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DIABETES/1451: Fragen und Antworten - "Diabetes geht an die Nerven" (diabetesDE)


diabetesDE - 9. März 2011

Chat-Protokoll zum Thema
Diabetes geht an die Nerven - das diabetische Fußsystem richtig behandeln

Auszüge aus dem diabetesDE-Experten-Chat vom 3. März 2011
mit dem Experten: Privatdozent Dr. med. Ralf Lobmann


Protokoll der Sprechstunde

Pia L. fragt:

Kann ich außer einen gleichmäßig niedrigen Blutzucker noch etwas tun, um einem diabetischen Fußsyndrom entgegen zuwirken? Hab in den letzten Jahren meinen BZ-Spiegel gar nicht gut im Griff gehabt. War oft zu hoch und hatte große Schwankungen (bis zu 9%). Jetzt habe ich Angst, dass Gefäße und Nerven schon kaputt sein könnten. Habe auch Bluthochdruck.


Prof. Lobmann:

Sehr geehrte Frau L.,

die nun gute Zuckereinstellung ist der beste Schutz vor dem Entstehen von Komplikationen des Diabetes (wie z.B. einem diabetischen Fußsyndrom). Weiterhin nützlich ist die regelmäßige tägliche Inspektion der Füße, um kleine Verletzungen bereits frühzweitig zu bemerken und unter Umständen ist die Inanspruchnahme einer fachpodologischen Fußpflege sinnvoll.

Selbstverständlich gehört zu einer entsprechenden Vorsorge auch auf geeignetes Schuhwerk zu achten. Dieses darf nicht zu eng sein, da insbesondere druckbelastete Stellen aufgrund der Schmerzunempfindlichkeit im Rahmen der Neuropathie führend für eine Fußläsion sind.

Typische Zeichen, dass die Nerven bereits geschädigt sind, sind die Missempfindung im Sinne von brennen, kribbeln und Ameisenlaufen, aber auch Taubheitsgefühl. Wenn Sie solche Missempfindungen nicht wahrnehmen sollten, ist eine relevante Störung von Nerven und Gefäßen nicht sehr wahrscheinlich.

Mittels einfacher Testmethoden (Muskeleigenreflexe, Empfindungsvermögen mittels Stimmgabel und anderem, sowie einer Doppleruntersuchung (d.h. mit Ultraschall) des Gefäßstatus kann auch durch den Hausarzt oder Diabetologen eine entsprechende Vorsorgeuntersuchung ohne großen Aufwand durchgeführt werden. Diese ist eigentlich auch im Diabetespass vorgesehen. Diese Untersuchungen geben Ihnen eine genauere Aussage hinsichtlich Ihres persönlichen Risikos.

Mit freundlichen Grüßen
R. Lobmann


*


Tom fragt:

Sehr geehrter Prof. Lobmann, woran liegt es, ob nun die Nerven der Beine oder der Sehnerv betroffen ist?


Prof. Lobmann:

Lieber Tom,

Grundsätzlich können alle Nerven durch den Diabetes beeinträchtigt werden. Es ist aber so, dass insbesondere längere Nervenfasern mehr Angriffsfläche bieten und daher frühzeitiger betroffen sind.

Die aus dem Rückenmark in den Fuß ziehenden Nervenfasern sind die längsten im Körper. Daher beginnt die diabetische Neuropathie meist in den Füßen, typischerweise von den Zehen an dann (sockenformig und beidseits) den Fuß und das Bein hinaufziehend. Es gibt aber auch eine Neuropathie an den Händen, Veränderungen am Herzen oder am Magen-Darm-Trakt.

Mit freundlichen Grüßen
R. Lobmann


Tom fragt:

Und wie äußert sich das, wenn es dann Magen-Darm oder das Herz betrifft?


Prof. Lobmann:

Hallo Tom,

Die Neuropathie von Magen und Darm äußert sich in Durchfällen oder Verstopfungen - aber auch im Wechsel von beidem.

