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WIRKSTOFF/565: Chemiker ermöglichen effiziente Herstellung des Anti-Malaria-Wirkstoffs Artemisinin (idw)


Karl-Franzens-Universität Graz - 05.03.2015

Chemiker der Uni Graz ermöglichen effiziente Herstellung des Anti-Malaria-Wirkstoffs Artemisinin


Mehrere hundert Tonnen des Wirkstoffs Artemisinin werden jährlich für Malaria-Medikamente benötigt. Gewonnen wird die Substanz aus Extrakten des Einjährigen Beifußes (Artemisia annua). Das dazu verwendete herkömmliche Verfahren ist sehr aufwändig und teuer. Forscher des Christian Doppler Labors für Durchflusschemie an der Karl-Franzens-Universität Graz haben nun einen Weg gefunden, Artemisinin effizient aus einem Abfallprodukt der Pflanze zu synthetisieren. Die Methode wurde kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift "Chemistry: A European Journal" erstmals publiziert und vom Magazin als "Hot Paper" bewertet.

Artemisinin ist einer der bedeutendsten Arzneistoffe gegen die Tropenkrankheit Malaria, an der laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO jährlich knapp eine Million Menschen sterben. Eine Pflanze des Einjährigen Beifußes, aus dessen Blättern und Blüten die Substanz gewonnen werden kann, enthält knapp ein Prozent des wertvollen Wirkstoffs sowie in größeren Mengen die zwei Vorläufermoleküle Artemisininsäure (AA) und Dihydroartemisininsäure (DHAA). Artemisininsäure kann in DHAA umgewandelt werden, und aus dieser Substanz lässt sich dann Artemisinin synthetisieren. Derzeit geschieht dies großteils im Batch (Kessel)-Verfahren entweder mit Wasserstoff und teuren Metall-Katalysatoren oder unter Zugabe von Hydrazin und Sauerstoff, einem hochexplosiven Gemisch. Letztere Methode ist nicht nur äußerst aufwändig, sondern unter anderem aufgrund der nötigen Sicherheitsvorkehrungen auch sehr teuer.

Eine effiziente, sichere, ressourcen- und umweltschonende Alternative bietet die Flow Chemistry. Experten auf diesem Gebiet forschen an der Karl-Franzens-Universität Graz im Christian Doppler Labor für Durchflusschemie, so die deutsche Bezeichnung. Univ.-Prof. Dr. Oliver Kappe, Ass.-Prof. Dr. Toma Glasnov und Bartholomäus Pieber, MSc, ist es nun erstmals gelungen, ein kostengünstiges und unbedenkliches Verfahren für die Synthese von DHAA aus AA mittels Flow Chemistry zu etablieren. "Gerade bei gefährlichen Reaktionen bietet sich die Flow Chemistry an", betont Oliver Kappe. "Die für die Synthese nötigen Komponenten werden rasch durch Reaktionskammern im Mikroliterbereich gepumpt. Dadurch wird das Risiko minimiert." Ein weiterer Vorteil gegenüber dem Batch-Verfahren ist, dass die einzelnen Prozesse nacheinander jeweils in einer Kammer ablaufen, ohne dass das Reaktionsgemisch nach jedem Schritt herausgenommen und für den nächsten aufbereitet werden muss. Weil in den kleinen Reaktoren extreme Temperatur- und Druckbedingungen erzeugt werden können, erhöht sich die Prozessgeschwindigkeit um ein Vielfaches und es finden weniger Nebenreaktionen statt, wodurch keine gefährlichen Abfallstoffe entstehen. Im Falle der Synthese von DHAA aus einer Mischung von AA, Hydrazin und Sauerstoff bleiben nur Wasser und Stickstoff als Nebenprodukte übrig. Hinzu kommt, dass sich das Verfahren auch einfach für die Produktion in industriellem Maßstab einsetzen lässt.

Vor einigen Jahren entdeckte Prof. Peter H. Seeberger vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung in Potsdam einen Weg, Artemisinin mittels Flow Chemistry aus Artemisininsäure herzustellen. Nun ist den Grazer Kollegen, allen voran Dissertant Bartholomäus Pieber, Erstautor der aktuellen Publikation, auch die Synthese aus dem zweiten Vorläufermolekül, der Dihydroartemisininsäure, gelungen. Von Letzterer lässt sich besonders viel aus dem Einjährigen Beifuß extrahieren. Somit ist es nun möglich, alle "Quellen" der Pflanze mit Hilfe der Flow Chemistry zur Artemisinin-Produktion optimal zu nutzen.


Publikation:
Continuous Flow Reduction of Artemisinic Acid Utilizing Multi-Injection Strategies - Closing the Gap Towards a Fully Continuous Synthesis of Antimalarial Drugs
Bartholomäus Pieber, Toma Glasnov and Oliver Kappe
Chemistry: A European Journal, first published online: 5 Feb 2015
DOI: 10.1002/chem.201406439

Kontakt:
Univ.-Prof. Dr. Oliver Kappe
Institut für Chemie der Karl-Franzens-Universität Graz
E-Mail: oliver.kappe@uni-graz.at


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.maos.net Arbeitsgruppe von Oliver Kappe

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http:/idw-online.de/de/institution35

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Karl-Franzens-Universität Graz, Mag. Gudrun Pichler, 05.03.2015
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2015

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