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HERZ/592: Herbsttagung 2012 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (2) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 12. Oktober 2012

Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK)
11. - 13. Oktober 2012 in Hamburg

→ Herzinsuffizienz: Neue Behandlungsempfehlungen der Europäischen Kardiologen-Gesellschaft
→ Neue ESC-Leitlinien: Update zu Risiko und Vorbeugung
→ Durchblutungsstörung der Beine - Katheter-Behandlung und regenerative Therapien
→ Akute Bauchschmerzen: Es kann auch die Hauptschlagader sein



Herzinsuffizienz: Neue Behandlungsempfehlungen der Europäischen Kardiologen-Gesellschaft

Vergleicht man die Sterblichkeit nach der Diagnose Herzinsuffizienz (HI) mit jener bei verschiedenen Krebserkrankungen, so schneidet die HI schlechter ab als die meisten Karzinome. Das ist umso beunruhigender, als in Deutschland ein nicht zu unterschätzender Teil der älteren Bevölkerung betroffen ist. Schon in der Altersgruppe der 60- bis 79-Jährigen haben fast zehn Prozent der Männer zumindest eine leichte HI.

"Erfreulicherweise ist es jedoch in den letzten Jahren gelungen, die Prognose und Lebensqualität der Patienten zu verbessern. Die Neuerungen in Diagnostik und Therapie der HI schlagen sich in den aktualisierten Leitlinien der Europäischen Kardiologengesellschaft ESC nieder", so Prof. Dr. Stefan Störk (Deutsches Zentrum für Herzinsuffizienz, Würzburg) auf einer Pressekonferenz anlässlich der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Jahrestagung der Arbeitsgruppe Rhythmologie (Donnerstag, 11. Oktober, bis Samstag, 13. Oktober 2012), bei der im Congress Center Hamburg rund 2000 aktive Teilnehmer erwartet werden.

Prof. Störk: "Die ESC-Leitlinien von 2012 betonen die Bedeutung des Herz-Ultraschalls (Echokardiographie) zur Diagnosestellung. Darüber hinaus sollte bei allen Patienten mit Verdacht auf HI auch ein EKG und eine Labor-Untersuchung durchgeführt werden." Wenn die Echokardiographie nicht in akzeptabler Zeit verfügbar ist, kann die Bestimmung der natriuretischen Peptide aus dem Blut hilfreich sein: Finden sich dabei sehr niedrige Werte, ist eine HI praktisch ausgeschlossen.

"Wir haben eine Umfrage zur Verfügbarkeit der Echokardiographie durchgeführt", berichtet Prof. Störk, "dabei hat sich gezeigt, dass auch in Ländern, wo man von einer guten kardiologischen Versorgung ausgehen kann, die Wartezeit auf eine Echokardiographie in manchen Regionen mehrere Monate betragen kann. Da sind die neuen Bluttests, mit denen der Hausarzt eine klinisch relevante Herzinsuffizienz ausschließen kann, durchaus hilfreich."

Neuerungen bei der Therapie

Auch im Hinblick auf die Behandlung der HI haben sich durch die aktualisierten ESC-Leitlinien bedeutsame Neuerungen ergeben. Prof. Störk nennt vor allem eine Aufwertung der Mineralokortikoid-Rezeptor-Antagonisten (MR-Antagonisten). Diese Wirkstoffe (Spironolacton oder Eplerenon) sollen nun nicht mehr erst bei fortgeschrittener, sondern bereits bei mäßiger HI (NYHA II) zum Einsatz kommen: Studien haben eine Verbesserung der Prognose durch den frühen Einsatz von MR-Antagonisten gezeigt.

"Das Prinzip der Therapie bleibt jedoch gleich und heißt neurohumorale Blockade. Das bedeutet, dass der Stress, der durch verschiedene Botenstoffe auf das kranke Herz ausgeübt wird, reduziert werden soll", erklärt Prof. Störk. Daher sind die drei Säulen der medikamentösen Therapie ACE-Hemmer (die das einwirkende Angiotensin reduzieren), Beta-Blocker (die das Herz vor zu starker Adrenalin-Wirkung schützen und damit Blutdruck und Puls senken) und eben die MR-Antagonisten, die die Wirkung des Hormons Aldosteron blockieren.

