Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → PHARMA


FORSCHUNG/1249: Malaria-Wirkstoff - Wenn die "Kopie" besser als das Original ist (idw)


Universität Wien - 29.05.2018

Malaria-Wirkstoff: Wenn die "Kopie" besser als das Original ist

ChemikerInnen der Universität Wien synthetisieren Chinin und
Chinin-Derivate, die wirksamer sind als der Naturstoff


Die Synthese von Naturstoffen ist eines der Forschungsgebiete von Nuno Maulide und seiner Arbeitsgruppe an der Fakultät für Chemie der Universität Wien. Dazu gehört auch die Herstellung von strukturell verwandten Verbindungen, welche die Natur nicht erzeugen kann. Den ForscherInnen gelang nun die Herstellung zweier neuartiger Analoga des Naturstoffes Chinin, einem Wirkstoff gegen Malaria. Diese haben eine höhere Aktivität gegenüber Malaria-Erregern als bisher eingesetzte Medikamente. Die Ergebnisse erscheinen aktuell in der renommierten Fachzeitschrift "Angewandte Chemie".

Die Natur bietet eine enorme Vielfalt an komplexen Molekülen, welche oft als Leitsubstanzen in der Entwicklung von Medikamenten eine tragende Rolle spielen. Das Nachbauen solcher Moleküle im Labor, die sogenannte Totalsynthese, bietet über molekulare Modifikationen - neben der Herstellung dieser Substanzen selbst - auch die Möglichkeit zur Herstellung von strukturellen Verwandten dieser Moleküle, sogenannten Analoga. Solche Modifikationen können sowohl zum Verlust als auch zur deutlichen Verbesserung der biologischen Aktivität einer Substanz führen.

Die Arbeitsgruppe um Nuno Maulide, Professor für Organische Synthese an der Universität Wien, beschäftigt sich neben der Entwicklung neuartiger chemischer Reaktionen auch mit der Anwendung solcher in der Naturstoffsynthese. Vor kurzem gelang es der Gruppe eine neue Synthese von Chinin, ein aus der Chinarinde gewonnenes Alkaloid, zu entwickeln. "Chinin, das im allseits bekannten Tonic Water enthalten ist, wird seit dem 17. Jahrhundert zur Behandlung von Malaria eingesetzt", erklärt der aus Portugal stammende Wissenschafter und ERC-Preisträger, der erst kürzlich zum korrespondierenden Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften gewählt wurde. Mit der Synthese dieses Moleküls ist Robert B. Woodward vor über 70 Jahren ein Meilenstein in der organischen Chemie gelungen. Seither wird immer wieder daran gearbeitet, mit moderneren Methoden immer effizientere Synthesewege zu dem Molekül zu finden.

Neue Analoga mit verbesserter Aktivität

"Durch katalytische C—H-Aktivierung - das sind Reaktionen, die Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen spalten - ist es uns gelungen, eine kurze Route zum Naturstoff selbst zu entwickeln. Und wir haben auch einen Weg gefunden, bisher unbekannte Analoga des Wirkstoffes herzustellen", erklärt Martin Berger, einer der Erstautoren der Studie. Um die Anti-Malaria-Aktivität dieser hergestellten Analoga zu bestimmen, wandten sich die ForscherInnen an das Swiss Tropical and Public Health Institute der Universität Basel. Dort zeigte Kooperationspartner Marcel Kaiser, dass die Analoga eine höhere Aktivität gegen Plasmodium berghei, einem der Haupterreger der Krankheit, aufweisen als der Naturstoff selbst.

"Die Entwicklung neuer Substanzen zur Bekämpfung von Krankheiten ist deshalb so wichtig, da manche Erreger - wie auch jene der Malaria - Resistenzen gegen vorhandene Medikamente ausbilden können", erläutert Christian Knittl-Frank, Co-Autor der Studie. "Die Tatsache, dass lebende Organismen ganz bestimmte Moleküle herstellen können, ist faszinierend, aber zugleich auch limitierend, da es eben nur ganz bestimmte Sets an Molekülen sind. Es braucht ChemikerInnen, um naturstoff-ähnliche Verbindungen zu erzeugen und somit potentere Wirkstoffe im Kampf gegen Krankheiten zu finden", so Maulide abschließend.

Publikation in "Angewandte Chemie"

"C—H Activation Enables a Concise Total Synthesis of Quinine and Analogues with Enhanced Antimalarial Activity": Daniel H. O'Donovan, Paul Aillard, Martin Berger, Aurélien de la Torre, Desislava Petkova, Christian Knittl-Frank, Danny Geerdink, Marcel Kaiser and Nuno Maulide in: Angewandte Chemie International Edition, 2018. DOI: 10.1002/anie.201804551

Offen für Neues. Seit 1365.
Die Universität Wien ist eine der ältesten und größten Universitäten Europas: An 19 Fakultäten und Zentren arbeiten rund 9.600 MitarbeiterInnen, davon 6.800 WissenschafterInnen. Die Universität Wien ist damit die größte Forschungsinstitution Österreichs sowie die größte Bildungsstätte: An der Universität Wien sind derzeit rund 94.000 nationale und internationale Studierende inskribiert. Mit über 175 Studien verfügt sie über das vielfältigste Studienangebot des Landes. Die Universität Wien ist auch eine bedeutende Einrichtung für Weiterbildung in Österreich.
www.univie.ac.at


Weitere Informationen finden Sie unter
https://www.nature.com/articles/s41598-018-25601-7

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution84

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Universität Wien - 29.05.2018
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Juni 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang