Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → SOZIALES


STUDIE/674: Einfluss und Wirkung von Farben auf die Psyche ... Farbgestaltung im Krankenhaus (SHÄB)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 5, Mai 2022

Die Macht der Farben

von Astrid Schock


FARBGESTALTUNG. Weißes Haus, weiße Zimmerdecke, weißer Kittel. Muss ein Krankenhaus immer weiß sein? Wie verändern Farben in einem Krankenhaus die Gefühlswelt der Beteiligten? Pressegespräch zum Farbprojekt am Sankt Elisabeth Krankenhaus in Eutin.


Den Blick an die weiße Zimmerdecke gerichtet, angeschlossen an intensiv-medizinische Geräte, warten Patienten auf Genesung. Zum Teil müssen auf Intensivstationen Neuroleptika verabreicht werden, um Patienten vor Wahnvorstellungen, Depressionen und ähnlichen Krankheitsbildern während eines Klinikaufenthaltes zu schützen. Gibt es auch ohne medikamentöse Gaben die Möglichkeit, die Gefühlswelt der Patienten unmittelbar zu beeinflussen? Mit dieser Frage beschäftigte sich Prof. Axel Buether, Farbexperte und Farbforscher für den Einfluss und die Wirkung von Farben auf die menschliche Psyche, in einer Studie mit der Klinik für Intensivmedizin Helios, Universitätsklinikum Wuppertal.

Durch die farbliche Neugestaltung der operativen und konservativen Intensivstationen des Hauses und der wissenschaftlichen Begleitung des Projektes konnten u. a. folgende Erkenntnisse gewonnen werden:

  • das Wohlempfinden der Patienten konnte um 50 % gesteigert,
  • der Verbrauch von Neuroleptika um 30 % reduziert,
  • das Wohlbefinden des Personals um 44 % gesteigert
  • und der Krankenstand des Personal um 35 % reduziert werden

Die Ergebnisse zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen der Farbgestaltung und der Versorgung und Genesung der Patienten, aber auch bei der Arbeitsleistung des Personals gibt. Das Sankt Elisabeth Krankenhaus Eutin nutzt dieses Wissen in einem Projekt zur farblichen Gestaltung des bereits im Bau befindlichen Klinikanbaus sowie in der bestehenden Demenz- und Palliativstation und dem Eingangsbereich mit Cafeteria. "Wir möchten unserem Patienten- und auch Personalstamm die Möglichkeit geben, sich in unserem Haus maximal wohl, gut versorgt und behütet zu fühlen", sagt Geschäftsführer Dirk Beutin.

Das gemeinsame Projekt mit Professor Buether startete mit Gesprächen im Juni 2021. In einem darauffolgenden Workshop mit den Mitarbeitenden des Hauses wurden Vorstellungen, Wünsche und Ideen erarbeitet. Die Mitarbeitenden erhielten 1.500 Farbkarten und waren aufgefordert, diese nach unterschiedlichen Kriterien zu sortieren. "Es geht bei dem Prozess nicht um schön und hässlich, sondern um die Gefühle, die durch Farben ausgelöst werden", so Buether. Wird ein Krankenhaus betreten, entsteht ein direktes Empfinden. Dieses soll im besten Fall Behaglichkeit, Sicherheit und Wohlempfinden auslösen, nicht - wie so häufig - Angst, Unruhe und Stress. "Farben werden von Mensch zu Mensch unterschiedlich wahrgenommen, es gibt aber Farbgruppen, die nachweislich bestimmte Empfindungen auslösen", so Buether. Es gehe dabei nicht darum, ob der Mensch das ausgewählte Rot als hübsch bezeichnen würde, im besten Fall findet die Wahrnehmung sogar nur unterbewusst statt und löst einfach ein positives Gefühl aus. So vergleicht Buether das Betreten eines Krankenhauses mit einem Wald: "Der Mensch nimmt die Natur durch die Farben wahr. In einen blühenden, grünen Wald gehen Sie mit einem wohligem, gelöstem Gefühl, wirkt der Wald trüb und dunkel entwickeln Sie eher Vorbehalte".

Im Anschluss an den Workshop mit den Mitarbeitenden wurde ein Entwurf vorgestellt, der nochmals mit allen Mitarbeitenden besprochen und überarbeitet wurde. Die endgültige Fassung folgt bei weiterem Voranschreiten der Bauarbeiten. Bei der farblichen Gestaltung werden nicht nur die Patientenzimmer bedacht, sondern der komplette Neubau ist Teil des Projektes. Auch Gemeinschaftsräume, Stationsarbeitsräume und Flure werden farblich bewusst gestaltet. Während des Projektes wurden die gewünschten Gefühle, Aufgaben und Arbeitsweisen der jeweiligen Räume erarbeitet und den entsprechenden Farben zugeordnet. "Die Mitarbeitenden haben sich mit der gesamten Einrichtung auseinander gesetzt und sich überlegt, welches Gefühl in welchen Bereichen für eine optimale Genesung und Arbeitsleistung benötigt wird", sagte Petra Heidkamp, Qualitäts- und Klimamanagerin des Sankt Elisabeth Krankenhauses.

"Zwar strahlt ein weißer Kittel einen gewissen Grad an Autorität aus, und auch das weiße Bettlaken suggeriert Reinheit. Zum Wohlfühlen bedarf es aber Farbe - die im Übrigen Bakterien nicht mehr oder weniger anzieht", so Buether, auf dessen Homepage www.axelbuether.de die Studie einsehbar ist.

*

Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Nr. 5, Mai 2022
75. Jahrgang, Seite 25
Herausgeber: Ärztekammer Schleswig-Holstein
Bismarckallee 8-12, 23795 Bad Segeberg
Telefon: 04551/803-0, Fax: 04551/803-101
E-Mail: info@aeksh.de
Internet: www.aeksh.de
 
Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 2. Juli 2022

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang