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INFEKTION/1109: Sind Fledermäuse ein Gesundheitsrisiko? (idw)


Forschungsverbund Berlin e.V. - 04.05.2010

Sind Fledermäuse ein Gesundheitsrisiko?

Fledermäuse spielen eine wichtige Rolle für viele Ökosysteme.
Sie stehend aber auch zunehmend im Verdacht, Krankheiten zu übertragen.


Obwohl man sie fast nie zu sehen bekommt, spielen Fledermäuse für Ökosysteme und damit auch für den Menschen eine wichtige Rolle. Während ihrer nächtlichen Ausflüge vertilgen sie Unmengen von Insekten, bestäuben Pflanzen und verbreiten Samen indem sie Früchte fressen. Rund 1200 Arten gibt es weltweit, jede fünfte Säugetierart ist eine Fledermaus!

Seit kurzem weiß man aber, dass von Fledermäusen auch eine Bedrohung ausgehen kann: Sie stehen im Verdacht, verschiedene Virus-Erkrankungen zu verbreiten. Was man bislang hauptsächlich den Nagetieren zuschrieb, nämlich sogenannte Zoonosen zu übertragen, das sind Krankheiten die Mensch und Tier gleichermaßen befallen, könnte auch auf Fledermäuse zutreffen. Die Problematik der Tollwutübertragung ist bereits seit längerem für Blut saugende Vampirfledermäuse in Lateinamerika bekannt. Auch einige europäische, insektenfressende Fledermäuse stehen im Verdacht, Tollwut übertragen zu können. Allerdings ist die Wahrscheinlichkeit auf eine tollwütige Fledermaus in Deutschland zu treffen äußerst gering. Und durch Impfung und entsprechende Verhaltensregeln kann man sich vor einer Ansteckung schützen. Für die Tropen, speziell Afrika und Asien, konnten Forscher allerdings einige für den Menschen gefährliche Viren nachweisen, darunter Henipaviren, die für asiatische Flughunde bekannt sind.

Fledermausforscher und Infektionsbiologen beschäftigt zunehmend die Frage, warum die Flattertiere so anfällig für Krankheiten sind. Das Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung in Berlin lud nun erstmals Experten aus aller Welt zu einem offenen Diskurs über dieses Thema ein. Die Experten berichten darüber in dem renommierten Fachjournal Biology Letters. Dr. Christian Voigt, einer der Organisatoren der Tagung, kennt mehrere Faktoren, die Fledermäuse als Reservoir für Infektionskrankheiten ideal erscheinen lassen:

"Fledermäuse sind trotz ihrer Kleinheit extrem langlebig, einheimische Arten können 20 bis 30 Jahre alt werden", so der Biologe. Mit ihrer Lebensdauer können sie so Krankheitserreger über einen relativ langen Zeitraum anhäufen. Außerdem sind Fledermäuse sehr sozial: Manche Arten füttern sich gegenseitig, andere hängen in millionenstarken Kolonien dicht an dicht in Höhlen. "Das erhöht natürlich die Übertragungsrate von Erregern", so Voigt. In den Tropen fressen Fledermäuse Früchte, die mit Kot von Artgenossen verdreckt sein können, von ihnen angeknabberte Früchte werden auch von Menschen verzehrt. Mitunter landet in manchen tropischen Ländern sogar die Fledermaus im Kochtopf, was der Übertragung von Krankheiten Tür und Tor öffnet. Was kaum jemand weiß: Manche Fledermausarten sind sehr mobil, sie flattern nicht nur in einem eng begrenzten Radius herum sondern können ähnlich wie Zugvögel hunderte oder gar tausende von Kilometern zurücklegen und damit Krankheitserreger potenziell über große Distanzen verteilen. Und schließlich sind Fledermäuse Säugetiere, und damit ist ihr Immunsystem dem des Menschen ähnlicher als das von Vögeln, so dass fledermausspezifische Krankheitserreger leichter auf den Menschen wechseln können.

Aber auch die Fledermäuse selbst sind stark durch Infektionskrankheiten bedroht. In Nordamerika rafft eine Pilzerkrankung seit einigen Jahren Millionen von Tieren dahin. Das sogenannte White-Nose-Syndrom, bei dem sich ein weißer Pilzbelag auf der Nase der Tiere bildet, befällt ganze Populationen während ihres Winterschlafes in Höhlen, wenn die Abwehrkräfte der Tiere am schwächsten sind. Warum der Pilz ausgerechnet jetzt zuschlägt, wissen die Forscher noch nicht, lediglich dass er Kälte liebend ist und Temperaturen um 15 Grad bevorzugt. Die Forscher beschäftigt nun die Frage, ob europäischen Fledermäusen ein ähnliches Massensterben droht. Bislang sieht es nicht so aus, obwohl der Pilz vereinzelt auch in Europa nachgewiesen wurde. "Die betroffenen Tiere starben aber nicht und der Pilz hat sich auch nicht epidemieartig weiter verbreitet", fasst Voigt die Beobachtungen zusammen. Die Wissenschaftler mutmaßen, dass der Pilz vielleicht sogar aus Europa stammt und europäische Flattertiere über Jahrtausende Abwehrmechanismen entwickeln konnten. Übertragen über Sporen, die an Menschen hafteten, könnte er die Amerikanischen Fledermäuse völlig unvorbereitet getroffen haben. Für Nordamerika ist dies ein ökologisches Desaster.

Gerade weil die Fledermäuse für die menschliche Gesundheit ein Problem darstellen können, hat die Erforschung ihrer Lebensweise höchste Priorität. Aber auch der Schutz von Fledermäusen ist extrem wichtig. Würden sie ihre Aufgabe als Insektenvertilger nicht mehr wahrnehmen können, postulieren Forscher einen explosionsartigen Anstieg von landwirtschaftlichen Schädlingen oder aber Krankheit übertragender Moskitos, mit ungeahnten indirekten Folgen für den Menschen. Wo tropische Fledermäuse wichtige Bestäuber von landwirtschaftlich relevanten Pflanzen bzw. Bäumen sind, wären viele Pflanzenarten und damit ganze Ökosysteme bedroht. Es kann deshalb nicht darum gehen, Fledermäuse zu vernichten oder aus unserer Umwelt zu verbannen, sondern Wege des Zusammenlebens zu finden. "Denn obwohl Fledermäuse potenziell Krankheiten verbreiten, hätten wir weitaus größere Probleme, wenn Fledermäuse aus unserer Umwelt verschwinden würden", ist Voigt überzeugt.


Kontakt:
PD Dr. Christian Voigt
Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung
voigt@izw-berlin.de

Doi: 10.1098/rsbl.2010.0267

Zu dieser Mitteilung finden Sie Bilder unter:
http://idw-online.de/pages/de/image115048
Myotis lucifugus mit White-Nose-Syndrom, aufgenommen 2009 in Chester Mine/ Massachusetts

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung:
http://idw-online.de/pages/de/institution245


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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Forschungsverbund Berlin e.V., Christine Vollgraf, 04.05.2010
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. Mai 2010