Neu ist auch die Substanz Ivabradin, die wie ein Beta-Blocker die Herzfrequenz reduziert, dabei aber keine Blutdrucksenkung bewirkt. Prof. Störk: "Ivabradin wird empfohlen ab mäßig fortgeschrittener Herzinsuffizienz zusätzlich zu den bereits genannten Medikamenten, wenn ein Patient nach wie vor eine Herzfrequenz über 70 bis 75 Schläge pro Minute und einen stabilen Herzrhythmus hat." Bei einzelnen Patienten mit sehr schwerer HI kann Ivabradin auch den Beta-Blocker ersetzen, wenn dieser nicht mehr vertragen wird.

Früherer Einsatz der kardialen Resynchronisations-Therapie

Ebenfalls früher im Krankheitsverlauf als bisher kann bei ausgewählten Patienten nach den neuen ESC Leitlinien die kardiale Resynchronisations-Therapie eingesetzt werden: ein dem Herzschrittmacher ähnliches, implantierbares Gerät, das dafür sorgt, dass die Pumpleistung der beiden Herzkammern wieder synchron abläuft.

Die ESC-Leitlinien nennen auch eine Reihe von Medikamenten, die bei Herzinsuffizienz nicht gegeben werden sollen. Das sind unter anderem NSAR (Anti-Rheumatika), COX-2-Hemmer (Schmerzmittel), Glitazone (Diabetes-Medikamente) sowie Kalzium-Antagonisten (mit Ausnahmen). Ebenfalls neu ist eine Empfehlung für das "multidisziplinäre Management" der Erkrankung. Dieses umfasst die Zusammenarbeit der verschiedenen ärztlichen Disziplinen, aber auch nicht-ärztlicher Berufsgruppen - also von der Intensivmedizin bis zum Essen auf Rädern.

Aerobe Bewegung führt zu einer Verbesserung der Belastbarkeit und der Symptome

Hieß es vor wenigen Jahren noch, Menschen mit Herzinsuffizienz (HI) sollen sich möglichst wenig bewegen, so hat sich das Bild nun komplett gewandelt. "Körperliche, aerobe Bewegung führt zu einer Verbesserung der Belastbarkeit und der Symptome. Dafür gibt es in den neuen Leitlinien eine IA-Empfehlung, also die beste Empfehlungsstärke, die wir haben. Allerdings sollte beim herzinsuffizienten Patienten dieses Training nur nach vorheriger fachärztlicher Kontrolle erfolgen", so Prof. Störk.

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Neue ESC-Leitlinien: Update zu Risiko und Vorbeugung

Mit dem aktuellen Update ihrer Leitlinien zur kardiovaskulären Prävention hat die Europäische Kardiologengesellschaft (ESC) einen radikalen Schnitt vollzogen. Eine Reihe von Neuerungen wird auch die tägliche Praxis im Umgang mit Risiko-Patienten verändern. "Bislang wurde zwischen Primär- und Sekundärprävention unterschieden. Erstere richtete sich an Personen mit Risikofaktoren, die zweite an Patienten, die bereits eine manifeste kardiovaskuläre Erkrankung entwickelt hatten. Diese Unterscheidung gehört nun der Vergangenheit an", sagt Prof. Dr. Rainer Hambrecht (Herzzentrum Bremen). In Zukunft sollen sich vorbeugende Strategien nach dem individuellen Risiko richten. Menschen mit einem hohen Risiko, einen Herzinfarkt zu erleiden, sollen so behandelt werden, wie jene, die bereits einen Infarkt überlebt haben.

Vorbeugende Strategien richten sich hauptsächlich nach dem individuellen Risiko

Prof. Hambrecht: "Die neuen Richtlinien sehen vor, dass die Patienten nach dem Risiko, in den nächsten zehn Jahren einen tödlichen Herzinfarkt zu erleiden, in vier Kategorien eingeteilt werden: niedriges, moderates, hohes und sehr hohes Risiko, in den nächsten zehn Jahren an einem Herzinfarkt zu versterben." Niedriges Risiko (unter 1 %) haben Menschen ohne Risikofaktoren, die sie einem moderaten Risiko aussetzen würden. Moderates Risiko (1-5 %) haben zum Beispiel viele Menschen mittleren Alters. Hohes Risiko (5-10 %) haben Menschen mit deutlich erhöhten einzelnen Risikofaktoren (starker Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörung/Dyslipidämie), mit Diabetes ohne Risikofaktoren oder Endorganschäden und moderater chronischer Nierenkrankheit. Sehr hohes Risiko (mehr als 10 %) haben Menschen mit diagnostizierten kardiovaskulären Krankheiten, Diabetes mit einem oder mehr Risikofaktoren oder Endorganschädigungen und schwerer chronischer Nierenerkrankung.

