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INFEKTION/1377: Forschung - Multiresistenter Tuberkulosestamm wird im Schnelltest nicht erkannt (idw)


Deutsches Zentrum für Infektionsforschung - 23.03.2015

Multiresistenter Tuberkulosestamm wird im Schnelltest nicht erkannt


Mehr als ein Viertel der multiresistenten (MDR) Tuberkulosestämme, die im Rahmen einer nationalen Studie in Swasiland isoliert wurden, können durch die aktuell verwendeten molekularbiologischen Tests nicht erkannt werden. Grund dafür ist eine bestimmte resistenzvermittelnde Mutation des Erregerstammes, wie Ärzte ohne Grenzen und Wissenschaftler vom Forschungszentrum Borstel und vom Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) in der aktuellen Ausgabe des New England Journals of Medicine aufzeigen konnten.

Molekulardiagnostische Schnelltests, wie der von der WHO empfohlene Xpert MTB/RIF Test, gehören zu den wichtigsten Instrumenten bei der Identifizierung und Kontrolle von MDR-Tuberkuloseinfektionen in Swasiland - dem Land mit den höchsten Tuberkuloseraten weltweit.

"Dank der modernen Gentests können wir schnell herausfinden, ob ein Patient mit einem multiresistenten Mycobacterium tuberculosis-Stamm infiziert ist und umgehend eine individuelle Behandlung beginnen und so die Überlebenschance des Patienten deutlich erhöhen," so Alex Telnov, HIV/TB-Referent bei Ärzte ohne Grenzen. "Diese diagnostischen Tests sind unsere erste Waffe im Kampf gegen die multiresistente Tuberkulose. Zu erfahren, dass diese Tests nicht in allen Fällen greifen, bedeutet, dass wir diesen Ansatz dringend überarbeiten müssen."

Epicentre, ein angegliedertes Forschungszentrum von Ärzte ohne Grenzen hat nun, gemeinsam mit dem Forschungszentrum Borstel und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF), Tuberkulosestämme aus den Jahren 2009-2010 analysiert, die im Rahmen einer nationalen Antibiotikaresistenz-Studie in Swasiland gesammelt wurden. Eine genetische Analyse zeigte, dass 30 Prozent der 125 MDR-Stämme eine spezifische Mutation aufweisen, die zuvor nur in einzelnen Stämmen aus Hongkong und Australien festgestellt wurde. Diese Mutation führt dazu, dass eines der wichtigsten Antibiotika (Rifampicin) bei der Tuberkulosebehandlung nicht mehr wirksam ist. Viel schwerwiegender ist jedoch, dass Tuberkulosestämme mit dieser Variante nicht durch den Schnelltest Xpert MTB/RIF erkannt werden, der in Swasiland von der WHO als Standardtest für den Nachweis einer multiresistenten Tuberkulose empfohlen wurde.

"Der hohe Anteil dieser Stammvariante stellt ein großes Risiko für die öffentliche Gesundheit dar und darf nicht ignoriert werden" so Prof. Stefan Niemann vom Forschungszentrum Borstel und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung "Das Risiko ist groß, dass sich diese Tuberkulosestämme durch unwirksame Antibiotikatherapien unerkannt auch über nationale Grenzen hinweg ausbreiten".

Die Ergebnisse dieser Untersuchung sind besonders problematisch für ein Land, in dem 26 Prozent der Erwachsenen mit HIV infiziert sind und 80 Prozent der Tuberkulose-Patienten eine Koinfektion mit HIV aufweisen. Besonders alarmierend ist die Tatsache, dass die Patienten, die eine Koinfektion mit HIV hatten, häufiger mit MDR-TB infiziert waren als HIV-negative Patienten.

Aufgrund dieser Ergebnisse empfiehlt Ärzte ohne Grenzen, dass alle Patientenisolate in Swasiland, die positiv auf Tuberkulosebakterien getestet wurden, einer zusätzlichen Resistenzdiagnose unterzogen werden. Zudem ist es wichtig, ähnliche Studien in den Nachbarländern Südafrika und Mozambique durchzuführen, um die aktuelle Ausbreitung dieses multiresistenten und schwer zu detektierenden Keims nachzuvollziehen. "Sollte dies der Fall sein, ist es unerlässlich, dass der Schnelltest in der jetzigen Form anpasst werden muss", sagt die Erstautorin der Studie Elisabeth Sanchez.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMc1413930
Publikation

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution1833

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsches Zentrum für Infektionsforschung, Karola Neubert, 23.03.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 25. März 2015

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