Schattenblick → INFOPOOL → MEDIZIN → TECHNIK


FORSCHUNG/219: Mucinbeschichtete Kontaktlinsen - Mit Magenschleim gegen trockene Augen (idw)


Technische Universität München - 01.08.2017

Mit Magenschleim gegen trockene Augen


Trockene Augen und reibende Kontaktlinsen nach einem langen Arbeitstag am Computer sind nicht nur schmerzhaft, sondern schädigen auch auf Dauer das Augengewebe. Hilfe könnte ein natürlicher Schleimbestandteil, ein so genanntes Mucin, bringen. Ein Team der Technischen Universität München (TUM) konnte jetzt zeigen, dass Kontaktlinsen, die mit Mucinen aus der Magenschleimhaut von Schweinen beschichtet waren, keine Schäden am Auge verursachten.


Abbildung: © Benjamin Winkeljann / Technische Universität München

Dreidimensionale, topografische Darstellung eines lokalen Gewebeschadens (Streifen in der Bildmitte) auf der Hornhaut nach einem Reibungsversuch mit unbeschichteten Kontaktlinsen.
Abbildung: © Benjamin Winkeljann / Technische Universität München

Mucine sind Moleküle, die in der Lage sind Wasser zu binden und so einen natürlichen Schmierstoff bilden. Nicht nur unsere Tränen enthalten solche Mucine, sie kommen auch in der schützenden Schleimschicht in Magen oder Darm vor. Patienten, die unter trockenen Augen leiden, mangelt es meist an diesem molekularen Schmierstoff in der Tränenflüssigkeit: dem Mucin MUC5AC.

Vor allem beim Tragen von Kontaktlinsen kann das Fehlen von MUC5AC zusätzlich problematisch sein: Ohne den schützenden Gleitfilm zwischen Auge und Linse wird das Gewebe der Hornhaut verletzt. Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Prof. Oliver Lieleg, Professor für Biomechanik und Leiter der Arbeitsgruppe "Biopolymere und Bio-Grenzflächen" an der Munich School of BioEngineering, hatten deshalb die Idee das fehlende Mucin direkt auf die Linse aufzubringen.

Mucinbeschichtung verhindert Gewebeschäden

Für die Versuche benötigten die Forscherinnen und Forscher größere Mengen des Moleküls. Menschliche Tränen fielen damit als mögliche Quelle aus. Das Team entwickelte deshalb ein Verfahren weiter, mit dem sie das Mucin aus den Mägen von Schweinen isolierten. Dieses Schweinemucin ist in seiner Struktur dem menschlichen Molekül MUC5AC sehr ähnlich. Besonders wichtig war dabei, dass die Substanz ihre charakteristische Eigenschaft als Schmierstoff behält und sich chemisch durch das Reinigungsverfahren nicht verändert. "Die meisten bisher kommerziell erhältlichen Mucine, die momentan z.B. zur Behandlung von Trockenheit im Mundraum eingesetzt werden, haben genau diese Fähigkeit verloren, das haben wir in mehreren Versuchen zeigen können. Man könnte sich somit auch Wasser in den Mund sprühen. Diese Mucine können deshalb auch nicht bei trockenen Augen helfen.", erklärt Lieleg.

In Experimenten an einem präparierten Schweineauge testeten sie dann, wie ihr speziell isoliertes Mucin auf Kontaktlinsen wirkt. Das Team um Oliver Lieleg konnte mikroskopisch nachweisen, dass keine Gewebeschäden mehr durch die Linsen auftraten, wenn sie mit Mucin beschichtet war. "Wir haben festgestellt, dass das Mucin von alleine an dem Linsenmaterial haftet und es deshalb gleitfähig hält", erklärt Benjamin Winkeljann, Erstautor der Studie. Aus Sicht der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würde es somit ausreichen, die Kontaktlinsen zum Beispiel über Nacht in einer Mucinlösung zu lagern.

Dauerhafter Schutz ohne Nachtropfen

Die Beschichtung mit Mucin bietet mehrere Vorteile: Medikamente, die bereits gegen trockene Augen auf dem Markt sind, nutzen primär Hyaluronsäure. Diese kommt aber im Gegensatz zu Mucin nicht in der menschlichen Tränenflüssigkeit vor. Während Hyaluronsäure als Tropfen in das Auge eingebracht wird und deshalb über den Tag verteilt mehrfach angewendet werden muss, haftet Mucin direkt an der Linse und schützt das Auge so dauerhaft. In den nächsten Schritten soll das Mucin aus den Schweinemägen weiter getestet werden, um es bald beim Menschen einsetzen zu können.


Original-Publikation
Winkeljann B., Boettcher K., Balzer B. N., Lieleg O., "Mucin coatings prevent tissue damage at the cornea-contact lens-interface", Advanced Materials Interfaces, Juli 2017, DOI: 10.1002/admi.201700186

Kontakt

Prof. Dr. Oliver Lieleg
Technische Universität München
Professur für Biomechanik
Fakultät für Maschinenwesen und Munich School of BioEngineering
E-Mail: oliver.lieleg@tum.de

Weitere Informationen

Professorenprofil für Prof. Oliver Lieleg
http://www.professoren.tum.de/lieleg-oliver/

Webseite der Arbeitsgruppe "Biopolymere und Bio-Grenzflächen"
http://www.mw.tum.de/bme/startseite/

TUM Munich School of BioEngineering
http://www.bioengineering.tum.de/

Hochauflösende Bilder für die redaktionelle Berichterstattung:
https://mediatum.ub.tum.de/1374906

Weitere Informationen finden Sie unter

https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/pressemitteilungen/detail/article/34104/
Dieser Text im Web

https://mediatum.ub.tum.de/1374906
Hochauflösende Bilder für die redaktionelle Berichterstattung

https://www.tum.de/die-tum/aktuelles/
Alles Pressemeldungen der TU München

Kontaktdaten zum Absender der Pressemitteilung stehen unter:
http://idw-online.de/de/institution73

*

Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft - idw - Pressemitteilung
Technische Universität München, Dr. Ulrich Marsch, 01.08.2017
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2017

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang