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INTERVIEW/014: Gutzeit, Körner, Gossenhauer - und was noch alles werden soll (SB)


Ist der Traum aus?

Interview mit Claus Vaith von den Hamburg Gossenhauern am 8. Dezember 2012 in Hamburg


Beim Auftritt in der 'Villa am Park' - Foto: © 2012 by Schattenblick

Claus Vaith
Foto: © 2012 by Schattenblick

Es war nicht leicht, Claus für ein Interview am Abend des 8. Dezember zu treffen, an dem bei einem Liederabend der besonderen Art die Gruppe Gutzeit, die Oma Körner Band und zuletzt die Hamburg Gossenhauer mit Claus Vaith und Malte Hansen auftraten. Mit Rocksongs der 70er und 80er, Balladen von Rio Reiser, politischen Kampfliedern wie Bella Ciao und Songs aus eigener Feder brachten die Gossenhauer die kleine "Villa im Park" am Else-Rauch-Platz in Hamburg-Eimsbüttel zum Kochen. "Wenn die erst einmal spielen", hieß es aus berufenem Mund von Kneipenchef Kai-Jo, "kann das drei Stunden dauern". Aber dann konnte der Schattenblick doch eine Lücke nutzen - und herausgekommen ist ein kleines, sehr engagiertes Gespräch.

Schattenblick: Könntest du uns ganz kurz etwas zu deiner Geschichte und deinem bzw. eurem musikalischen Werdegang sagen?

Claus Vaith: Anfang der achtziger Jahre waren wir eine Band, die Antropos hieß, ein Trio. Wir haben zu Zeiten der Friedensbewegung eigene Musik gemacht, Rockmusik mit deutschen, politischen Texten, und auf vielen Festivals und Friedenskundgebungen gespielt. Die Band hat sich dann leider Mitte der achtziger Jahre aufgelöst. Wir sind alle unseren Berufen nachgegangen, haben aber immer noch weiter Musik gemacht. Manchmal treffen wir uns noch, heute spielen wir eher Sachen nach, aber eben auf unsere Art und Weise unplugged und bei bestimmten Veranstaltungen unsere alten Stücke.

SB: Wieviel von dem, was ihr heute gespielt habt, war von euch selbst?

CV: Ehrlich gesagt nicht so viel, wir wollten heute eher politische Lieder bringen, die viele Leute kennen und mitsingen können, Rio Reiser, was von Antropos, Bella Ciao, das ist ja ein Klassiker, und dann natürlich auch ein bißchen was zur Party. Ich finde, das gehört zusammen, das darf man gar nicht trennen. Es sind ja die gleichen Menschen und die wollen nicht immer nur hören, was für Probleme wir haben, sondern die wollen auch einfach mal feiern. Nur wer feiert und positiv an die Dinge 'rangeht, kann auch gut für seine Rechte eintreten.

SB: Mir hat gefallen, daß ihr mit "Der Traum ist aus" von Ton, Steine, Scherben angefangen habt. Das ist ein Lied, das mich in meiner Jugend sehr bewegt hat. Wie kommt so etwas heute an? Gibt es da vielleicht ganz neue Resonanzen?

CV: Das kommt natürlich darauf an, wo man spielt. Aber viele Jugendliche haben heutzutage ein unglaubliches Gerechtigkeitsgefühl. Das Gefühl von einem gerechtem Leben, von einer besseren Welt, dafür ist heute ja kein Raum, sondern es wird alles schön geredet und mit seinen Problemen bleibt man irgendwo auf der Strecke. Ich glaube, daß viele Leute heutzutage so ein Gerechtigkeitsgefühl haben, daß man sie nur einfach wecken muß, das laut zu sagen, denn viele trauen sich nicht. Deswegen sind solche Lieder wichtig. Man kann alles verbieten, man kann Demos unterdrücken, gegen Nazis zum Beispiel durch massiven Polizeieinsatz, aber man kann eben nicht unsere Träume verbieten und die müssen wir uns auf jeden Fall bewahren.

SB: Eure Stücke sind ja weniger beschaulich, sondern mehr in Richtung zuzupacken, aufzustehen und gegen anzugehen. Entspricht das auch deiner eigenen Einstellung, lebst Du das?

CV: Auf jeden Fall. Ich war immer schon so, daß ich mich eingesetzt habe für Leute, die ihre Rechte einfordern. Wir sind hier in Eimsbüttel aufgewachsen, da war das noch ein Arbeiterstadtteil. Wir haben für ein Jugendzentrum gekämpft, für mehr Lehrstellen, gegen Nazis, wir haben leere Häuser besetzt und uns eigentlich immer stark gemacht für die Leute, die hier leben. Das ist so eine kämpferische Einstellung, aber die kommt aus der Seele und aus dem Herzen.

SB: Was machst du aktuell? Ist Musik für dich ein Broterwerb oder spielt ihr eher zum Spaß?

