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DEPRESSION/077: Hilfe bei "Baby-Blues" nach der Geburt (Stadt Herten)


Stadt Herten - Pressemitteilung von Donnerstag, 16. April 2009

Wenn Mama ihr Baby nicht lieben kann...

Dr. Luc Turmes und sein Team holen Mütter aus der Depression


Herten. Jeden Tag geben Hochglanz-Anzeigen und weiche Werbespots Deutschlands Müttern vor, wie sie zu funktionieren haben. Familie wird zum Unternehmen, ein Grauschleier auf weißer Wäsche macht Frau zur Rabenmutter. Doch was geschieht, wenn Mütter diesem Bild nicht gerecht werden können? Überforderung, das Gefühl, sein eigenes Kind nicht lieben zu können - 80.000 Frauen erkranken in Deutschland jährlich an postpartaler Depression. Hilfe finden Betroffene in der LWL-Klinik in Herten.

Die Geburt des eigenen Kindes sollte zu den schönsten Momenten im Leben gehören. Die meisten Mütter kennen jedoch den "Baby-Blues" nach der Geburt. Unkontrolliertes Weinen, Hilflosigkeit - postpartale Depression ist weit mehr als ein paar tränenreiche Tage. Zehn bis 20 Prozent aller Mütter erkranken an dieser schweren Form der Depression. 0,2 Prozent sogar an Puerperalpsychose, die von schweren Angst-, Erregungs- und Verwirrtheitszuständen begleitet wird. Die Welt, die eigentlich rosarot sein sollte, ist grau. Das Baby wird als fremd empfunden. Oft ist eine gestörte Mutter-Kind-Bindung die Folge. Es gibt sogar Fälle, in denen die Mutter sich selbst und oder ihr Baby tötet.

Dr. Luc Turmes ist Gründer der Mutter-Kind-Einheit in der LWL-Klinik Herten. Seit 2003 hilft er in Herten mit seinem Team Müttern aus der Depression. Er begrüßt Bürgermeister Dr. Uli Paetzel und Waltraud Lehn, MdB und engagierte Gesundheits- und Sozialpolitikerin in Berlin, in den hellen Räumen der Einrichtung. Im Gang stehende Kinderwagen, Spiel- und Kuschelecken - es herrscht eher gemütliche WG- als Klinik-Atmosphäre. Acht Plätze zur stationären Therapie und zwei tagesklinische Behandlungsplätze stehen erkrankten Frauen zur Verfügung.

Doch hier werden nicht nur die Symptome behandelt. Ein Team aus Psychologinnen, Kinderkrankenschwestern und Therapeuten führt die Frauen vielmehr an die Mutterrolle heran. Die Einheit ist einzigartig in NRW. Dr. Luc Turmes macht klar, was das Besondere ist: "Wir behandeln die Mütter gemeinsam mit ihrem Baby. Das führt in 90 Prozent zu einer stabilen und tragfähigen Mutter-Säugling-Beziehung nach der Entlassung."

Im Vergleich ist nur bei knapp 40 Prozent der Patientinnen, die ohne ihr Kind behandelt werden, die Mutter-Kind-Beziehung intakt und belastbar.

Ein stationärer Aufenthalt in der Klinik dauert durchschnittlich sechs bis acht Wochen. Danach kann sich eine zweiwöchige tagesklinische Behandlungsphase anschließen. Die gemeinsame Behandlung von Mutter und Kind ist zwar äußerst erfolgreich, doch der finanzielle Aufwand für die Klinik ist enorm. "Die Krankenkassen bezahlen nur für die Frauen, denn nur die gelten als krank. Doch wir versorgen die Säuglinge mit und kümmern uns um die häufig gestörte Mutter-Säugling-Bindung." Das sei auch extrem wichtig, denn Säuglinge depressiver Mütter neigen infolge der gestörten Beziehung zu ihrer Mutter selbst zu depressivem Verhalten. Durch das erkrankungsbedingte fehlende Echo der Mutter ziehen sie sich zurück, weinen viel seltener, lachen jedoch auch nicht mehr.

Betroffene Mütter werden in der Hertener Einrichtung langsam an ihre Kinder gewöhnt. Waschen, wickeln oder füttern - diese Abläufe fallen den Müttern erkrankungsbedingt schwer und überfordern sie. "Die Therapie wird auf jede Frau speziell abgestimmt", erklärt Dr. Turmes, "Das Ziel ist jedoch immer das gleiche: Jungen Frauen klar machen, dass Muttersein viel mehr bedeutet als die stilisierten Hochglanzbilder der Werbung."

Der Weg zur Genesung ist ein langer Prozess. Verständnis für ihre Erkrankung erfahren die Mütter nur selten. Auch die Väter sind mit dem Leiden der Frauen völlig überfordert. Geben sich oftmals selbst die Schuld. Auch sie werden in die Therapie mit einbezogen, jedoch erst nach einigen Wochen.

Trotz aller Erfolge, es bleibt die finanzielle Belastung. Die Personalkosten der Mutter-Kind-Behandlung sind deutlich höher als wie bei der alleinigen Behandlung der psychisch erkrankten Mutter. Eine Lücke, die geschlossen werden muss, wenn weiterhin Mutter und Kind gemeinsam behandelt werden sollen.

Hier hilft seit 2000 der Verein "Bei aller Liebe". Die Vereinsmitglieder unterstützen die psychiatrisch-psychotherapeutischen Mutter-Kind-Behandlung im Ruhrgebiet. "Der Verein hat wirklich viel bewegt und ohne das Engagement wäre die Mutter-Kind-Einrichtung nicht tragbar", ist Uli Paetzel sicher. "Wer sich mit dem Leidensweg der Mütter beschäftigt, mit diesen scheinbar ausweglosen und nicht selbstverschuldeten Situationen, demjenigen muss deutlich werden, welch unverzichtbarer Dienst hier geleistet wird." Auf verschiedene Weise kann der Verein "Bei aller Liebe" unterstützt werden. Unter www.beiallerliebe-verein.de finden Interessierte hierzu Informationen.


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Quelle:
Pressemitteilung von Donnerstag, 16. April 2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. April 2009