Hohe Bedeutung der Nierenfunktion

Eine weitere Neuerung liegt in der Bedeutung, die der Nierenfunktion beigemessen wird. Laut den neuen ESC-Leitlinien rücken Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion automatisch und unabhängig von den übrigen Risikofaktoren in die Gruppe "Hohes Risiko" oder "Sehr Hohes Risiko" auf. Da die Nierenerkrankung ihrerseits meist die Folge von Bluthochdruck und/oder Zuckerkrankheit ist, steigt für viele Betroffene das individuelle Risiko noch weiter an. Diabetiker ohne zusätzliche Risikofaktoren befinden sich automatisch in der Hochrisikogruppe. Kommt zum Diabetes ein weiterer Risikofaktor hinzu, wird bereits von sehr hohem Risiko ausgegangen.

Prof. Hambrecht: "Die Ärzteschaft ist nun aufgefordert, bei Männern ab dem 40. und bei Frauen ab dem 50. Lebensjahr nach diesen Risikofaktoren zu fahnden. Dies ist nicht in erster Linie die Aufgabe der Kardiologen, sondern primär der Hausärzte, die ja näher an der - mehr oder weniger - gesunden Bevölkerung sind. Erst wenn es auffällige Befunde zu hinterfragen gibt oder wenn präventive Maßnahmen nicht greifen, sollte ein Facharzt hinzugezogen werden."

Altersangepasste Aussagen möglich

Die neuen Risiko-Scores der ESC-Leitlinien erlauben auch altersangepasste Aussagen. "Das Alter ist ein ganz wesentlicher Risikofaktor", sagt Prof. Hambrecht. "Das führt aber nun dazu, dass zum Beispiel ein junger übergewichtiger Raucher ein eher geringes absolutes Risiko aufweist. Anhand der Charts kann man diesen Menschen aber nun zeigen, um wie viel höher ihr Risiko im Vergleich zu einem schlanken Nichtraucher gleichen Alters ist - und wie es ihnen wahrscheinlich in ein paar Jahren gehen wird, wenn sie ihren Lebensstil nicht verändern. Wir können also auch jüngeren Patienten sehr genau demonstrieren, was es bringt, mit dem Rauchen aufzuhören. So hat ein 40-jähriger Raucher mit erhöhten Blutfetten das gleiche Risiko wie ein 60-jähriger ohne zusätzliche Risikofaktoren."

Zur Umsetzung der kardiovaskulären Prävention empfehlen die Leitlinien neben - je nach individueller Situation - entsprechenden Medikamenten "multimodale Lebensstilintervention": Aktives und passives Rauchen muss vermieden werden, Ratschläge für eine gesunde Ernährung sind wichtiger Bestandteil der kardiovaskulären Prävention, übergewichtigen und adipösen Personen wird dringend eine Gewichtsreduktion empfohlen, und gesunde Personen sollten Alters-unabhängig 2,5 bis fünf Stunden pro Woche bei moderater Intensität (optimal 30 Minuten oder mehr/Tag) körperlich aktiv sein.

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Durchblutungsstörung der Beine: Katheter-Behandlung und regenerative Therapien

Hamburg, Freitag, 11. Oktober 2012 - In den vergangenen Jahren haben sich Katheter-Techniken, wie man sie aus der Versorgung von Herzinfarkt-Patienten kennt, auch in der Therapie der peripherer arterieller Verschlusskrankheit (PAVK) durchgesetzt. Das bedeutet für die Patienten vor allem weniger belastende Eingriffe verglichen mit der offenen Operation, berichtet Professor Dr. Sigrid Nikol (Asklepios Klinik St. Georg, Hamburg) auf einer Pressekonferenz zur Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Jahrestagung der Arbeitsgruppe Rhythmologie. Von Donnerstag bis Samstag werden im Congress Center Hamburg rund 2000 aktive Teilnehmer erwartet.

