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VERSICHERUNG/287: Haftpflichtversicherung für Ärzte - Erstaunen bei der Ärztekammer (SH Ärzteblatt)


Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt 12/2008

Haftpflichtversicherung für Ärzte

Erstaunen bei der Ärztekammer


Das AOK-Institut Medizinschaden hat mit seiner Forderung nach einer schärferen Überprüfung der Haftpflichtversicherung von Ärzten für Erstaunen bei der Ärztekammer Schleswig-Holstein gesorgt. Die Kammer sieht keine Veranlassung, als Kontrolleur der ärztlichen Haftpflichtversicherung aufzutreten.

"Ärzte sind verantwortungsbewusst genug, um selbst auf eine hinreichende Deckung ihrer beruflichen Haftpflicht zu achten. Die Kammer sieht keinen Grund, ihre Mitglieder mit Kontrollen zu gängeln. Dies wäre auch nicht praktikabel", sagte Robert Quentin. Damit reagierte der Pressesprecher der Kammer auf eine Forderung des AOK-Instituts Medizinschaden. Dessen Leiter Dr. Holger Thomsen hatte in einer Pressemittelung kritisiert, dass manche Ärzte angeblich nicht oder nicht ausreichend gegen Behandlungsschäden versichert sind. Er hatte die Kammer aufgefordert, auf eine hinreichende Versicherung der Mediziner gegen Haftpflichtansprüche zu achten. Der Ärztekammer liegen jedoch keine Hinweise, die die Beobachtungen des AOK-Instituts stützen würden, vor. Die Kammer weist insbesondere Berufsanfänger darauf hin, wie wichtig die gesetzlich vorgeschriebene Haftpflichtversicherung für einen Arzt ist.

Bekannt ist aber auch, dass sich Haftpflichtversicherer nach einem Schadensfall vom Versicherungsnehmer, also dem Arzt, trennen. Je nach Schweregrad kann es betroffenen Ärzten passieren, dass sie dann auch von anderen Versicherern abgelehnt werden. Einziger Ausweg ist in solchen Fällen, auf eine vergleichsweise teure Versicherung pro Eingriff einzugehen.

Thomsen zufolge erkennen viele Haftpflichtversicherer auch bei eindeutigen Sachverhalten wie einer Seitenverwechslung den entstandenen Schaden oft nicht mehr an. Der Krankenkasse bleibt dann nur der Klageweg, der für den Haftpflichtversicherer wenig Aussicht auf Erfolg hat - aber für einen zeitlichen Aufschub sorgt. Zugleich appellierte Thomsen an die Gerichte, die Gutachten medizinischer Sachverständiger "kritischer zu würdigen". Gelegentlich komme es zu "kollegenschützenden Haltungen" der medizinischen Sachverständigen, so der Eindruck des Institutsleiters. Gerichte sollten stärker auf persönliche und räumliche Distanz zwischen den bestellten Gutachtern und den beklagten Kliniken und Ärzten achten, riet Thomsen. Auch diesen Vorwurf hält die Ärztekammer für übertrieben. Quentin gab zu bedenken: "Hier könnte der Eindruck entstehen, ärztliche Sachverständige seien nicht neutral. Das ist falsch."

Das vor acht Jahren gegründete Institut hat bislang 2373 AOK-Versicherte wegen eines vermuteten Behandlungsfehlers beraten. 80 Prozent dieser Fälle wurden nicht weiter verfolgt, in aller Regel, weil sich die Vermutungen nicht bestätigten. Bei jedem fünften Fall erhärtete sich der Verdacht und der Fall wurde weiter verfolgt. Dabei kann es sich im Einzelfall um einen über Jahre nicht abgeklärten Tumor oder über einen unzureichend untersuchten Notfall handeln. Die AOK hat sich über die verfolgten Fälle insgesamt 7,1 Millionen Euro Schadensersatz erstritten. Die Krankenkasse darf dabei aber nur ihre eigenen Ansprüche geltend machen. Die Versicherten können allerdings auf die Beweislage zurückgreifen und damit ihr eigenes Prozessrisiko besser einschätzen. Die meisten vermuteten Behandlungsfehler registriert das Institut in der Chirurgie (36 Prozent), gefolgt von der Orthopädie (14 Prozent) und der Gynäkologie (zwölf Prozent). Viele Fälle wären nach Beobachtung Thomsens vermeidbar, wenn auf eingetretene Komplikationen schneller reagiert wird. Er rät zu einer intensiveren Kommunikation zwischen Behandlern und Patienten. (di)


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Gesamtausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts 12/2008 im Internet unter:
http://www.aeksh.de/shae/2008/200812/h081204a.htm

Zur jeweils aktuellen Ausgabe des Schleswig-Holsteinischen Ärzteblatts:
www.aerzteblatt-sh.de


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Quelle:
Schleswig-Holsteinisches Ärzteblatt Dezember 2008
61. Jahrgang, Seite 41
Herausgegeben von der Ärztekammer Schleswig-Holstein
mit den Mitteilungen der
Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein
Redaktion: Dr. Karl-Werner Ratschko (V.i.S.d.P.)
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Das Schleswig-Holsteinische Ärzteblatt erscheint 12-mal im Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 29. Januar 2009