Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → KRANKHEIT


ARTIKEL/089: 20. Welt-Hämophilietag am 17. April - Leben so normal wie möglich (idw)


Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf - 16.04.2009

20. Welt-Hämophilietag am 17. April

Leben so normal wie möglich


Der 17. April ist für den Weltverband der Hämophilie-Patienten (World Federation of Hemophilia, WFH) seit 20 Jahren ein fester Termin: Die Organisation begeht den Welt-Hämophilietag, um wie in jedem Jahr an diesem Tag die Öffentlichkeit über die vererbte Bluter-Erkrankung und ihre modernen Behandlungsmöglichkeiten zu informieren. Hierzu veranstalten die Hämophilie-Behandlungszentren zahlreiche Aktionen. In diesem Jahr steht der Welt-Hämophilietag unter dem internationalen Motto "Together, we care".

Das Motto bringt die gemeinsamen Anstrengungen zur Behandlung und Betreuung der Hämophilie-Patienten durch Fachärzte und speziell ausgebildete Assistentinnen in den Hämophilie-Zentren ebenso wie die Unterstützung durch die WFH zum Ausdruck. Gemeinsame Ziele sind die genaue Diagnose der Erkrankung, ihre zügige und effektive Therapie sowie die kontinuierliche Betreuung einschließlich der psychosozialen Beratung. Dieses Behandlungs- und Betreuungspaket trägt entscheidend dazu bei, dass die betroffenen Patienten ein weitgehend normales Leben führen können. Zugleich hilft es, Blutungskomplikationen zu vermeiden und, ebenso wichtig, deren Spätfolgen vorzubeugen.

Im Folgenden Prof. Dr. Rüdiger Scharf, Direktor des Instituts für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin, zum Thema Hämophilie und zur Beratung und Betreuung an speziellen Zentren:

Intensive Beratung und Betreuung an speziellen Zentren In Deutschland leiden rund 10.000 Menschen an der Bluterkrankheit, in der Fachsprache Hämophilie genannt. In allen Bundesländern stehen spezielle Behandlungszentren zur Verfügung, die den Bluter-Patienten nicht nur optimale medizinische Versorgung bieten, sondern auch die Familienangehörigen, vor allem die Eltern der betroffenen Kinder mitbetreuen und beraten. "Im Hämophilie-Zentrum des Universitätsklinikums Düsseldorf befasst sich ein spezialisiertes Team aus sechs Ärzten und sechs besonders ausgebildeten Schwestern mit der Behandlung und Betreuung unserer 480 Bluter-Patienten", erklärt Prof. Rüdiger Scharf, Direktor des Hämophilie-Zentrums Düsseldorf. Erreichbarkeit ("Standby")der Ärzte rund um die Uhr, 24-stündiger Service im spezialisierten Gerinnungslabor, Notfalldepot mit allen erforderlichen Medikamenten und Blutprodukten, die zur Therapie eingesetzt werden, sind nur einige Merkmale des Düsseldorfer Hämophilie-Zentrums, das vom Institut für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin und der Kinderklinik gebildet wird. Das Hämophilie-Zentrum am Universitätsklinikum ist ein Hemophilia Comprehensive Care Center. "Hierunter versteht man ein Zentrum, das dem Bluter-Patienten und seinen Familienangehörigen eine umfassende und integrative Versorgung bietet", erläutert Prof. Scharf. Ein Kennzeichen ist die Behandlung in enger Kooperation mit anderen Fachdisziplinen. Was heißt das praktisch? Hierzu Prof. Scharf: "Wir koordinieren die gesamte Betreuung der Hämophilie-Patienten. Mit Ärzten anderer Disziplinen haben wir ein Netzwerk zur fächerübergreifenden Diagnostik und Therapie aufgebaut. Dieses Netzwerk gewährleistet hohe Kompetenz, umfassende Erfahrung und praktische Lebenshilfe für die Betroffenen. Unsere Patienten werden also interdisziplinär versorgt. Hierzu haben wir im Hämophilie-Zentrum Spezialsprechstunden eingerichtet: Der hinzugezogene Spezialist kommt zum Bluter-Patienten - nicht umgekehrt! Das erspart dem Patienten Zeit und Wege, gewährleistet direkten Informationsaustausch und kennzeichnet die integrative Versorgung". Das Behandlungsteam im H ämophilie-Zentrum kümmert sich also umfassend um alle medizinischen und psychosozialen Belange des Bluter-Patienten und seiner Familie entsprechend der Arbeitsdevise "Comprehensive care is total care".


Hämophilie: Was ist das überhaupt?

Bei Patienten, die an einer Hämophilie leiden, ist ein bestimmter Gerinnungsfaktor im Blut auf Grund einer angeborenen Störung drastisch vermindert oder nicht funktionstüchtig. Je nachdem, welcher Gerinnungsfaktor betroffen ist, unterscheidet man zwischen einer Hämophilie A (Gerinnungsfaktor VIII) und einer Hämophilie B (Gerinnungsfaktor IX). Neben der Hämophilie gibt es weitere angeborene Blutungsleiden wie das häufige von-Willebrand-Syndrom oder seltene Mangelzustände anderer Gerinnungsfaktoren. Ursache der Bluterkrankheit ist eine genetische Störung, also ein "Programmfehler" in der Erbsubstanz. Die Folge: Das Blut gerinnt nur verzögert oder unvollständig. Bereits banale Verletzungen können zu einer schwerwiegenden, nicht ohne weiteres stillbaren Blutung führen. Bei Patienten mit Hämophilie A oder B treten unbehandelt spontane Blutungen in Gelenke (Knie, Ellenbogen, Sprunggelenk), Muskeln und Weichteile oder innere Organe auf. Dies kann zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen. Von der Bluterkrankheit betroffen ist typischerweise das männliche Geschlecht. Frauen, die das veränderte Gen tragen und an ihre Kinder weitervererben können, werden als Konduktorinnen bezeichnet. Bei gut eingestellter Behandlung können die Betroffenen ein weitgehend normales Leben führen. In der westlichen Welt haben die Hämophilie-Patienten eine gleich hohe Lebenserwartung wie Gesunde. Hingegen liegt die Lebenserwartung von Bluter-Patienten in Ländern der Dritten Welt nur bei etwa 20 Jahren. Zur Behandlung der Hämophilie wird der im Blut fehlende oder defekte Gerinnungsfaktor ersetzt (Substitution). Hierzu muss ein Gerinnungsfaktor-Konzentrat in die Vene injiziert werden. Je nach Schweregrad und Verlauf der Erkrankung erfolgt die Verabreichung auf Bedarf ("on-demand") oder regelmäßig (prophylaktische Therapie).


Heim-Selbsttherapie der Bluter statt langwieriger Krankenhausaufenthalte

Eine besondere Form der Therapie stellt die Heim-Selbstbehandlung, genauer gesagt, die ärztlich kontrollierte Selbstbehandlung der H ämophilie-Patienten dar. Hierbei verabreicht sich der Patient nach entsprechender Anleitung und ärztlichen Dosierungsvorgaben selbständig 2- bis 3-mal pro Woche das verordnete Gerinnungsfaktor-Konzentrat. Auch diese Art der Therapie erfolgt immer in enger Zusammenarbeit mit dem Hämophilie-Zentrum. Die Heim-Selbstbehandlung trägt entscheidend dazu bei, dass der Bluterpatient in seinem familiären, schulischen oder beruflichen Umfeld integriert bleibt und ein normales Leben führen kann. "Unsere Aufgabe ist es auch, die Eltern betroffener Kinder zu schulen, zu begleiten und zu beraten, um dann später die Kinder und Jugendlichen so anzuleiten, dass sie ihr Blutungsleiden stets optimal unter Kontrolle haben. Das ist das A und O, damit die Betroffenen ein möglichst unbeschwertes Leben ohne Blutungskomplikationen haben", erläutert Prof. Scharf.


