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HINTERGRUND/144: Konzerthausstreit - Die Wahl zwischen gut und besser (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 12 vom 7. Juli 2009

Konzerthausstreit: Die Wahl zwischen gut und besser

Von Martin Morgenstern


Neuer Saal in den alten Kulti oder Neubau eines Konzerthauses? Zumindest der Architektenwettbewerb für erstere Variante ist entschieden.


Fast täglich gibt es derzeit Neuigkeiten vom Dresdner Konzerthausstreit, über den das UJ bereits berichtet hat (Ausgabe 6/09 vom 31.3.09, S. 3: »Ideeller Wert über die bauliche Substanz hinaus«). Die vor allem finanziell recht komplexe Problematik, an der der alte und der neue Stadtrat, die sächsische Landesregierung und beide Orchester nach wie vor knabbern, ließe sich vereinfacht vielleicht auf folgende Entscheidungsfrage reduzieren: Was ist für die Geldgeber preiswerter, der Einbau eines hochwertigen Konzertsaales in den Kulturpalast und die Ertüchtigung der Messe am Ostragehege für all die Großveranstaltungen, die dann aus der Stadtmitte weichen müssten; oder die generelle Renovierung des Kultis und der Neubau eines Konzerthauses für beide Dresdner Spitzenorchester? Und, aus Sicht vieler Fachleute die viel wichtigere Frage: Was kostet jeweils der laufende Betrieb dieser beiden Lösungen?

Von der Technischen Universität Dresden kam und kommt da noch immer argumentative Schützenhilfe für beide Varianten. So stellte das vom Institut für Kommunikationswissenschaft erstellte »DNN-Barometer« kürzlich fest, dass eine Mehrheit der Dresdner den laut Stadtratsbeschluss geplanten Umbau des Kulturpalastes ablehnt und den Neubau eines Konzerthauses befürwortet (DNN vom 15. Juni 2009). Noch im Februar hatten fast fünfzig Prozent aller Befragten Zustimmung zu den städtischen Umbauplänen signalisiert. Erstaunlich dabei: Es sind vor allem ältere Dresdner, die sich ein neues Konzerthaus wünschen. Fast zwei Drittel der über 60-Jährigen befürwortet laut der genannten Umfrage momentan einen Neubau. Als architektonische Diskussionsgrundlage dienen dabei ein Entwurf des Architekten Professor Manfred Zumpe, aber auch drei aktuelle Diplomarbeiten an der Professur für Wohnungsbauten, die jeweils eigene Visionen von einem Konzerthaus am Elbufer vorstellen.

Auf der anderen Seite kämpft die städtische Philharmonie, deren Kollegen den seit Jahren schwelenden Streit gründlich satt haben und sich mehrheitlich freuen, dass sich nun - mit dem diese Woche entschiedenen Architektenwettbewerb - endlich etwas für eine Verbesserung ihres täglichen Arbeitsortes zu tun scheint. Hatte der Intendant, Anselm Rose, vor Jahresfrist in einem Interview noch zu Protokoll gegeben, der Standort für einen neuen Saal sei »zunächst sekundär« (siehe das entsprechende Interview auf www.musik-indresden. de), so wurde er von seiner Arbeitgeberin, der Stadt, alsbald »eingenordet« und macht sich seitdem ausschließlich für den Einbau eines neuen Saales in den Kulturpalast stark.

Die Argumentation der Kollegen aus der Sächsischen Staatskapelle, durch Denkmalschutzbestimmungen sei hier akustisch nur Flickwerk möglich, und ihre klar ausgesprochene Entscheidung, auch nach einem Umbau definitiv nicht im Kulturpalast zu spielen, haben auf Stadtseite bisher niemanden beeindruckt. Die Jury des Architektenwettbewerbs zeigt sich nach wie vor überzeugt, ein akustisch erstklassiger Saal sei auch in der alten Hülle des Kulturpalastes möglich, und krönte am 18. Juni 2009 den Entwurf des Büros von Gerkan, Marg und Partner (gmp) zum Sieger. Die Akustik des neuen Konzertsaales stammt vom renommierten Berliner Büro »ADA - Acoustic Design Ahnert«. Prof. Wolfgang Ahnert hat an der TU Dresden studiert, promoviert und 1992 seine Habilitationsschrift zur »Manipulation akustischer Schallfelder« verfasst. Sein Büro realisierte unter anderem bereits die Akustik verschiedener Opern-, Konzert- und Theaterhäuser in Moskau, Cottbus, Gera oder Potsdam.

