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HERZ/480: Herbsttagung 2010 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (1) (idw)


Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung
Pressemitteilungen vom 7. Oktober 2010

Herbsttagung 2010 der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der
Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Arrhythmie, Nürnberg, 7. - 9. 10. 2010


→ Erfolgsgeschichte Kardiologie:
      Herz-Medizin maßgeblich an höherer Lebenserwartung beteiligt
→ Innovative Eingriffe auch für Alte und Schwache:
      Schonende Verfahren der Herz-Medizin erobern Deutschland
→ Herzschwäche: Neues Gerät stärkt natürlichen Herzschlag und
      lindert Atemnot, Abgeschlagenheit und schlechte Leistung
→ Neue Therapie: Mit Elektrosonden und Kälteballons gegen Herzrhythmus-Störungen

Raute

Erfolgsgeschichte Kardiologie:
Herz-Medizin maßgeblich an höherer Lebenserwartung beteiligt

"Die Kardiologie hat in den vergangenen 15 Jahren DIE Erfolgsgeschichte im Bereich der Medizin geschrieben. Von allen Fachrichtungen trägt sie den größten Anteil an der Verlängerung der Lebenserwartung in den westlichen Industrieländern, beispielsweise durch eine Reduktion der Sterblichkeit nach Herzinfarkt um rund 20 Prozent." So bilanziert Prof. Dr. Michael Böhm, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) und Leiter der Abteilung für Kardiologie, Angiologie und internistische Intensivmedizin am Universitätsklinikum des Saarlandes, auf der Herbsttagung der DGK in Nürnberg, bei der rund 2.000 Herzmediziner erwartet werden. Herz-Medizin maßgeblich an höherer Lebenserwartung beteiligt In Deutschland betrug zwischen 1980 und der Jahrhundertwende die Zunahme der Lebenserwartung bei Männern 5,75 Jahre. Prof. Böhm: "Den wichtigsten Beitrag dazu leistet die sinkende Sterblichkeit bei Erkrankungen des Kreislauf-Systems, sie ist für 2,62 Jahre gewonnene Lebenserwartung verantwortlich. Zum Vergleich: An einer onkologischen Erkrankung stirbt jeder vierte Deutsche, die Zunahme der Lebenserwartung auf Grund der zurückgegangenen Sterblichkeit bei Krebs beträgt nur 0,6 Jahre." Weil andererseits noch immer mehr als 50 Prozent der Menschen in den westlichen Industriestaaten an Herz-Kreislauf-Erkrankungen sterben, "liegt der größte Hebel zur Bekämpfung der Hauptursache von Tod und Krankheit in zukunftsträchtigen Forschungsprojekten der Herz-Medizin."

Attraktivität für herzmedizinischen Nachwuchs steigern

Die DGK setzt auf vielen Ebenen Impulse, um Herz-Kreislauf-Forschung zu fördern, Forschungsaktivitäten zu vernetzen, die Aus- und Weiterbildung zu optimieren, und der Herz-Medizin insgesamt ein Maximum an Effizienz zu verleihen. "Letztlich sollen diese Impulse natürlich den Patientinnen und Patienten direkt zugutekommen", so der DGK-Präsident. "Es geht aber auch darum, die Attraktivität für den medizinischen Nachwuchs weiter zu steigern. Wir beobachten eine gewisse Tendenz, dass viel versprechende Nachwuchs-Kardiologen ins Ausland abwandern. Unser erklärtes Ziel ist, ihnen in Deutschland ein optimales Umfeld und immer bessere individuelle Bedingungen für ihre medizinische Tätigkeit und ihre Laufbahn zu bieten." Hier eine Reihe aktueller Maßnahmen, die diese genannten Ziele verfolgen:

Zwei neue Register optimieren Therapie: Zwei sehr häufige Eingriffe, die Rekonstruktion der Aortenklappe und der Mitralklappe, können seit kurzer Zeit mit einem wenig belastenden minimalinvasiven Verfahren durchgeführt werden. Um dafür möglichst aussagekräftige Langzeitergebnisse zu erhalten, ist die DGK an der Einrichtung zweier Register beteiligt: Diese erheben die relevanten Daten zu allen Aorten- bzw. Mitralklappen-Operationen, unabhängig von der jeweils angewandten Operationsmethode, und werten diese aus. Prof. Böhm: "Unser Ziel ist, präzise Empfehlungen abgeben zu können, für welche Patienten welche Methode die am besten geeignete ist." Ein weiteres Register ist für die völlig neue Sympathektomie der Niere geplant. Diese Operation behebt therapieresistenten arteriellen Bluthochdruck durch die Durchtrennung des Nervs, der für die Stressphasen der Niere sorgt.

Neue Methode gegen Restenose in Stents bekannter machen: Nach aktueller Datenlage beugen Medikamenten-beschichtete Ballons dem erneuten Verschluss eines gedehnten Gefäßes (Restenose in Stents, sowohl bei Medikamenten-beschichteten als auch nicht Medikamenten-beschichteten) am wirksamsten vor. Prof. Böhm: "Damit möglichst viele dafür in Frage kommende Patienten von diesem revolutionären Verfahren profitieren, werden wie Kardiologinnen und Kardiologen konsequent über diese Entwicklung und ihre optimale Anwendung informieren."

Gesundheitszentren zu Herzforschungs-Netzwerk verbinden: Die DGK plant, die kardiologischen Abteilungen der in Deutschland gegenwärtig kurz vor ihrer Gründung stehenden neuen Gesundheitszentren zu einem Herzforschungs-Netzwerk zu verbinden. Prof. Böhm: "Forschung ist überall dort besonders effizient, wo mehrere Zentren ihre jeweiligen Erfahrungen und Erkenntnisse einander zugänglich machen."

Weiterbildung auf höchstem Niveau: Die herzmedizinische Versorgung der Bevölkerung kann nur so gut sein wie die Ausbildung der Kardiologen. "Daher arbeiten wir in Abstimmung mit der European Society of Cardiology (ESC) an neuen, präziseren Weiterbildungs-Curricula für künftige Fachärzte für Kardiologie, die die Errungenschaften der letzten Jahre mit einbeziehen, und an Qualifikationskriterien für die Subspezialitäten unseres Fachs", sagt der DGK-Präsident.

Forschungsförderung durch Förderung der Forscher: Umfassende Forschungsförderung ist einer der wichtigsten Schwerpunkte der DGK-Aktivitäten. Dazu zählt direkte Projektförderung für junge Absolventen durch Stipendien und Sachbeihilfen ebenso wie die Einladung an Doktoranden, ihr Dissertationen auf unseren Tagungen vorzustellen.

Kurse für Forschungs- und Karriereplanung: In speziellen Kurse wird vermittelt, wie man Studien optimal plant, was bei Anträgen auf Forschungsförderung beachtet werden muss, wie die eigene Karriere sinnvoll geplant werden kann, etc. Geplant sind auch ein Forum "Junge Kardiologie", eine Job-Börse sowie eigene Symposien für junge Kollegen, auf denen sie ihre Erfahrungen austauschen und sich untereinander vernetzen können.

Wenige Kongresse, aber umfassend und überregional: "Fachkongresse sind informativ und wichtig, kosten aber auch viel Zeit" so der DGK-Präsident. "Neben den zahlreichen regionalen und themenzentrierten Weiterbildungsveranstaltungen, konzentrieren wir den überregionalen Austausch von High-End-Forschungsergebnissen und Top-Level-Weiterbildung auf lediglich zwei Ereignisse: unsere Herbst- und unsre Frühjahrstagung. Durch die Kooperation mit der Österreichischen und der Schweizer Kardiologengesellschaft entstand eine transalpine Fortbildungsgemeinschaft über den deutschen Sprachraum, deren interessantester Ausdruck auf der aktuellen Herbsttagung die Live-Übertagungen aus interventionellen Labors aller drei Länder sein wird.


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Innovative Eingriffe auch für Alte und Schwache:

Schonende Verfahren der Herz-Medizin erobern Deutschland

Nürnberg, Donnerstag, 7. Oktober 2010 - "Die Fortschritte der modernen Herz-Medizin haben das Risiko zahlreicher Eingriffe deutlich gesenkt und damit die Versorgung vieler Patienten ermöglicht, die für herkömmliche Operationen zu alt oder zu schwach wären", bilanziert Prof. Dr. Udo Sechtem (Tagungspräsident und Chefarzt der Abteilung für Kardiologie am Robert-Bosch-Krankenhaus, Stuttgart) auf der Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie. In Nürnberg werden zwischen Mittwoch und Samstag rund 2.000 Herz-Mediziner zusammenkommen.

Metallring per Katheter erspart Operation am offenen Herzen

Wenn die Mitralklappe, welche die Vorkammer mit der Hauptkammer des linken Herzens wie eine Doppelschwingtür verbindet, undicht ist, kann sie ihre Ventilfunktion nicht mehr vollständig erfüllen. Das führt zu Atemnot, leichter Erschöpfbarkeit und Herzrhythmusstörungen. "Ein neues Verfahren vermeidet die Operation am offenen Herzen, indem lediglich ein Katheter in den Vorhof eingeführt wird und die beiden Klappenflügel durch einen Metallring miteinander verbunden werden, was ihre Durchlässigkeit reduziert", berichtet Prof. Sechtem. "Diese Methode ist zwar keine perfekte Reparatur, aber für Patienten, die für eine Operation am offenen Herzen zu schwach sind, eine bedeutende Verbesserung."

Minimalinvasiver Ersatz der Aortenklappe ohne Durchtrennung des Brustbeins

"Auch der minimalinvasive Ersatz der Aortenklappe ist deutlich weniger belastend als die herkömmliche Operationstechnik und daher ein Ausweg für sehr alte Patienten, für die letztere ein zu hohes Risiko bedeutete", so Prof. Sechtem. Das Brustbein muss nicht mehr durchtrennt werden: Durch eine kleine Öffnung zwischen den Rippen wird der Katheter in die Herzspitze eingebracht und zur undichten oder verstopften Aortenklappe geführt. Diese wird nicht entfernt, sondern soweit aufgedehnt, dass eine neue, künstliche Klappe in sie hineingepresst werden kann. Alternativ kann die Klappe ohne Brustkorb-Eröffnung sogar von der Leiste über die Hauptschlagader implantiert werden. Prof. Sechtem: "Die erste große Studie darüber zeigt, dass die Sterblichkeit der auf diese Weise operierten über 80-jährigen Patienten gegenüber jenen, die aufgrund ihres Gesamtzustandes keine Operation erhalten konnten, im Jahr nach der Operation statt bei 50 Prozent nur bei 30 Prozent lag. Ein klarer Überlebensvorteil also."

Komplexe Mehrgefäßerkrankungen minimalinvasiv reparieren

Auch komplexe Mehrgefäßerkrankungen können minimalinvasiv repariert werden. Durch Katheter eingeführte Stents ersetzen dabei die Implantation eines multiplen Bypass. Die Ergebnisse der eben erschienene SYNTAX-Studie, welche die Komplikationsraten der Stent-Technik mit jener der Bypass-Operation vergleicht: "Insgesamt schneidet die Bypass-OP zwar etwas besser ab als Stents. Der Unterschied ist aber so gering, dass die Stent-Technik für die Patienten, die eine ausgeprägte Furcht vor der Bypass-Operation haben, nach ausführlicher Information als vertretbar sichere Alternative angeboten werden kann", so Prof. Sechtem.


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Herzschwäche: Neues Gerät stärkt natürlichen Herzschlag und lindert Atemnot, Abgeschlagenheit und schlechte Leistung

Völlig neu in der Herz-Medizin ist die Entwicklung der Kardialen Kontraktibilitäts-Modulation (CCM) zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit bei Patienten mit fortgeschrittener Herzschwäche. "Dieser spezielle Schrittmacher löst weder Herzimpulse aus noch verändert er das Tempo der Herzschlags, sondern erhöht lediglich durch spezielle elektrische Impulse die Stärke des natürlichem Herzschlags, so dass die typischen Symptome wie Atemnot, Abgeschlagenheit und Leistungsminderung abnehmen oder ganz aufhören, berichtet Prof. Dr. Andreas Schuchert, Tagungspräsident und Chefarzt der Medizinischen Klinik am Friedrich-Ebert-Krankenhaus, Neumünster, Schleswig-Holstein, auf der gemeinsamen Herbsttagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie und der Arbeitsgruppe Herzschrittmacher und Arrhythmie in Nürnberg. Es werden zwischen Donnerstag und Samstag rund 2.000 Herz-Mediziner erwartet.

Herzinsuffizienz ("Herzschwäche") erhöht das Risiko letaler Schlaganfälle und führt zu deutlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. "Auch bei optimaler medikamentöser Behandlung bleibt das Risiko für einen plötzlichen Herztod erhöht und lässt sich mit implantierbaren Defibrillatoren signifikant verringern", so Prof. Schuchert. "Mehr als 300.000 Herzschrittmacher, die heute in Deutschland im Einsatz sind, zeigen den Bedarf an Innovation und die therapeutische Bedeutung, die dem technologischen Fortschritt auf diesem Gebiet zukommt."


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Neue Therapie: Mit Elektrosonden und Kälteballons gegen Herzrhythmus-Störungen

Neue Therapiemethoden beruhen auf der Erkenntnis, dass bestimmte Herzrhythmus-Störungen durch die Überversorgung bestimmter Geweberegionen mit elektrischen Leitungskanälen verursacht werden. "In solchen Fällen werden über einen Katheter entweder eine Elektrosonde oder kleine Kälteballons an diese Orte gebracht und das Gewebe wird kleinsträumig verödet", berichtet Prof. Dr. Andreas Schuchert, Tagungspräsident und Chefarzt der Medizinischen Klinik am Friedrich-Ebert-Krankenhaus Neumünster, Schleswig-Holstein. "Dadurch normalisiert sich der Herzrhythmus."

Rechtzeitig angewandt, kann mit dieser Methode auch der gefährliche Prozess des Remodellings verhindert werden. "Wenn Vorhofflimmern die ersten Male auftritt, beginnt sehr rasch ein Umbauprozess, das so genannte Remodelling, im Herzen, der das Syndrom chronifiziert. Es geht darum, die Symptome möglichst rasch nach ihrem Erstauftreten zu unterbinden", so Prof. Schuchert.

Herzrhythmus-Störungen zählen heute zu den häufigsten Herzerkrankungen. Auch nicht unmittelbar lebensgefährliche Formen wie das Vorhofflimmern erhöhen das Risiko tödlicher Schlaganfälle und führen zu deutlichen Einschränkungen der Leistungsfähigkeit und Lebensqualität.

Raute

Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz und Kreislaufforschung e.V. (DGK) mit Sitz in Düsseldorf ist eine wissenschaftlich medizinische Fachgesellschaft mit heute rund 7500 Mitgliedern. Ihr Ziel ist die Förderung der Wissenschaft auf dem Gebiet der kardiovaskulären Erkrankungen, die Ausrichtung von Tagungen und die Aus-, Weiter- und Fortbildung ihrer Mitglieder. 1927 in Bad Nauheim gegründet, ist die DGK die älteste kardiologische Gesellschaft in Europa.

Weitere Informationen unter:
www.dgk.org

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution737


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Deutsche Gesellschaft für Kardiologie - Herz- und Kreislaufforschung e.V.
Christiane Limberg
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2010