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INITIATIVE/097: Flüchtlinge - Hilfe sofort (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 9/2015

Flüchtlinge
Hilfe sofort

Von Dirk Schnack


Neue Einheit für Flüchtlinge am FEK. Hohe Solidarität der Mitarbeiter, schnelle Hilfe vom Land.


Die anhaltend hohen Flüchtlingszahlen erfordern auch von den medizinischen Einrichtungen unbürokratische Lösungen vor Ort. Wie dies aussehen kann, zeigt das Beispiel des Friedrich-Ebert-Krankenhauses (FEK) in Neumünster. Dort eröffnet in diesem Monat eine medizinische Einheit zur Behandlung von Flüchtlingen. Damit reagiert das FEK auf die stark gestiegene Zahl von Flüchtlingen unter den Patienten seiner Notaufnahme. Für das Gesamtjahr rechnet das Krankenhaus, das nur wenige Meter von der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung des Landes entfernt liegt, mit rund 2.000 Flüchtlingen als Patienten. Für dieses zusätzliche Patientenaufkommen sind die Kapazitäten des Hauses nicht ausgelegt. Das FEK erhält deshalb vom Land Schleswig-Holstein finanzielle Unterstützung - zwei Millionen Euro fließen aus Landesmitteln, damit das FEK das im Haus entwickelte "Konzept zur integrierenden Versorgung" umsetzen kann. Auch für die kommenden Jahre wurde diese Summe in Aussicht gestellt. Das Personal soll aus dem vorhandenen Mitarbeiterstamm, aus den Reihen von Flüchtlingen und aus neu angeworbenen Kräften bestehen. Nach Ansicht von Ralph Müller-Beck, Staatssekretär im schleswig-holsteinischen Innenministerium, wird die Lösung bundesweiten Modellcharakter haben. Denn auch in anderen Erstaufnahmeeinrichtungen zeigt sich, dass die medizinischen Kapazitäten dort nicht ausreichen, um neben den Erstuntersuchungen auch eine medizinische Betreuung zu gewährleisten. Besonders nach den Dienstzeiten in den Erstaufnahmeeinrichtungen strömen die Flüchtlinge dann in die nächstgelegenen Krankenhäuser, um sich dort versorgen zu lassen.

Neben stark frequentierten Notaufnahmen bereiten den Verantwortlichen auch die begrenzten Kapazitäten für Röntgenuntersuchungen an vielen Standorten Kopfzerbrechen.

PD Dr. Ivo Heer, ärztlicher Direktor im FEK, machte bei der Vorstellung des Konzeptes deutlich, wie dringend aus Sicht der FEK-Mitarbeiter Hilfe geboten ist. Heer und seine Kollegen sehen in der Notaufnahme ein breites Spektrum an Erkrankungen unter den Flüchtlingen. "Es ist alles dabei", sagte Heer, der u. a. von einem afghanischen Jungen, der zu Fuß aus seiner Heimat nach Deutschland kam und im FEK wegen Verletzungen und mit Infektionen behandelt werden musste, berichtete. Heer will in der neuen Einheit ein multikulturelles Team bilden, das den sprachlichen und ethnischen Herausforderungen begegnen kann. Dazu sollen auch aus den Reihen der schon im Land befindlichen Flüchtlinge Ärzte und Pflegekräfte rekrutiert werden. Das Land will dafür sorgen, dass alle für die Arbeitserlaubnis erforderlichen Verwaltungsakte beschleunigt werden. Ein erster Schritt: Bislang wurde nicht erfasst, welcher Flüchtling Arzt ist. Diese Erfassung und die Weiterleitung an die entsprechenden Stellen sollen künftig schon vor der medizinischen Erstuntersuchung erfolgen - also direkt nach der Ankunft. So kann auch etwa die Ärztekammer schneller informiert werden.

Derzeit gibt es immer wieder Personalengpässe, so sucht das FEK zum Beispiel dringend eine arabisch sprechende Ärztin aus Syrien, weil viele Frauen aus diesem Land sich nicht von männlichen Ärzten untersuchen lassen wollen. Ein anderer Weg der Rekrutierung: Das FEK wird gezielt die zahlreich vorliegenden Blindbewerbungen von Ärzten aus den gesuchten Regionen filtern und sich um eine Arbeitserlaubnis bemühen. Beschäftigte im FEK haben außerdem schon deutlich gemacht, dass sie für eine begrenzte Zeit auch ihre Arbeitszeiten aufstocken würden. Auch ein zeitweiser Austausch von Personal zwischen Krankenhäusern ist denkbar, wenn Ärzte mit den gesuchten Sprachkenntnissen an anderen Standorten verfügbar sind. Heer geht für die neue Einheit von einer Personalstärke von sechs Ärzten, zehn Pflegekräften und drei Verwaltungsmitarbeitern aus. Die Finanzierung der neuen Einheit ist über die zusätzlichen Landesmittel gesichert. Müller-Beck machte deutlich, dass das Land jede Unterstützung gibt, um die Engpässe zu überwinden: "Wir werden das nötige Personal finden. Alles` was diesem Ziel im Wege steht, wird ausgeräumt", sagte er in Neumünster zu. Oberstes Ziel sei es, die Handlungsfähigkeit von Einrichtungen wie dem FEK sicherzustellen. "Da darf es keine falschen Kompromisse oder dauerhaft unvertretbare Unzulänglichkeiten geben", so Müller-Beck. Heer zeigte sich beeindruckt von der Rückendeckung, die das Krankenhaus von Stadt und Land erhält. Erst 14 Tage zuvor hatte sich das Haus mit dem Problem der zu stark belasteten Notaufnahme an die Stadt gewandt und sofort den Auftrag erhalten, ein Konzept zu erarbeiten. Die neue Einheit hat vier Aufgaben:

  • Infektionskrankheiten erkennen und entsprechend behandeln.
  • Zügige Behandlung ambulanter Fälle.
  • Bei Notwendigkeit einer stationären Behandlung diese vorbereiten.
  • Konzentrierte Übersetzungsdienste rund um die Uhr. Wo keine Dolmetscher persönlich eingesetzt werden, greift man auf Skype-ähnliche Dienste zurück.

Im FEK besteht nach Angaben von Pflegedirektor Christian de la Chaux eine geschlossen hohe Bereitschaft der Mitarbeiter, den Flüchtlingen zu helfen. "Es besteht eine große Solidarität in der Belegschaft", sagte de la Chaux. Heer machte deutlich, wie positiv das FEK die Hilfe für die vielen neu in Deutschland ankommenden Menschen sieht und dass für ihn nicht die damit zu lösenden Probleme im Vordergrund stehen sollten: "Die Flüchtlinge sind für unser Land eine Chance."

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Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

PD Dr. Ivo Heer, ärztlicher Direktor am Friedrich-Ebert-Krankenhaus (FEK) in Neumünster, leitet die neue Einheit für Flüchtlinge am FEK. Die Einheit soll noch in diesem Monat in Betrieb genommen werden und aus sechs Ärzten, zehn Pflegekräften und drei Mitarbeitern für die Administration bestehen. Die Einheit wird im 2. Obergeschoss in der Nähe des Haupteingangs eingerichtet und soll für eine deutliche Entlastung der stark frequentierten Notaufnahme sorgen.


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 9/2015 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2015/201509/h15094a.htm


Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de

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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt
68. Jahrgang, September 2015, Seite 20
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dirk Schnack (Ltg.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Oktober 2015

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