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INFEKTION/1392: Forschung - Woher wissen Zellen, dass sie mit Viren infiziert sind? (idw)


Universitätsklinikum Heidelberg - 06.05.2015

Woher wissen Zellen, dass sie mit Viren infiziert sind?


Ein neues Schwerpunktprogramm der Deutschen Forschungsgemeinschaft wird vom Universitätsklinikum Heidelberg aus koordiniert / Heidelberger Virologe Professor Dr. Oliver T. Fackler setzte sich mit seinem Projektvorschlag zur angeborenen Immunität unter 86 Mitbewerbern durch / Sechs Millionen Euro Fördergelder für die Dauer von zunächst drei Jahren


Wie reagieren Zellen auf die Infektion mit einem Virus wie beispielsweise HIV? Woran erkennen sie den Eindringling und welche Abwehrmechanismen setzen sie in Gang? Wie schützen sich alarmierte Zellen in ihrer Umgebung? Diese frühen, angeborenen Abwehrreaktionen des Körpers wird ab kommendem Jahr ein Konsortium von Wissenschaftlern aus ganz Deutschland unter Heidelberger Federführung fächerübergreifend erforschen: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat einen entsprechenden Antrag des Heidelberger Virologen Professor Dr. Oliver T. Fackler bewilligt. Sie fördert das umfassende Forschungsvorhaben im Rahmen ihres Schwerpunktprogramms zunächst drei Jahre lang mit sechs Millionen Euro. Insgesamt gehen deutschlandweit 18 neue Schwerpunktprogramme der DFG zu besonders aktuellen oder sich gerade bildenden Forschungsgebieten an den Start; die Themen wurden aus 87 eingereichten Konzepten ausgewählt. Noch in diesem Jahr können sich Forschergruppen mit entsprechender Spezialisierung und Expertise um eine Teilnahme an dem Konsortium bewerben.

Bei einer Vireninfektion haben sich im Körper verschiedene Abwehrstrategien entwickelt: Bemerken befallene Zellen die eingedrungenen Viren, produzieren sie bestimmte Botenstoffe. Diese dämmen in den bereits infizierten, insbesondere aber auch in bislang nicht befallenen Zellen im umliegenden Gewebe und dem Blut, die Vermehrung und Ausbreitung der Viren ein. Dieser Mechanismus der Erkennung von Infektionserregern ist gegen eine große Bandreite verschiedener Viren aktiv und wird als angeborene Immunantwort bezeichnet. Etwas später setzt dann die gezielte Immunantwort ein: Andere Immunzellen bilden sogenannte Antikörper, Proteine, die passgenau und ausschließlich an den aktuellen Erreger binden und ihn so außer Gefecht setzen. Oder sie entwickeln die Fähigkeit, infizierte Zellen zu erkennen und zu zerstören. So verhindern sie effektiv eine weitere Ausbreitung der Erreger. Kommt es später wieder zu einer Infektion mit diesem Virus, erinnert sich das Immunsystem und kann dann schneller als beim Erstkontakt die passenden Antikörper liefern.

Über Mechanismen der angeborenen Immunität gegen Retroviren noch wenig bekannt

Mit der angeborenen Immunität steht gewissermaßen die erste Verteidigungslinie des Körpers im Fokus des neuen DFG-Schwerpunktprogrammes. Bereits zu diesem Zeitpunkt kann es sich entscheiden, ob das Immunsystem die Infektion unter Kontrolle bringen kann oder nicht, was z.B. bei einer Ansteckung mit dem Humanen Immundefizienz- bzw. HI-Virus der Fall ist. "Während über die Mechanismen der angeborenen Immunität für viele humanpathogene Viren wie Influenza-Virus oder Hepatitis C-Virus schon viel bekannt ist, steht die Erforschung der entsprechenden Vorgänge für Retroviren wie HIV noch ganz am Anfang. Denn erst vor kurzem ist es gelungen, für Retroviren geeignete Zellkulturen und Tiermodelle zu entwickeln, um diese Mechanismen und ihre einzelnen Signalketten im Detail zu untersuchen", sagt Professor Fackler, Leiter der Sektion Integrative Virologie am Zentrum für Infektiologie und Koordinator des neuen Konsortiums. "Es gibt in Deutschland sehr gut aufgestellte Labore und große Expertise in den Bereichen Immunologie und Retrovirologie. Nun gilt es, das vorhandene Fachwissen und Knowhow zusammenzubringen und gemeinsam dieses neue Forschungsgebiet der angeborenen Immunität bei Retroviren zu erschließen."

Die Wissenschaftler werden sich bei ihren Arbeiten auf die Untergruppe der Retroviren mit ihrem prominentesten Vertreter HIV konzentrieren. Speziell das HI-Virus hat zahlreiche Gegenmaßnahmen entwickelt, die gezielte körpereigene Abwehr auf allen Ebenen zu blockieren. Mit der Zeit legt HIV das Immunsystem vollständig lahm, schließlich kommt es zur AIDS-Erkrankung mit verschiedenen Folgeinfektionen. Die erste, angeborene Virenabwehr läuft aber anscheinend planmäßig an: Der Beginn der Infektion geht mit akuten Symptomen wie Abgeschlagenheit einher, die denen einer Erkältung ähneln. "Das ist die Wirkung verschiedener Botenstoffe wie Interferon, mit denen befallene Zellen das Immunsystem alarmieren. Sie sind also anfangs in der Lage, die Viren zu erkennen", so Fackler. "Allerdings scheint diese angeborene Immunreaktion uns nicht vor der Infektion zu schützen, so dass wir auch hier vermuten, dass HIV über Mechanismen verfügt, die Antwort zu entschärfen. Im Hinblick auf zukünftige Therapien und Impfungen ist es daher entscheidend, diese Abläufe und die Gegenmaßnahmen der Viren genauer unter die Lupe zu nehmen."

Die Schwerpunktprogramme der DFG decken Geistes- und Sozialwissenschaften, Lebenswissenschaften und Naturwissenschaften sowie Ingenieurwissenschaften gleichermaßen ab. Für die 18 neuen Programme stellt die DFG in einer ersten Förderperiode in den kommenden drei Jahren rund 105 Millionen Euro zur Verfügung. Derzeit werden insgesamt 91 Schwerpunktprogramme gefördert.


Kontakt:
Professor Dr. Oliver T. Fackler
Leiter der Sektion Integrative Virologie
Zentrum für Infektiologie
(Sprecher: Professor Dr. Hans-Georg Kräusslich)
E-Mail: oliver.fackler@med.uni-heidelberg.de


Weitere Informationen finden Sie unter

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/UEberblick.1208.0.html
Zentrum für Infektiologie

http://www.klinikum.uni-heidelberg.de/Fackler.6555.0.html
Arbeitsgruppe Fackler

http://www.dfg.de/foerderung/programme/koordinierte_programme/schwerpunktprogramme/index.html
Schwerpunktprogramm der DFG

http://www.dfg.de/service/presse/pressemitteilungen/2015/pressemitteilung_nr_10/index.html
Pressemitteilung der DFG zu neuen Schwerpunktprogrammen

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution665

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universitätsklinikum Heidelberg, Julia Bird, 06.05.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Mai 2015

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