Typisch ist eine sog. Gastroparese, d.h. Verzögerung der Magenentleerung. Dadurch kommen z.B. das mahlzeitenbezogene Insulin und die aufgenommenemn Kohlehydrate unkoordiniert in den Kreislauf. Typisch ist dann eine Unterzuckerung nach dem Essen (Insulin wirkt schon, das Essen ist noch im Magen); gefolgt von hohen Zuckerwerten (Gegenregulation und die nun in den Körper aufgenommenen Kohlehydrate). Daraus resultiert ein "labiler Diabetes".

Am Herzen ist eine sog. Herzfrequenzstarre typisch. D.h. die Herzfrequenz kann nicht mehr angemessen an Belastungssituationen angepasst werden. Z.B. steigt morgens beim Aufstehen die Herzfrequenz nicht an, das Blut "versackt" in den Beinen und wird nicht ausreichend (durch einen höheren Puls) in das Gehirn transportiert - Folge ist dann häufig ein Schwindel oder kleiner Kollaps.

Bedenklich ist auch, dass die Schmerzen eines Herzinfarktes nicht oder schlechter/später wahrgenommen werden können. Dies erhöht das Risiko, weil wichtige Zeit verloren wird. Hier spricht man auch vom stummen (schmerzlosen) Herzinfarkt.

Mit freundlichen Grüßen
R. Lobmann


*


H. fragt:

Guten Tag! Leider habe ich Diabetes und dazu als Folgekrankheit auch Polyneuropathie bzw. das diabetische Fußsyndrom.

Habe genug darunter zu leiden. Kann man diese Krankheit überhaupt heutzutage bekämpfen? Keine Hilfe, keine Medikamente? Und wie kann ein Endstadium aussehen?
Danke für die Beantwortung meiner Fragen.

Mit freundlichen Gruß
H.


Prof. Lobmann:

Sehr geehrter Herr H.,

bedauerlicherweise besteht die einzige Maßnahme in der Vermeidung und Verzögerung der Neuropathie in der sehr guten Stoffwechseleinstellung. Wenn schwerwiegende Symptome bereits eingetreten sind, kann man leider ursächlich nicht mehr behandeln, sondern versucht mit den medikamentösen Maßnahmen die für den Patienten belastenden Missempfindungen zu überdecken.

Dies geschieht mit Schmerzmedikamenten oder auch Medikamenten welche die Nervenzellfunktion stabilisieren (wie z.B. niedrig dosierte Antidepressiva). Weitere Möglichkeiten sind neben der Schmerztherapie, welche in schweren Stadien auch z.B. ein Morphin-Pflaster umfassen kann, nicht medikamentöse Verfahren wie eine Elektrostimulation (TENS) oder autogenes Training bzw. Akupunktur durchaus mit geeignet.

Im Endstadium der Neuropathie liegt häufig das Bild einer absoluten Gefühllosigkeit (Taubheit) vor, welches nach langjährigen Kribbelmissempfindungen von vielen Patienten dann als etwas erträglicher wahrgenommen wird.

Mit freundlichen Grüßen
R. Lobmann




zum kompletten Chat-Protokoll:
http://ow.ly/4aDss

Der Diabetes-Chat steht allen Internet-Nutzern kostenfrei auf www.diabetesde.org zur Verfügung.
Protokolle der letzten Sprechstunden können Sie abrufen unter:
www.diabetesde.org/experten_chat

Eine weitere wichtige Anlaufstelle ist das Diabetes Gesundheitstelefon.
Unter der Nummer 0180 250 5205 (6 Cent/Anruf aus dem Festnetz, Mobilfunk max. 42 Cent/Minute) stehen täglich 24 Stunden Experten bereit.


diabetesDE ist eine gemeinnützige Organisation, die alle Menschen mit Diabetes und alle Berufsgruppen wie Ärzte, Diabetesberater und Forscher vereint, um sich für eine bessere Prävention, Versorgung und Forschung im Kampf gegen Diabetes einzusetzen. An oberster Stelle steht die Interessenvertretung für die Menschen, die von dieser Volkskrankheit betroffen sind, die sich in großem Tempo in vielen Ländern der Erde, so auch in Deutschland ausbreitet. Gegründet wurde diabetesDE von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) und dem Verband der Diabetes-Beratungs- und Schulungsberufe in Deutschland (VDBD).


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Quelle:
diabetesDE, Pressestelle
diabetesDE-Experten-Chat vom 3. März 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. März 2011