Leben mit der Blutungsneigung

Neben lebenslanger, regelmäßiger Substitution des Gerinnungsfaktor-Konzentrats benötigen Hämophilie-Patienten eine orthopädische und krankengymnastische Betreuung. Durch physiotherapeutische Maßnahmen werden bestimmte Muskelgruppen gezielt aufgebaut und Gelenkbewegungen stabilisiert. Damit kann Spontanblutungen vorgebeugt werden. "Bei H ämophilie-Patienten, vor allem Kindern und Jugendlichen, ist die körperliche Fitness wichtig. Hierzu bieten wir inzwischen auch sportmedizinische Beratungen mit einem eigens für Hämophilie-Patienten entwickelten Trainings-Programm an. Ziel dieses Programms ist, jugendliche Bluter-Patienten so anzuleiten, dass sie wie ihre gesunden Altersgenossen Sport treiben können. Das fördert das Selbstvertrauen, trägt zur psychosozialen Integration bei und erhöht die Lebensqualität der Patienten", so Prof. Scharf.


"Together, we care"

Nur eine gut eingestellte Therapie mit lebenslanger Betreuung kann dem Hämophilie-Kranken ein weitgehend normales Leben ermöglichen. Dafür setzt sich der Weltverband der Hämophilie-Patienten ein. "Wir möchten Hämophilie-Patienten darüber aufklären, welche Behandlungs- und Betreuungskonzepte es gibt und wie viel Lebensqualität mit einer adäquaten Therapie erreicht werden kann", betont Claudia Black, Geschäftsführerin des Weltverbandes der Hämophiliepatienten (WFH). Die WFH unterstützt deshalb Patientenorganisationen, Therapiezentren und Interessierte in der ganzen Welt mit Aktionen und Informationsbroschüren über den aktuellen Stand der Forschung. In der Hämophilieforschung bildet beispielsweise die Behandlung erwachsener Hämophiler einen Schwerpunkt. Dabei steht die Vermeidung von Komplikationen und Spätfolgen der Erkrankung im Vordergrund. Dank moderner Behandlungskonzepte konnte die Lebenserwartung von Bluterkranken in den westlichen Industrienationen auf das Niveau gesunder Menschen angehoben werden. Auch Bayer Healthcare unterstützt die WFH anlässlich des Welt-Hämophilietages. Mit einer 250.000 Euro-Spende will das Unternehmen helfen, die Behandlung der Betroffenen weltweit zu verbessern.


Über die World Federation of Hemophilia (WFH)

Die World Federation of Hemophilia (WFH) ist der Weltverband der H ämophilie-Patienten und zugleich Initiator des Welt-Hämophilietages. Das globale Netzwerk von Patientenorganisationen wurde 1963 gegründet und ist mittlerweile in über 100 Ländern vertreten. In Zusammenarbeit mit Regierungen, Industrie, Verbänden und Ärzten setzt sich die WFH in zahlreichen Projekten für die Belange der Betroffenen ein.


Ihre Ansprechpartner:
Hämophilie-Zentrum Düsseldorf
Institut für Hämostaseologie und Transfusionsmedizin
Gebäude 12.49
Direktor: Prof. Dr. med. Rüdiger E. Scharf, F.A.H.A.

Universitätsklinikum Düsseldorf
Heinrich-Heine-Universität
Moorenstr. 5, D-40225 Düsseldorf
Internet: www.ihtm.de

• Sprechzeiten des Hämophilie-Zentrums Düsseldorf:
Mo - Do: 8-13 Uhr und 14-16.30 Uhr
Freitags: 8-13 Uhr und 14-15 Uhr


Weitere Informationen finden Sie unter:
http://www.uniklinik-duesseldorf.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution223

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Susanne Dopheide, 16.04.2009
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. April 2009

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang