. Der Zugang zu Hilfen ist mit viel bürokratischem Aufwand verbunden. Beratungsstellen und Selbsthilfeorganisation, die hier weiterhelfen können, sind oft nicht ausreichend auf migrantische Klientel eingestellt.

Aus zahlreichen Studien zur Situation pflegender Angehöriger wissen wir, dass sich geeignete und frühzeitige Unterstützung positiv auf die Lebensqualität und das Wohlbefinden sowohl der Pflegenden als auch der Menschen mit Demenz auswirkt. Unser aktuelles Unterstützungssystem erreicht jedoch Menschen mit Migrationshintergrund häufig nicht. Die Hürden sind für sie zu hoch, was vielfach auch an der Komm-Struktur der Angebote liegt.

Seitens des Unterstützungssystems ist es dringend erforderlich, Migrantinnen und Migranten mit Demenz und ihre Angehörigen stärker in den Blick zu nehmen und Versorgungsstrukturen zu entwickeln, die auf sprach- und kulturspezifische Bedürfnisse der Betroffenen und ihrer Angehörigen eingehen.

Das Projekt "Demenz und Migration" der Deutschen Alzheimer Gesellschaft möchte dazu einen Beitrag leisten. Es wird vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.


Internet:
www.demenz-und-migration.de


Beratung auf Türkisch

Tel: 030 - 259 37 95 10
Das Alzheimer-Telefon bietet ab Dezember Beratung in türkischer Sprache. Jeweils mittwochs von 10.00 - 12.00 Uhr ist dort Frau Güllü Kuzu zu erreichen und beantwortet die Fragen der Anruferinnen und Anrufer, die ein Gespräch auf Türkisch wünschen.


Infos - Die neue Webseite der DAlzG bietet Informationen über Demenz in drei verschiedenen Sprachen.

- Das Unterstützungssystem ist Deutschland ist noch zu wenig auf Demenzkranke eingestellt, die einen Migrationshintergrund haben.

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Quelle:
Alzheimer Info, Ausgabe 4/17, S. 12 - 13
Nachrichten der Deutschen Alzheimer Gesellschaft Selbsthilfe Demenz
Friedrichstraße 236, 10969 Berlin
Telefon: 030/259 37 95-0, Fax: 030/259 37 95-29
Alzheimer-Telefon: 030/259 37 95-14
E-Mail: info@deutsche-alzheimer.de
Internet: www.deutsche-alzheimer.de
 
Das Alzheimer Info erscheint vierteljährlich.
Jahresabonnement: 12,00 Euro, Einzelheft: 3,00 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Februar 2018

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