CV: Als Band spielen wir schon auf vielen Veranstaltungen, wir werden zum Beispiel auf Straßenfesten, von Tourismusbüros für Events engagiert oder privat bei Leuten, die Geburtstage oder Hochzeiten feiern, so was machen wir natürlich, denn man muß ja irgendwie Geld verdienen. Aber wenn wir können und wo es sich anbietet, spielen wir auch kritische Töne. Man muß immer sehen, wo das ist, aber eine Ansage zu Gerechtigkeit und Frieden ist immer dabei.

Beim Auftritt - Foto: © 2012 by Schattenblick

Claus und Malte in der "Villa am Park" in Eimsbüttel Foto: © 2012 by Schattenblick

SB: Du spielst akustische Gitarre und Malte ein Schlaginstrument...

CV: Ja, eine Cajon, das machen mittlerweile viele Leute. Man kann damit sehr gut ein Schlagzeug imitieren und auch in kleineren Räumen spielen, aber auch auf großen Festivals, wenn es verstärkt wird. Es ist sehr einfach zu handhaben, man muß es nicht großartig aufbauen. Wir wollen mit kleinem Aufwand viel rüberbringen.

SB: Ihr habt in eurem Auftritt durchaus den Impact einer Rockband. Bist du nicht manchmal versucht, eure Musik in einer Rockband zu produzieren - das läge ja durchaus nahe?

CV: Der Gedanke ist natürlich immer, daß man noch einmal seine eigenen Stücke spielt. Aber das ist eben auch eine unglaubliche Arbeit, die dahintersteckt. Damit in einem Club engagiert zu werden, ist echt schwierig. Dafür müßte man dann schon wieder bekannter sein. Wir haben in unserem Leben viel gemacht, auch Platten und CDs produziert, viel geackert, Türklinken bei Musikverlagen geputzt, das ist echt harte Arbeit. Jetzt wollen wir es über diesen Weg versuchen, daß wir spielen, daß Leute uns kennenlernen und sagen, das war toll, wo spielt ihr das nächste Mal?, wir kommen wieder. Und wenn es dann immer mehr werden, ist das schön.

SB: Euer Auftritt ist eine ganz eigene Mischung von politischem Anspruch und Stimmungsmache. Dabei geht ihr richtig aus euch raus, aber dahinter scheint auch eine große Nachdenklichkeit zu stehen?

CV: Ja, das stimmt. Ich denke, daß Menschen, die große Emotionen rauslassen können, nach innen sensibel sind, wenn es um andere Dinge geht. Das hängt meistens unmittelbar zusammen, weil es einfach Gefühle sind, die sie zeigen, in die eine oder andere Richtung. Ich bin froh, daß ich das kann, daß ich mit Musik Stimmung, aber auch nachdenklich machen und Gefühl rüberbringen kann. Das find' ich ganz wichtig und darüber bin ich froh.

SB: Ist es das, was dich mit Rio Reiser verbindet?

CV: Rio Reiser war für mich eigentlich der größte Sänger überhaupt. Ich würde ihn nicht mal politisch nennen. Er hat ja eigentlich nur die Themen der Zeit damals aufgegriffen, die alle bewegt haben, und hat die Menschen einfach angeregt mit diesen Songs. Ich finde, die gehen ganz tief rein. Rio Reiser war für mich der Größte seiner Zeit, und ist es eigentlich bis heute.

SB: Dein eigenes Lied "Warum tu ich mir das an?" bringt ja auf eine fast nüchterne Weise die Frustration zum Ausdruck, die mit politischer Arbeit oft verbunden ist.

CV: Es ist ja so, wenn du dich hinstellst als Sänger, stellst du schnell fest, es wurde alles schon gesagt. Es gibt so viele Friedenslieder, so viele Lieder gegen Nazis, Faschismus und so weiter - und die Leute haben es trotzdem nicht kapiert. Natürlich kann man immer wieder neue Lieder schreiben, aber manchmal fragt man sich: "Warum tu ich mir das an?" Aber wenn man es nicht machen würde, wäre man nicht man selbst, dann würde man jemand anderes sein. Man muß einfach das machen, was einen selber antreibt.

SB: Ich habe den Eindruck, daß die Musik das Medium ist, dich auszudrücken, anders könntest du das nicht. Stimmt das?

CV: Ja. Wenn ich die Gitarre umhabe und das Mikrofon, dann fühle ich mich sehr stark.

SB: Und ist der Faktor, daß man zusammen singt - "Forever young" zum Beispiel ist ja kein explizit politisches Lied - etwas, das für sich schon was bewegt?

CV: Es ist genau das, was man erreichen will. Am schönsten wäre es natürlich, wenn man nur eigene Sachen hätte, die das alles rüberbringen, daran muß man vielleicht arbeiten, aber es gibt auch so viel andere schöne Musik, die so einen Abend für die Leute positiv und fröhlich macht. Wer feste kämpft, der kann auch feste feiern, sag' ich mal so. Zu sagen, jetzt machen wir politische Musik und morgen machen wir unpolitische Musik, ist Quatsch. Das gehört alles zusammen.

SB: Claus, vielen Dank für das Gespräch.

17. Dezember 2012