Schattenblick →INFOPOOL →MEDIZIN → PSYCHIATRIE

FORSCHUNG/204: Pädophilie - Zusammenhang zwischen Gesichtserkennung und sexueller Alterspräferenz entdeckt (idw)


Christian-Albrechts-Universität zu Kiel - 21.05.2014

Sexualmedizin: Zusammenhang zwischen Gesichtserkennung und sexueller Alterspräferenz entdeckt

Erkenntnisse könnten zur Diagnose der Pädophilie anhand von Hirnaktivität beitragen



Kieler Wissenschaftler haben mittels einer funktionellen MRT-Untersuchung bei einer Gruppe pädophiler Männer herausgefunden, dass bereits die Wahrnehmung von Kindergesichtern bei pädophilen Männern erhöhte Aktivität im Gesichtsverarbeitungssystem und Hirnarealen, die sexuelle Reize verarbeiten, auslösen.

Wissenschaftler des Instituts für Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie und Psychotherapie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH), Campus Kiel, und der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) haben gemeinsam mit Forschern der Klinik für Neurologie und des Instituts für Neuroradiologie des UKSH, Campus Kiel, sowie Kollegen der Charité Universitätsmedizin Berlin und der Universität Kopenhagen mittels einer funktionellen MRT-Untersuchung bei einer Gruppe pädophiler Männer herausgefunden, dass bereits die Wahrnehmung von Kindergesichtern bei pädophilen Männern erhöhte Aktivität im Gesichtsverarbeitungssystem und Hirnarealen, die sexuelle Reize verarbeiten, auslösen. Die Ergebnisse könnten für die Diagnose der Pädophilie anhand der Hirnaktivität von Bedeutung sein, da hiermit möglicherweise die ethischen Fragen, die durch das Zeigen von Abbildungen nackter Kindern immer wieder diskutiert werden, relativiert werden könnten. Die Forschungsergebnisse wurden nun in der Fachzeitschrift "Biology Letters" veröffentlicht.

Bereits 2011 war es der Kieler Forschergruppe erstmals weltweit gelungen, mittels Messung der Hirnaktivität im Magnetresonanztomographen (MRT) pädophile Männer von nicht-pädophilen Männern zu unterscheiden. In der damaligen Studie, die am 3. Oktober 2011 in der Online-Ausgabe der Fachzeitschrift "Archives of General Psychiatry" erschienen war, wurden den Versuchsteilnehmern (pädophile und gesunde Männer) für Sekunden Bilder von nackten Kindern und von nackten Erwachsenen gezeigt. Die mittels funktionellem MRT gemessene Hirnaktivität auf die jeweiligen Bilder wurde im Anschluss einem automatischen Klassifikationsprogramm zugeführt und erlaubt eine Zuordnungssicherheit von 95 Prozent. Man war bis dahin bei der Diagnose einer pädophilen Neigung vor allem auf die nur bedingt zuverlässigen Angaben der Betreffenden selbst oder auf die fehlerbehaftete Phallometrie, einem Verfahren zum Messen der Penisreaktion bei sexualmedizinischen Untersuchungen, angewiesen.

Bei der nun veröffentlichten Studie zur zerebralen Gesichtsverarbeitung bei pädophilen Männern fanden die Wissenschaftler heraus, dass sowohl gesunde Männer als auch pädophile Männer bereits bei der Betrachtung von Gesichtern spezielle messbare Hirnaktivitäten zeigen. Dazu wurde ebenfalls die Methode der funktionellen MRT angewendet. "Unsere Ergebnisse zeigen, dass die menschliche Gesichtsverarbeitung auf die Erkennung sexueller Alterspräferenzen abgestimmt ist", sagt Privatdozent Dr. Dipl.-Psych. Jorge Ponseti, Psychologe am Kieler Institut für Sexualmedizin, der die Studie leitete. Während gesunde heterosexuelle Männer bei der Betrachtung von Frauengesichtern in den entsprechenden Hirnarealen eine erhöhte Aktivität auswiesen, konnte diese bei pädophilen Männern während der Betrachtung von Kindergesichtern nachgewiesen werden. "Unsere Erkenntnisse könnten Auswirkungen sowohl für die Diagnose als auch für die Therapieplanung haben", ordnet Ponseti die Ergebnisse ein. "Sollte durch diese Methode eine ähnlich hohe Zuordnungssicherheit möglich sein, könnten die ethischen Fragen, die durch das Zeigen von Abbildungen nackter Kinder aufgeworfen werden, zukünftig umgangen werden."

Das Institut für Sexualmedizin und Forensische Psychiatrie und Psychotherapie unter der Leitung von Professorin Aglaja Stirn wurde im Oktober 2013 als Teil des Zentrums für Integrative Psychiatrie (ZIP gGmbH) des UKSH am Campus Kiel gegründet. Es beinhaltet auch die ehemalige Sektion für Sexualmedizin des UKSH. Neben der Forschung zu sexualmedizinischen und forensisch-psychiatrischen Fragestellungen bietet das Institut Studierenden der Medizin und der Psychologie ein Zertifikatsstudium "Sexualmedizin" an.


Originalpublikation:
Ponseti J, Granert O, van Eimeren T, Jansen O, Wolff S, Beier K, Deuschl G, Bosinski H, Siebner H. 2014 Human face processing is tuned to sexual age preferences. Biol. Lett. 20140200.
http://dx.doi.org/10.1098/rsbl.2014.0200


Für Rückfragen steht zur Verfügung:
PD Dr. Dipl.-Psych. Jorge Ponseti (UKSH und CAU)
E-Mail: ponseti@sexmed.uni-kiel.de


Verantwortlich für diese Presseinformation:

Oliver Grieve
Pressesprecher des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein
E-Mail: oliver.grieve@uksh.de
Campus Kiel Arnold-Heller-Straße 3, Haus 31, 24105 Kiel
Campus Lübeck, Ratzeburger Allee 160, 23538 Lübeck

Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
Presse, Kommunikation und Marketing, Dr. Boris Pawlowski
Redaktion: Claudia Eulitz
Postanschrift: D-24098 Kiel
E-Mail: presse@uv.uni-kiel.de
Internet: www.uni-kiel.de


Weitere Informationen finden Sie unter
http://www.uni-kiel.de

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution235

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, Dr. Boris Pawlowski, 21.05.2014
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Mai 2014