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GALAXIS/195: Riesiges Band aus Gas in der Umgebung der Milchstraße (Universität Potsdam)


Universität Potsdam - Pressemitteilung vom 9. August 2013

Riesiges Band aus Gas in der Umgebung der Milchstraße

Internationales Forscherteam unter Beteiligung der Universität Potsdam enträtselt den "Magellanschen Strom"



Die Milchstraße ist umgeben von einem gigantischen Band aus Gas, das im Zusammenhang mit zwei kleineren Begleitgalaxien der Milchstraße, den beiden Magellanschen Wolken, steht. Seit über 40 Jahren rätseln Wissenschaftler über den genauen Ursprung dieses sogenannten "Magellanschen Stroms". Nun hat ein internationales Forscherteam - unter maßgeblicher Mitwirkung von Wissenschaftlern der Universität Potsdam - anhand von Beobachtungen mit dem Hubble-Weltraumteleskop und dem ESO Very Large Telescope das Rätsel um den Magellanschen Strom gelöst. Die Ergebnisse wurden in zwei Artikeln in der US-amerikanischen Fachzeitschrift "The Astrophysical Journal" veröffentlicht.

Quelle: © NASA, ESA

Magellanscher Strom
Quelle: © NASA, ESA

Mithilfe neuer Beobachtungsdaten, die mit dem Hubble-Spektrographen COS gewonnen wurden, konnten die Forscher mit großer Genauigkeit die chemische Zusammensetzung des Magellanschen Stroms an verschiedenen Punkten bestimmen und somit dem Ursprung des Gases auf den Grund gehen. Dazu untersuchten die Wissenschaftler die Ultraviolett-Spektren von fernen Quasaren, die sich räumlich hinter dem Magellanschen Strom befinden und deren Strahlung das Gas des Stroms durchleuchtet. Bei ihrer Analyse stießen die Forscher auf Überraschendes: Die chemische Zusammensetzung des Magellanschen Stroms ist nicht homogen, sondern variiert von einem Ende zum anderen.

"Damit hatten wir nun überhaupt nicht gerechnet", erläutert Prof. Dr. Philipp Richter vom Institut für Physik und Astronomie der Universität Potsdam, verantwortlicher Autor eines der beiden Artikel. "Bislang war man davon ausgegangen, dass das Gas entweder aus der einen oder aus der anderen Magellanschen Wolke stammt. Unsere Studie zeigt jedoch eindeutig, dass beide zu diesem gigantischen Gas-Reservoir beigetragen haben müssen."

Der Löwenanteil des Gases, das einen relativ geringen Anteil an schweren chemischen Elementen aufweist, hat nach Aussagen der Forscher seinen Ursprung in der kleineren der beiden Nachbargalaxien, der Kleinen Magellanschen Wolke. Von dort wurde das Gas vor zirka zwei Milliarden Jahren durch Gravitationskräfte abgelöst. In einer anderen Region der Wolke ist der Anteil schwerer Elemente jedoch um einen Faktor fünf erhöht. "Dieses Material stammt offensichtlich aus der Großen Magellanschen Wolke und ist jüngeren Datums", so Richter. Zusammen mit seinen Kollegen vermutet er, dass junge, heiße Sterne in der Großen Magellanschen Wolke das chemisch angereicherte Material aus der Galaxie herausgeblasen haben.

Der Magellansche Strom ist ein Relikt aus einer lang vergangenen, frühen Entwicklungsphase der Magellanschen Wolken und gibt somit einen tiefen Einblick in die "Kinderstube" unser Nachbargalaxien. In ferner Zukunft wird der Magellansche Strom auch die Entwicklung der Milchstraße maßgeblich beeinflussen, denn der Strom enthält vermutlich mehr als 100 Millionen Sonnenmassen an gasförmigem Material, das von unserer Heimatgalaxie eingesammelt und in neue Sterne umgewandelt werden wird.

Doch die wissenschaftliche Bedeutung der Ergebnisse geht weit über unsere lokale galaktische Nachbarschaft hinaus: "Alle Galaxien im Universum sind von großen Mengen von Gas umgeben", erläutert Prof. Philipp Richter. "Dieses Gas wird von den Galaxien über einen Zeitraum von vielen Milliarden Jahren aufgesammelt und bildet den 'Treibstoff' für viele neue Sterngenerationen in den Galaxien. Die Ergebnisse zum Magellanschen Strom sind somit von Relevanz für unser Verständnis der Entstehung und Entwicklung von Galaxien im Allgemeinen."


Weitere Informationen:

Internet: Eine wissenschaftliche Diskussion der Ergebnisse findet sich auch in der Online-Ausgabe von NATURE:
http://www.nature.com/news/giant-band-of-galactic-gas-likely-has-dual-origin-1.13020

Die Ergebnisse zu dieser Studie sind in zwei Artikeln in der 1. August- Ausgabe der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal (http://iopscience.iop.org/0004-637X/) veröffentlicht:

1) "The COS/UVES absorption survey of the Magellanic Stream: I. One-tenth solar abundances along the body of the stream". (A. J. Fox (STScI, USA), P. Richter (University of Potsdam, Germany), B. P. Wakker (University of Wisconsin-Madison, USA), N. Lehner (University of Notre Dame, USA), J. C. Howk (University of Notre Dame, USA), N. B. Bekhti (University of Bonn, Germany), J. Bland-Hawthorn (University of Sydney, Australia), S. Lucas (University College London, UK))

2) "The COS/UVES absorption survey of the Magellanic Stream: II. Evidence for a complex enrichment history of the stream from the Fairall 9 sightline". (P. Richter (University of Potsdam, Germany), A. J. Fox (STScI, USA), B. P. Wakker (University of Wisconsin-Madison, USA), N. Lehner (University of Notre Dame, USA), J. C. Howk (University of Notre Dame, USA), J. Bland-Hawthorn (University of Sydney, Australia), N. B. Bekhti (University of Bonn, Germany), C. Fechner (University of Potsdam, Germany))

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Quelle:
Medieninformation Nr.: 2013-122 vom 9. August 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. August 2013