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LUNGE/044: Schweres Lungenemphysem - chirurgische und bronchoskopische Verfahren (IQWiG)


Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) - 07.04.2017

Lungenvolumenreduktion bei schwerem Lungenemphysem: Abschlussbericht publiziert

Aussagen zum Vergleich chirurgischer mit bronchoskopischen Verfahren noch nicht möglich


Bei einem Lungenemphysem ist Lungengewebe dauerhaft erweitert oder zerstört, was zu einer Überblähung der Lunge führt. Die Betroffenen leiden vor allem unter Atemnot, in schweren Fällen auch in Ruhe. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) hat geprüft, welche Vor- und Nachteile chirurgische und bronchoskopische Verfahren haben, mittels derer das Lungenvolumen reduziert werden kann.

Der Abschlussbericht liegt nun vor. Demnach zeigen die verfügbaren Studiendaten für chirurgische und für einzelne bronchoskopische Verfahren sowohl Vor- als auch Nachteile im Vergleich zur alleinigen Standardtherapie. So können einige Interventionen die körperliche Belastbarkeit oder die Lebensqualität erhöhen. Es gibt aber auch negative Effekte: Bei den chirurgischen Verfahren ist das eine zumindest kurzfristig höhere Sterblichkeit, bei den bronchoskopischen treten teils vermehrt Exazerbationen und Pneumothoraxe auf. Ein Vergleich von chirurgischen mit bronchoskopischen Verfahren ist mangels Studien derzeit nicht möglich. Eine laufende Studie lässt aber Erkenntnisse hierzu erwarten.

Rauchen ist Hauptursache

Ein Lungenemphysem ist eine fortschreitende Erkrankung, die behandelbar, aber nicht heilbar ist. Denn bestimmte Teile des Lungengewebes sind irreversibel geschädigt. Ursache ist zumeist jahrelanges Rauchen. Im fortgeschrittenen Stadium sind die Patientinnen und Patienten infolge der Atemnot körperlich wenig belastbar, ihre Lebensqualität ist deutlich verringert und auch ihre Lebenserwartung vermindert.

Den Betroffenen, meist Patientinnen und Patienten mit einer chronisch-obstruktiven Lungenerkrankung (COPD), wird empfohlen, auf das Rauchen zu verzichten. Um die Symptome zu lindern und akute Verschlechterungen (Exazerbationen) zu vermindern werden vor allem Arzneimittel wie Bronchodilatatoren und Glukokortikoide (Kortison) eingesetzt. Es gibt aber auch nichtmedikamentöse Therapieansätze wie etwa körperliches Training oder Atemphysiotherapie.

Chirurgische Verfahren seit 90er Jahren im Einsatz

Sind alle diese Therapieoptionen ausgeschöpft, gibt es die Möglichkeit, das veränderte Lungengewebe zu entfernen und das Lungenvolumen zu reduzieren. Dies kann durch einen chirurgischen Eingriff oder durch ein bronchoskopisches Verfahren geschehen. Auf diese Weise will man mehr Platz für die weniger betroffenen Lungenteile schaffen und die Atemmuskulatur entlasten, was die Lungenfunktion verbessern und die Atemnot lindern soll.

Im Unterschied zu den chirurgischen Verfahren, die bereits seit Mitte der 90er Jahre eingesetzt werden, wurden die bronchoskopischen Verfahren erst in den letzten Jahren entwickelt und gelten als weniger invasiv. Ihr Spektrum ist breit: Zum Einsatz kommen hier u. a. Ventile, Spiralen oder Polymerschaum.

Bei chirurgischen Verfahren eine Studie mit über 1200 Teilnehmern

Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hatte das IQWiG beauftragt, Nutzen und Schaden von Verfahren der Lungenvolumenreduktion (LVR) sowohl im Vergleich zu einer herkömmlichen Behandlung als auch im Vergleich zu anderen LVR-Verfahren zu bewerten.

Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler feststellten, ist die Studienlage bei den chirurgischen Verfahren mit insgesamt elf Studien relativ gut. Dabei gibt es eine randomisierte kontrollierte Studie mit 1218 Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die die chirurgische LVR ergänzend zur konservativen Therapie mit einer konservativen Therapie allein verglich und bei der die Nachbeobachtungszeit bis zu sechseinhalb Jahre betrug.