PAVK kann bedeuten, dass atherosklerotische Plaques ("Arterienverkalkungen") in den Beinarterien vorhanden sind, die keine Symptome verursachen, es kann sich jedoch auch um einen kompletten Gefäßverschluss handeln. PAVK ist häufig. Die Prävalenz steigt mit dem Alter und erreicht bei den über 75-Jährigen 30 Prozent, wobei die überwiegende Mehrzahl asymptomatisch ist. Die häufigsten Beschwerden in schwereren Fällen sind krampfartige Schmerzen bei Belastung, die zum Stehenbleiben zwingen, die sogenannte Claudicatio intermittens - auch als "Schaufensterkrankheit" bekannt, weil die Betroffenen häufig vor Schaufenstern anhalten, um ihren schmerzenden Beinen etwas Erholung zu gönnen. Ein hohes Risiko zur Amputation besteht aber, wenn bereits chronische Wunden an Zehen, Füßen oder Beinen durch die arterielle Durchblutungsstörung entstanden sind.

Neben dem Alter sind Diabetes und Rauchen die wichtigsten Risikofaktoren. Diabetiker und Raucher haben auch das höchste Risiko, eine kritische Extremitäten-Ischämie zu entwickeln. Das bedeutet, dass das Bein so schlecht durchblutet wird, dass es im schlimmsten Fall amputiert werden muss.

Doch die PAVK kann heute schon mit guten Erfolgsaussichten behandelt werden. Das bedeutet in der Regel einen Eingriff zur Wiederherstellung oder Verbesserung der Blutversorgung. Prof. Nikol: "Diese Eingriffe wurden früher als offene Operationen durchgeführt, heute kommt man meist mit einer Katheter-Behandlung aus." Dabei wird ein Katheter unter örtlicher Betäubung in das betroffene Gefäß vorgeschoben und die verengte Passage mittels eines Ballons gedehnt. Damit sich das Gefäß nicht wieder verschließen kann, wird häufig zusätzlich eine Gefäßprothese aus Drahtgeflecht ("Stent"), eingesetzt, der die Innenwand der Arterie stützt. "Die Vorteile liegen auf der Hand", sagt dazu Prof. Nikol. "Die Katheter-Behandlung ist für die Patienten deutlich weniger belastend. Sie kann auch sehr alten und kranken Menschen zugemutet werden und sie erfordert im Vergleich zur offenen Operation einen deutlich kürzeren Krankenhausaufenthalt."

Diese Entwicklung hat jedoch nicht nur dazu geführt, dass heute mehr alte Menschen wegen ihrer PAVK behandelt werden können, sie hat auch bewirkt, dass die Indikation großzügiger gestellt werden kann. Prof. Nikol: "Wir haben mittlerweile die klassische Einteilung der Erkrankung verlassen. Früher wurde nur operiert, wenn die Patienten eine Gehstrecke unter 200 Metern hatten. Heute richten wir uns mehr nach den individuellen Bedürfnissen der Patienten. Bei sehr alten Leuten, die keine großen Strecken zurücklegen brauchen, um ihren Alltag bewältigen zu können, wird man anders vorgehen als bei jüngeren, die ihre PAVK daran hindert, ihren Beruf auszuüben oder Sport zu betreiben. Ich habe schon junge Patienten behandelt, für die der Lebensinhalt zum Beispiel das (Halb-) Marathon-Laufen war und die unter einem erheblichen Leidensdruck litten, weil sie einen Gefäßverschluss in einem Bein hatten." Andererseits kann das Risiko von Herzinfarkten und Schlaganfällen reduziert werden, indem Patienten durch eine frühzeitige Verbesserung der Gehstrecke mobil bleiben.

Eine PAVK ist aber auch eine Marker-Erkrankung für den allgemeinen Gefäß-Status. Sie kann Hinweis geben auf ein erhöhtes Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko, das die Ausschaltung von Risikofaktoren und gegebenenfalls auch eine präventive Behandlung mit Blutgerinnungs-hemmenden Medikamenten (Azetylsalizylsäure, Clopidogrel) erforderlich macht.

