Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → KRANKHEIT

HERZ/756: Meldungen von der Herbsttagung 2014 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (2) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Pressemitteilungen vom 10. Oktober 2014

Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie, in Düsseldorf vom 9.-11. Oktober 2014 in Düsseldorf

→  Vorhofflimmern: Europaweit große Unterschiede in der Therapie
→  DGK startet neues Internetportal www.Kardiologie.org
→  Bluthochdruck-Spezialisten: Nieren-Denervierung bleibt Option bei Therapie-resistentem Bluthochdruck



Vorhofflimmern: Europaweit große Unterschiede in der Therapie

Düsseldorf, 10. Oktober 2014 - Der Anteil von Patienten mit Vorhofflimmern, die eine rhythmuserhaltende Therapie bekommen, ist in verschiedenen europäischen Ländern etwa gleich hoch. Doch gibt es große regionale Unterschiede, was die bevorzugte interventionelle Methode oder die eingesetzten Medikamente betrifft. Das zeigt die europaweite PREFER in AF Studie, deren Ergebnisse jetzt auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Düsseldorf vorgestellt wurden. Ausgewertet wurden die Behandlungsdaten von insgesamt 6.412 Patienten mit Vorhofflimmern aus 461 Zentren in sieben Ländern: Frankreich, Deutschland, Österreich und der Schweiz (als DACH zusammengefasst), Italien, Spanien und Großbritannien.

Deutschland kein Spitzenreiter bei Therapiehäufigkeit

Im Detail zeigten sich hinsichtlich der angewendeten Therapiestrategie erhebliche Länderunterschiede, wie Prof. Harald Darius vom Vivantes Klinikum Neukölln, Berlin, berichtete. "Während des Beobachtungszeitraums wurde etwa die Hälfte aller Patienten im Rahmen einer Sinusrhythmus-stabilisierenden medikamentösen Strategie behandelt. Insgesamt fünf Prozent der Patienten erhielten eine rein medikamentöse Kardioversion durch Arzneimittel, die den regelmäßigen Rhythmus wiederherstellen. Auffällig ist eine beträchtliche Bandbreite in den einzelnen Ländern", so der Experte. In der DACH-Region waren es nur 2,4 Prozent der Patienten, in Italien hingegen 7,8 Prozent. Eine elektrische Kardioversion wurde insgesamt bei 7,6 Prozent der Patienten durchgeführt, am häufigsten in Großbritannien (14,9 Prozent), am seltensten in Spanien mit nur 2,9 Prozent. In der DACH-Region lag der Anteil bei 5,4 Prozent. Eine Katheterablation wurde mit 3,8 Prozent der Patienten insgesamt selten durchgeführt, wobei auch hier deutliche Unterschiede zwischen den Ländern bestanden: Die Bandbreite reichte von 2,6 Prozent in Frankreich und Spanien über 3,7 Prozent in Deutschland, Österreich und der Schweiz bis 6,1 Prozent in Großbritannien.

"Mit medizinischen Unterschieden sind die großen Variationen in der Auswahl der Therapien zwischen den Ländern wohl nicht ausreichend zu erklären. Vielmehr dürfte die jeweilige lokale Expertise im Umgang mit Rhythmusstörungen und allenfalls die unterschiedlich geregelten Entgelte für den Aufwand eine Rolle spielen", so der Pressesprecher der DGK Prof. Eckart Fleck (Berlin).

Quelle:
DGK Abstract Darius et al., Länderunterschiede in der rhythmuserhaltenden Therapie von Patienten mit Vorhofflimmern: Verlaufsdaten der PREFER in AF Registerstudie. Clin Res Cardiol 103, Suppl 2, Oktober 2014 - Beitrag P280

*

DGK startet neues Internetportal www.Kardiologie.org

Düsseldorf, 10. Oktober 2014 - Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) startet gemeinsam mit dem Bundesverband Niedergelassener Kardiologen (BNK) www.Kardiologie.org, ein eigenes Internetportal, das in enger Zusammenarbeit mit Springer Medizin fundierte Fakten und Neuigkeiten aus allen Bereichen der Herz-Medizin anbietet. "Die Entwicklungen und Fortschritte in der modernen Kardiologie sind ungewöhnlich vielfältig, und es ist wichtig, diese Informationen systematisch, praktisch verwertbar und objektiv zugänglich zu machen", so Prof. Dr. Eckart Fleck, Pressesprecher der DGK. "Die DGK erweitert damit ihr Engagement im multimedialen Publikationsbereich. Um das bestmöglich tun zu können, verzichten wir auf ablenkende Werbung. So sichern wir unsere Unabhängigkeit und bieten den Nutzern korrekte und nicht interessensgeleitete Informationen."