Sterblichkeit: Mittelfristiger Vorteil, aber kurzfristiger Nachteil

Was die Gesamtsterblichkeit betrifft, zeigen die Studienergebnisse ein sehr gemischtes Bild: Betrachtet man die Daten fünf Jahre nach dem Eingriff, zeigt sich ein Hinweis auf einen Nutzen der chirurgischen LVR. Im ersten Jahr nach der OP ist die Sterblichkeit dagegen deutlich höher als bei den konventionell behandelten Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Hier lässt sich ein Beleg für einen Schaden der chirurgischen LVR ableiten.

Zugunsten der chirurgischen Verfahren fielen die Ergebnisse zudem bei der körperlichen Belastbarkeit und der gesundheitsbezogenen Lebensqualität sowie bei der Atemnot und den Exazerbationen aus.

Bei bronchoskopischen LVR neue Studien einbezogen

Bei den bronchoskopischen Verfahren konnte das IQWiG insgesamt 15 Studien in den Abschlussbericht einbeziehen, beim Vorbericht waren es lediglich neun gewesen. Allerdings lieferten auch die neuen Studien jeweils nur Ergebnisse zu relativ kurzen Zeiträumen (drei Monate bis ein Jahr). Zudem gibt es für mehrere Verfahren jeweils nur eine Studie. Insofern ist die Studienlage weiterhin weniger gut als bei den chirurgischen Interventionen.

Für keine der Verfahren zur bronchoskopischen LVR zeigten die Studien einen Unterschied bei der Sterblichkeit im Vergleich zur alleinigen Standardtherapie. Durch das Einführen des Endoskops entsteht in den Bronchien kurzfristig ein starker Reiz, was sich in den Studien in häufigeren Nebenwirkungen wie vermehrte Exazerbationen sowie Infektionen und Verletzungen des Lungengewebes (Pneumothorax) niederschlägt.

Vorteil bei Atemnot und körperlicher Belastbarkeit

Diesem Nachteil stehen aber auch Vorteile gegenüber. So konnten insbesondere bronchoskopische Verfahren, bei denen Spiralen oder Ventile eingesetzt wurden, die körperliche Belastbarkeit und die gesundheitsbezogene Lebensqualität erhöhen. Wurden Spiralen angewendet, zeigten die Daten zudem einen Vorteil durch geringere COPD-Symptome, v. a. Atemnot.

Bei Verfahren, die mit Polymerschaum, sogenannten Airway-Bypass-Stents oder thermischer Dampfablation arbeiten, war jeweils nur eine Studie verfügbar. Deren Daten zeigten keinen belastbaren Vorteil dieser Verfahren.

Chirurgie versus Bronchoskopie: Studienergebnisse für 2019 erwartet

Den G-BA hatte bei der Vergabe des Auftrags insbesondere interessiert, wie die älteren chirurgischen gegenüber den neueren bronchoskopischen LVR-Verfahren abschneiden. Doch eben diese Frage lässt sich nicht beantworten, weil es keine vergleichenden Studien gibt.

Unklar bleibt auch, für welche Patientinnen und Patienten welche Interventionen besonders geeignet sind. Hierfür fehlen bislang u. a. einheitliche Definitionen der unterschiedlichen Emphysemtypen und valide Ergebnisse zu den jeweiligen Subgruppen.

Allerdings läuft derzeit eine Studie, die die chirurgische und die bronchoskopische LVR mit Ventilen direkt vergleicht und die für 2019 erste Ergebnisse erwarten lässt. Auch zu einzelnen LVR-Verfahren - insbesondere mit Ventilen - laufen mehrere Studien, sodass sich die Datenlage in den kommenden Jahren weiter verbessern könnte.

Ventile werden meist nur auf einer Lungenseite eingesetzt

Aus den Fragestellungen der aktuellen Studien ziehen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zudem den Schluss, dass die bronchoskopischen Verfahren mit Ventilen inzwischen fast ausschließlich einseitig (unilateral) angewendet werden.

• Zum Ablauf der Berichtserstellung
Die vorläufigen Ergebnisse, den sogenannten Vorbericht, hatte das IQWiG im Juli 2016 veröffentlicht und zur Diskussion gestellt. Nach dem Ende des Stellungnahmeverfahrens wurde der Vorbericht überarbeitet und als Abschlussbericht im Februar 2017 an den Auftraggeber versandt. Die eingereichten schriftlichen Stellungnahmen werden in einem eigenen Dokument zeitgleich mit dem Abschlussbericht publiziert. Der Bericht wurde gemeinsam mit externen Sachverständigen erstellt.


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.iqwig.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution906

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG)
Dr. Anna-Sabine Ernst, 07.04.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. April 2017

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