Patienten mit PAVK profitieren auch von Geh- und Bewegungstraining, weshalb Gehsportgruppen für ein intensiviertes Gehtraining verbunden mit Koordinationsübungen eingereicht wurden. Durch die Gangunsicherheiten kann es sehr schnell zu Koordinationsstörungen kommen, weshalb PAVK-Patienten nicht selten aufgrund einer zunehmenden Fallneigung am Stock oder gar Rollator gehen müssen, wenn nicht rechtzeitig Gegenmaßnahmen eingeleitet werden.

"Versuche, das Problem mit Gen-Therapie zur Wiederherstellung der Gefäße (Angiogenese - Gefäßneubildung) zu lösen, haben leider nicht die gewünschten Erfolge gebracht", berichtet Prof. Nikol. Hohe Erwartungen setzt sie in die Zelltherapie: "Es gibt hier Versuche mit Zell-Typen, die bislang kaum eingesetzt werden. Darunter auch Zellen, die aus der Plazenta oder aus Nervenzellen gewonnen werden. Das hätte im Vergleich zu den bisher verwendeten Stammzellen aus dem Knochenmark der ja zumeist alten und kranken Patienten den Vorteil, dass die Qualität der Zellen besser ist. Ergebnisse aus klinischen Studien gibt es dazu bislang aber noch nicht, sind aktuell aber zur Genehmigung eingereicht."

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Akute Bauchschmerzen: Es kann auch die Hauptschlagader sein

"Das zunehmende Auftreten von Aorten-Erkrankungen rührt vor allem daher, dass Menschen mit den entsprechenden Risikofaktoren, vor allem Bluthochdruck, heute dank der besseren Behandlungsmöglichkeiten länger leben", sagt Prof. Dr. Christoph Nienaber (Herzzentrum der Universitätsmedizin Rostock) auf einer Pressekonferenz der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und der Jahrestagung der Arbeitsgruppe Rhythmologie. Von Donnerstag bis Samstag werden in Hamburg 2000 aktive Teilnehmer erwartet.

Der hohe Blutdruck führt bei entsprechender Veranlagung zu einer Erweiterung des Gefäßes, die auch mit einer Schwächung der Gefäßwand einhergeht - bei älteren, aber auch jüngeren Patienten. Grundsätzlich gilt aber: Je älter die betroffenen Hypertoniker werden, desto größer ist die Gefahr, dass es zu Problemen mit der Aorta kommt. Diese äußern sich meist in Form des akuten Aortensyndroms. Prof. Nienaber: "Das bedeutet nicht nur die klassische Aortendissektion, also der Einriss des Gefäßes, sondern auch mehrere Vorstufen dieses akut lebensbedrohlichen Ereignisses. So kann es zu einem intramuralen Hämatom kommen, einer Einblutung in den Bereich zwischen der inneren und der äußeren Gefäßwand." Auch die Bildung von Ulzera (Geschwüren) in der Hauptschlagader ist möglich.

Patienten bemerken solche Ereignisse in der Regel durch eine Vielzahl von Symptomen, wobei Schmerzen im Vordergrund stehen. Prof. Nienaber: "Schmerz in der Brust, der in den Rücken oder in den Bauch ausstrahlen kann, ist ein klassisches Zeichen. Es gibt aber auch eine Reihe weiterer Anzeichen, die nicht so typisch und daher auch nicht immer leicht zu erkennen sind." Von der Aorta zweigen nämlich alle Arterien ab, die die verschiedenen Organe mit Blut versorgen. Je nach der Lokalisation kann eine Aorten-Erkrankung daher unter anderem Symptome eines Herzinfarkts, eines Schlaganfalls oder einer akuten Darm- oder Nierenerkrankung verursachen. Selbst Schmerzen im Bein sind infolge einer Aorten-Erkrankung möglich "Das kann die Diagnose in manchen Fällen ziemlich schwierig machen. Was insofern doppelt problematisch ist, als die Symptome in der Regel erst auftreten, wenn es sich bereits um eine Dissektion und damit um einen akuten Notfall handelt."

Als Untersuchungsmethoden zur Diagnose einer Aorten-Erkrankung werden entweder der Ultraschall oder die Darstellung der Gefäße mittels Computertomographie (CT-Angiographie) empfohlen. Prof. Nienaber: "Das kann innerhalb von Minuten geschehen und ist in der Notfallambulanz eines gut strukturierten Hauses auch immer verfügbar. Alle bildgebenden Methoden sind dazu gleich gut geeignet, eine invasive Untersuchung mittels Katheter ist heute nicht mehr erforderlich. Voraussetzung für die Diagnose ist natürlich, dass jemand in die richtige Richtung denkt und Spürsinn entwickelt. Deshalb müssen wir die Kollegen aus anderen Fächern für dieses Problem sensibilisieren. Es muss sich herumsprechen, dass es an der Aorta liegen kann, wenn plötzlich das Bein schmerzt. Lange Umwege müssen bei dieser Erkrankung vermieden werden." Ist die Diagnose einmal gestellt, sollte der schnellstmögliche Transfer in ein Krankenhaus der Maximalversorgung - im Idealfall mit Aorten- beziehungsweise Herzzentrum - erfolgen.

Die Behandlung von Aorten-Erkrankungen ist nämlich alles andere als simpel und in vielen Fällen auch nicht ungefährlich. Liegt der Defekt im aufsteigenden Teil der Aorta, also im dem Herzen am nächsten gelegenen Bereich, so ist das die Domäne des Herzchirurgen. In einer offenen Operation unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine wird das schadhafte Stück der Schlagader durch eine Prothese ersetzt. Selbst in den besten Zentren versterben bei dieser Operation mehr als 20 Prozent der Patienten. Doch die Operation ist in den meisten Fällen die einzige Chance - eine unbehandelte Dissektion der Aorta führt in den meisten Fällen mit Sicherheit zum Tod.

Da dieser große Eingriff bei sehr alten oder kranken Patienten nicht machbar ist, wurden in den vergangenen Jahren auch Stent-Techniken für diesen Bereich der Aorta entwickelt. Prof. Nienaber: "Das ist bei manchen sehr alten Patienten eine Alternative, kommt aber nur in ausgewählten Fällen zum Einsatz. Das muss im Einzelfall im Konsens zwischen Kardiologen und Chirurgen entschieden werden."

Liegt der Aortendefekt im absteigenden Bereich des Gefäßes, vom Herzen weiter entfernt, so wird zunächst eine konservative Therapie versucht. Man versucht dabei vor allem, mit Medikamenten den Blutdruck besser zu kontrollieren. Das führt allerdings nicht immer zum Erfolg. "Verschlechtert sich der Zustand eines Patienten, hat er starke Schmerzen oder treten Probleme mit der Durchblutung von Organen auf, so wird der Defekt mittels Stent versorgt. Das heißt, der Eingriff erfolgt über einen Katheter, der in das Gefäß geschoben wird, Bauch oder Brustkorb müssen nicht geöffnet werden", erklärt Prof. Nienaber.

Allerdings verlangt die Implantation eines Stents in der Aorta ein hohes Maß an Expertise, Logistik und Erfahrung. Prof. Nienaber: "Da benötigt man ein funktionierendes Netzwerk mit spezialisierten Zentren, denen die Patienten zugewiesen werden."

Eine offene Frage ist jedoch, wie weit auch Patienten, die gegenwärtig nur medikamentös behandelt werden, eine solche Stent-Versorgung erhalten sollten. Gegenwärtig mehren sich die Hinweise, dass die rein medikamentöse Therapie mittelfristig nicht den gewünschten Erfolg bringt. "Wir sammeln dazu Daten und es weist einiges darauf hin, dass auch diese sogenannten unkomplizierten Fälle von einer inneren Schienung der Aorta mittels Stent profitieren", so Prof. Nienaber.

Insgesamt haben sich die Behandlungsergebnisse in den vergangenen Jahrzehnten deutlich verbessert. Während heute die Sterblichkeit bei einer stabilen Erkrankung der unteren Aorta bei sechs Prozent pro Jahr liegt, waren es vor 20 Jahren noch 18 Prozent. Prof. Nienaber: "Auch die medikamentöse Therapie ist besser geworden, weil man die Patienten konsequenter behandelt und vor allem regelmäßig mittels Bildgebung nachsieht, ob es zu einer Verschlechterung gekommen ist."

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit knapp 8000 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa.

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgk.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Christiane Limberg
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Oktober 2012