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PFLEGE/363: Demografischer Wandel - Leichte Entspannung bei Pflegefällen erwartet (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2008

Demografischer Wandel

Leichte Entspannung bei Pflegefällen erwartet


Pflegenotstand: Mit solchen Schlagworten wird in der öffentlichen Diskussion gern auf Herausforderungen in der Pflege hingewiesen. Am Rostocker Zentrum zur Erforschung des demografischen Wandels ist man weniger pessimistisch - sogar eine leichte Entspannung könnte nach Ansicht der Demografen eintreten. Denn nach ihrer Einschätzung wird die Zahl der alten Menschen mit leichten gesundheitlichen Beeinträchtigungen zwar stark zunehmen, schwere Pflegefälle aber werden künftig seltener.

Besonders Frauen sollten sich nach Ansicht von Prof. Gabriele Doblhammer auf ein langes Leben einstellen, das aber von leichten gesundheitlichen Beeinträchtigungen gekennzeichnet sein wird. Männer dagegen werden nach der Prognose der Leiterin des Rostocker Zentrums zur Erforschung des demografischen Wandels zwar gesünder, aber weiterhin kürzer leben als Frauen.

Nach ihren Daten sind nur zwölf Prozent der Frauen ab 50 über einen Sechs-Jahreszeitraum hinweg stabil gesund. Bei Männern beträgt dieser Anteil 18 Prozent. Wenn sich bei den Männern aber die Gesundheit verschlechtert, haben sie ein deutlich höheres Risiko zu sterben, als Frauen. Doblhammer hat auch herausgefunden, dass bei den Menschen ab 75 Jahren die Dauer der gesunden Lebensjahre leicht zunimmt und die Dauer der schweren Pflegebedürftigkeit abnimmt. Die Dauer der leichten Beeinträchtigungen aber steigt in dieser Altersgruppe deutlich an. Auf diese Veränderungen sollten sich besonders die Frauen einstellen, rät Doblhammer: "Frauen unterschätzen noch immer ihre Lebenserwartung. Sie bedenken oft nicht, dass sie bei schlechterer Gesundheit sehr alt werden können", sagt Doblhammer.

Mit der Zahl der leicht Pflegebedürftigen steigt nach ihren Erwartungen aber auch die Zahl der potenziell Pflegenden aus der Familie - denn in den kommenden Jahrzehnten werden weitaus mehr Menschen als bislang als Paar alt. Um den Ehepartnern die leichte Pflege zu ermöglichen, ist laut Doblhammer Unterstützung nötig. Mögliche Maßnahmen wären etwa eine angemessene Vergütung von Pflege in der Familie, die Anerkennung solcher Zeit als Rentenbeitragsjahre und zielgerichtete ergänzende Angebote durch ambulante Dienste. Zugleich müssten die Betroffenen selbst vorsorgen: "Jeder muss sich selbst überlegen, ob er für diese später anfallenden Kosten nicht heute auf Konsum verzichten kann. Es muss eine stärkere Präferenz für die Vorsorge entstehen", sagte Doblhammer.

Einen deutlich optimistischeren Ausblick als andere wagt das Zentrum auch im Hinblick auf die Erkrankungszahlen bei Demenz. Hier gehen Prognosen bislang von rund drei Millionen Erkrankten in Deutschland im Jahr 2050 aus. "Es ist möglich, dass die Zahl von drei Millionen Erkrankten im Jahr 2050 halbiert wird", sagte Doblhammers Mitarbeiterin Uta Ziegler in einem Pressegespräch in Rostock. Ziegler setzt bei ihrer Hochrechnung medizinischen Fortschritt und einen deutlich veränderten Lebensstil der Menschen voraus. Dazu gehören mehr Bewegung, eine gesündere Ernährung und mehr soziales Engagement. Unter diesen Annahmen hält sie es für möglich, dass die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, pro Jahr um ein Prozent verringert wird. Damit wären im Jahr 2050 in Deutschland "nur" rund 1,5 Millionen Menschen an Demenz erkrankt. Eine Veränderung des Lebensstils könnte nach ihrer Meinung nämlich dazu führen, dass Menschen später als bislang an Demenz erkranken - sie erwartet eine Verschiebung um vier Jahre. Für eine Hinauszögerung der Erkrankung könnte nach ihrer Einschätzung auch eine bessere Verfügbarkeit innovativer Arzneimittel sorgen. Derzeit erhält nach ihrer Einschätzung nur etwa jeder fünfte Demenzpatient die richtige Medikation. Als Gründe vermutet die Demografin die hohen Preise der Medikamente, zum Teil aber auch lückenhafte Kenntnisse der verordnenden Ärzte über die bestehenden Medikationsmöglichkeiten. (di)


Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2008 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2008/200812/h081204a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Dezember 2008
61. Jahrgang, Seite 75 - 76
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Karl-Werner Ratschko (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2009