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STUDIE/570: Vertrauen in Ärzte sinkt (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 11/2016

UMFRAGE
Vertrauen in Ärzte sinkt

Von Dirk Schnack


So interpretieren zumindest Marktforscher ein Umfrageergebnis des aktuellen "Stada Gesundheitsreports".


Umfragen bestätigen in aller Regel, dass Ärzte in der Bevölkerung höchstes Vertrauen genießen. Auch im kürzlich in Hamburg präsentierten "Stada Gesundheitsreport 2016" schneiden Ärzte in puncto Vertrauen nicht schlecht ab. Die Interpretation der beauftragten Marktforscher von Kantar Health fiel dennoch anders aus als nach vergleichbaren Studien.

Grund: Der bislang geltende Grundsatz "Arzt vor Internet" scheint in der Bevölkerung nicht mehr Konsens zu sein, wenn es um gesundheitliche Probleme geht. Zwar wenden sich 49 Prozent der Menschen in Deutschland mit gesundheitlichen Problemen weiterhin zuerst an den Arzt. Aber die andere Hälfte sucht Unterstützung zunächst im Internet (17 Prozent), hört auf sich selbst (16 Prozent), auf Familie oder Freunde (elf Prozent), auf den Apotheker (sechs Prozent) oder vertraut auf andere Wege.

Ein sinkendes Vertrauen machen die Marktforscher auch daran fest, wie sich Menschen nach der ärztlichen Erstdiagnose weiter informieren. Zwei Drittel holen eine Zweitmeinung ein. Dabei ist die Hauptquelle das Internet, dann folgen das private Umfeld und die Apotheke. Erst an vierter Stelle steht ein zweiter Arzt.

Als Faustregel gilt hier: Je älter die Patienten, desto höher das Vertrauen in den Arzt, wobei Frauen grundsätzlich skeptischer sind. Von den jüngeren Befragten (18 bis 29 Jahre) gehen nur 36 Prozent mit gesundheitlichen Problemen zuerst zum Arzt. Die unterschiedlichen Einstellungen der Altersschichten zeigen sich auch in der Verordnungsdisziplin: Unter den 60- bis 70-Jährigen gaben 87 Prozent der Befragten an, Medikamente exakt so einzunehmen, wie der Arzt dies verordnet hatte. Unter den 18- bis 29-Jährigen waren es nur 64 Prozent.

Gefragt wurde auch nach den Gründen, den Arzt zu meiden. 13 Prozent gaben zu lange Wartezeiten und elf Prozent Zeitmangel an. Außerdem meinen elf Prozent, der Arzt könne ohnehin nicht helfen. Zu dieser Einschätzung gelangten wiederum jüngere Menschen deutlich häufiger als ältere.

Der Hamburger Arzt Dr. Johannes Wimmer, der durch Erklärvideos im Internet bekannt wurde und inzwischen im Fernsehen medizinische Sachverhalte verständlich erklärt, appellierte bei der Vorstellung der Ergebnisse an seine Kollegen, sich umzustellen. "Wir denken in unserem geschlossenen Raum Praxis oder Klinik. Online haben wir anderen überlassen, deshalb können wir im Internet auch kein Vertrauen aufbauen." Er forderte ein Umdenken von den Ärzten, auch in puncto Wartezeiten und Öffnungszeiten der Praxen. Hier sind die Ärzte nach seiner Beobachtung nicht flexibel genug, obwohl sich die Menschen im Internetzeitalter daran gewöhnt haben, schnelle und einfache Hilfe zu bekommen: "Da haben wir Ärzte viele Züge abfahren lassen."

Wimmer kritisierte auch, dass viele Ärzte ihren Patienten weder für die Wartezeit auf den Termin noch nach dem Praxisbesuch genügend Informationen an die Hand geben. Solche Informationen könnten aber helfen, zum Beispiel mit Tipps für Übungen bei Rückenbeschwerden.

Ein weiteres Ergebnis des Gesundheitsreports: 82 Prozent der Arbeitnehmer gehen trotz einer Erkältung zur Arbeit. Fast die Hälfte von ihnen begründet dies damit, dass sie Kollegen "nicht im Stich lassen" möchten, 39 Prozent haben einfach zu viel zu tun, 31 Prozent nehmen Erkältungen schlicht nicht ernst, 20 Prozent haben Angst vor ihrem Chef und 13 Prozent halten sich selbst für unverzichtbar.


Anmerkung

62 % der Deutschen fühlen sich laut Gesundheitsreport durch Rückenschmerzen in ihrem täglichen Leben beeinträchtigt. 30 Prozent unternehmen dennoch nichts gegen ihre Schmerzen. Besonders junge Menschen setzen darauf, dass die Schmerzen von allein wieder verschwinden.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 11/2016 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2016/201611/h16114a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
69. Jahrgang, November 2016, Seite 17
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Dezember 2016

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