Möglichst viele Inhalte sollen frei zugänglich vermittelt werden, also vor dem Login angesiedelt sein, das aus arzneimittelrechtlichen Gründen zur Identifizierung von medizinischen Fachpersonen erforderlich ist. "Das Portal ist auch eine ideale Plattform für Fortbildungen", so Prof. Fleck. "Es enthält neben Kongressberichterstattung mit Bildpräsentation, Fall- und Eingriffspräsentationen weitere Bewegt-Bilddarstellungen zu diagnostischen Verfahren aus Ultraschall-, CT- und MRT-Untersuchungen, CME-Beiträge und zertifizierbare Curricula."

Das neue Portal bietet umfassende Recherchemöglichkeiten, zum Beispiel über PubMed, hat eine eigene konsequent wachsende multimediale Bibliothek und ist mit einem Sonderabonnement kombinierbar mit einem Vollzugriff auf alle Publikationen von Springer-Medizin.

www.Kardiologie.org ist auch auf allen mobilen Geräten lesbar, und hat zusätzlich einen eigenen Twitter- und Facebook-Kanal. Die Zeitschrift Cardio News erscheint zukünftig auch als WebApp für iOS und Android.

"Anlässlich der Herbsttagung der Fachgesellschaft wird die Beta-Version der umfangreichen Installation vorgestellt und zur ersten Nutzung und Beurteilung freigegeben. Zugänglich für alle ist das Portal dann ab 1. Dezember 2014", so Dr. Stefan Perings, Vizepräsident des BNK. "Aufgrund des großen und uneigennützigen ehrenamtlichen Engagements einiger Fachleute und mit Hilfe eines Unrestricted Educational Grant, der von Bayer Vital zur Verfügung gestellt wird, ist es möglich geworden, nicht nur den großen Umfang der aufwändigen Inhalte, sondern auch das Layout ohne Werbung zu realisieren."

*

Bluthochdruck-Spezialisten: Nieren-Denervierung bleibt Option bei Therapie-resistentem Bluthochdruck

Ein minimalinvasives Verfahren namens renale Denervierung (RDN) kann vielen Menschen mit sonst nicht kontrollierbarem Bluthochdruck helfen. Das betonen Hypertonie-Spezialisten auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) in Düsseldorf trotz neuer, kritischer Daten aus den USA. "Die europäischen Erfahrungen mit der Methode sind gut, vorausgesetzt sie werden kompetent und bei den richtigen Patienten angewandt", so Hypertonie-Spezialist und Nephrologe Prof. Dr. Roland E. Schmieder (Universitätsklinikum Friedrich Alexander Universität Erlangen/Nürnberg). "Die renale Denervierung sollte erst nach gewissenhafter Bluthochdruck-Abklärung und Optimierung der Therapie zum Einsatz kommen und nur in spezialisierten und zertifizierten Zentren durchgeführt werden."

Die Ergebnisse der bislang größten Studie zur RDN (Symplicity HTN-3) waren für die Fachwelt zunächst ein Schock. Ein Forscherteam in den USA war zu dem Schluss gekommen, dass die Methode keine signifikant bessere Blutdrucksenkung bringt als eine eigentlich wirkungslose Scheinprozedur 1). Mittlerweile gehen Experten jedoch davon aus, dass bei Symplicity HTN-3 suboptimal gearbeitet wurde. "Es wurden die Patienten behandelt, die möglicherweise nicht so gut ansprechen (z.B. Amerikaner afrikanischer Abstammung) oder sorgfältig genug ausgewählt wurden, und diese Behandlungen wurde nicht so gründlich durchgeführt, wie man das in spezialisierten Zentren in Europa erwarten kann", so Prof. Schmieder.

Bei der RDN werden die Nervenendigungen, die sich in der äußeren Gefäßwand der Niere befinden, über einen in die Leistenarterie eingeführten Katheter durch Hitzeeinwirkung zerstört (Ablation). Der minimalinvasive Eingriff dauert 40 bis 60 Minuten und führte in mehreren Studien rasch zu einer Senkung der sympathischen Nervenaktivität und dadurch des Blutdruckes. Genau diese Blutdruck-Senkung trat in jedoch Symplicity HTN-3 nicht ein.

Trotz der methodischen Vorzüge des Studiendesigns betonen viele Fachleute, dass die Ergebnisse der Studie verwundern. "So liegen die Erfolge bei den tatsächlich denervierten Patienten deutlich unter jenen, die man in älteren Studien beobachten konnte", sagt Prof. Schmieder. "Gleichzeitig liegt das mittels Scheinprozedur erreichte Ergebnis weit über den Effekten, die in den Placebo-Gruppen von Medikamenten-Studien erreicht wurden."

Mögliche Ursachen von Auffälligkeiten bei den Ergebnissen

Denkbare Ursachen dieser Auffälligkeiten gibt es mehrere. "Zum Beispiel ungeeignete Patientenselektion, also die Behandlung von Patienten, die gar keine RDN benötigt hätten", sagt Prof. Schmieder. "Die Patienten müssen tatsächlich einen therapieresistenten Bluthochdruck haben, der trotz einer Behandlung mit mindestens drei Blutdruck-senkenden Medikamenten nicht ausreichend gesenkt werden kann, um für die RDN in Frage zu kommen. Das trifft jedoch nur auf einen kleinen Prozentsatz der Hochdruck-Patienten zu." Das gute Ansprechen auf die Scheinprozedur könne als Indiz dafür gewertet werden, dass in Symplicity HTN-3 Patienten in die Studie gelangten, die gut mit Medikamenten behandelbar gewesen wären, wenn sie diese über längere Zeit eingenommen hätten.

Eine weitere Quelle verzerrter Daten kann mangelnde Qualität bei der Durchführung des Eingriffs sein. "Man weiß inzwischen, dass der Abstand zwischen Nierengefäß und Nerven unterschiedlich ist und mitunter auch mehr als einen halben Zentimeter betragen kann", erklärt Prof. Schmieder: "Eine effiziente Ablation muss dieser Variabilität gerecht werden, zumal wir (noch) keine Qualitätskontrolle während der Prozedur haben."

Auch müsse die Ablation der Nerven tatsächlich den gesamten Umfang der Nierenarterien betreffen. Es dürfen nicht ein oder zwei Quadranten von der Behandlung ausgenommen werden. Daten aus Symplicity HTN-3 zeigen deutlicher ausgeprägte Blutdrucksenkungen bei jenen Patienten, bei denen die Nerven jeweils aller vier Quadranten beider Nierenarterien ausgeschaltet wurden. "Inkomplette Durchführung der Ablation, aus welchen Gründen auch immer, würde die relativ geringe Wirkung in der Studie von nur 14,1 mm Hg erklären", so Prof. Schmieder. Im Vergleich dazu wurde in der prospektiven, multizentrischen, randomisierten Studie Symplicity HTN-2 eine Blutdrucksenkung von durchschnittlich sogar über 30 mm Hg beobachtet 2). In den bislang durchgeführten Untersuchungen zur RDN mit verschiedenen Kathetern wurden, so Prof. Schmieder, "durchwegs systolische Blutdrucksenkungen im Bereich zwischen 15 und 25 mm Hg erreicht. Die Drei-Jahres-Ergebnisse der nicht randomisierten HTN-1 Studie zeigen, dass diese Erfolge über längere Zeit stabil bleiben." 3)

Empfehlungen der Europäischen Blutdruckgesellschaft aus dem Jahr 2013 gelten unverändert.

Daher habe Symplicity HTN-3 keinen wesentlichen Erkenntnisgewinn gebracht, sagt Prof. Schmieder: "Im Prinzip stehen wir jetzt wieder dort, wo wir vor der Studie standen. Es gelten nach wie vor die Empfehlungen der Europäischen Blutdruckgesellschaft ESH aus dem Jahr 2013, die vorsehen, dass "im Falle der Unwirksamkeit der medikamentösen Behandlung" invasive Verfahren in Betracht gezogen werden können.

1) Bhatt DL et al. A controlled trial of renal denervation for resistant hypertension. N Engl J Med. 2014 Apr 10; 370(15):1393-401

2) Esler MD et al. Renal sympathetic denervation in patients with treatment-resistant hypertension (The Symplicity HTN-2 Trial): a randomised controlled trial. Lancet. 2010; 376: 1903-9

3) Krum H. et al. Catheter-based renal sympathetic denervation for resistant hypertension: a multicentre safety and proof-of-principle cohort study. Lancet. 2009; 373: 1275-81

Raute

Informationen:
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie
Pressesprecher: Prof. Dr. Eckart Fleck (Berlin)
presse@dgk.org

B&K Kommunikation
Roland Bettschart, Dr. Birgit Kofler, Berlin/Wien
kofler@bkkommunikation.com


Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit über 8500 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste und größte kardiologische Gesellschaft in Europa. Weitere Informationen unter
www.dgk.org

Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.dgk.org/presse
http://www.ht2014.dgk.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution737

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Prof. Dr. Eckart Fleck, 09.10.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Oktober 2014