Doch selbst wenn sich herausstellen sollte, dass die Realisierung des neuen Konzertsaales akustisch zufriedenstellend und vor allem im von der Stadt vorgegebenen knappen Kostenrahmen (!) möglich ist, muss sich der Stadtrat die Frage gefallen lassen, ob ein Konzerthausneubau nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Betriebskosten nicht doch die günstigere Lösung wäre. Hat doch das Land Sachsen zumindest eine Beteiligung an den Baukosten signalisiert; weswegen der Neubau die Stadt kaum teurer zu stehen käme als die umfängliche Sanierung des Kulturpalastes und die Ertüchtigung der Messe. Um genauere Antworten geben zu können, müsste eben eine von vielen Seiten bereits wiederholt angemahnte Machbarkeitsstudie durchgeführt werden, sagt auch Carsten Rennecke. Der Fachmann für Kultureinrichtungen und Veranstaltungsstätten hat unlängst an der öffentlichen Podiumsdiskussion der Konzerthaus-Initiative teilgenommen und dort vor allem fachliche Argumente aus Sicht eines Veranstaltungsmanagers beigesteuert. So sah Rennecke Probleme auf die Stadt zukommen, wenn größere Veranstaltungen aus dem zentral gelegenen Kulturpalast in die ferne Messe ausgelagert werden sollen. Ob die Veranstalter dorthin mitgehen, bezweifelt auch sein Kollege, der Dresdner Konzertveranstalter und ehemalige Stadtrat Bernd Aust. »Betrachtet man die Herangehensweise der Planer, so ist offensichtlich, mit wie wenig Sachkenntnis an die Umsetzung gegangen wird«, polterte Aust jüngst in einem öffentlichen Brief an die Stadt. »Einen Konzertsaal zu planen, ohne den zusätzlichen Bau eines attraktiven Probensaals überhaupt anzudenken - das zeigt, wie wenig die Befürworter des Umbaus mit der Materie eines Orchesterbetriebes vertraut sind. Oder will man in Kauf nehmen, dass die Dresdner Philharmonie aus Ermanglung eines qualifizierten Probenraumes sämtliche Proben in dem dann neu geschaffenen Konzertsaal durchführt und somit die wirtschaftliche Vermarktung des Saal unmöglich macht?«

Der Leser, der sich bis hierher durchgekämpft hat, merkt: einfach ist die Problematik nicht. Umso mehr sind nüchterne Sachargumente gefragt; Fachleute, die der einen oder anderen Seite endlich einmal fundierte Argumente pro oder contra an die Hand geben. Auch TUD-Kollegen könnten sich hier einbringen: etwa Professuren, die sich mit kulturwirtschaftlichen, touristischen, akustischen, architektonischen oder anderen Teilfragen beschäftigen. Warum nicht eine Diplom- oder Masterarbeit zu einem der genannten Teilthemen vergeben? Der neue Stadtrat scheint seine Entscheidung zum Umbau des Kulturpalastes vielleicht sogar noch einmal revidieren zu wollen; die Mehrheiten haben sich jedenfalls mit der Wahl in Richtung Konzerthaus verändert. Ob es Dresden nach den endlosen Brückenquerelen und den architektonischen Lächerlichkeiten am Postplatz vielleicht wenigstens in dieser Frage schafft, das städtebaulich Schlimmste zu verhüten?


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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 20. Jg., Nr. 12 vom 07.07.2009, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2009