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INSTRUMENTE/265: Europas Weg zum weltweit größten Teleskop (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 12/09 - Dezember 2009
Zeitschrift für Astronomie

Europas Weg zum weltweit größten Teleskop

Von Markus Kissler-Patig


Welch ein Fortschritt in 400 Jahren: Das erste Teleskop, mit dem Galileo Galilei den Himmel beobachtete, hatte einen Durchmesser von nur 37 Millimetern. Heute plant Europa das E-ELT, ein Teleskop mit unglaublichen 42 Metern Durchmesser - Weltrekord! Welche Technologien werden in dem neuen Riesenteleskop eingesetzt, und welche aufregenden Entdeckungen können wir von solch einem Teleskop erwarten?


Die Geschichte der Astronomie geht Jahrtausende zurück. Im Vergleich dazu ist die Geschichte des Teleskops verhältnismäßig jung. Gerade einmal 400 Jahre ist es her, seit Optiker in Holland das Fernrohr erfanden. Das enorme Potenzial dieser Entwicklung wurde sehr schnell erfasst - erst für militärische Zwecke, kurz darauf, mit Galileo, auch für wissenschaftliche. Das Teleskop lieferte die Beweise, die das ptolemäische Weltbild stürzten und das kopernikanische Weltbild endgültig etablierten. Somit beeinflusste es maßgeblich innerhalb nur weniger Jahre unsere kulturhistorischen Wurzeln.


Von Galileo bis ins 20. Jahrhundert

Während der letzten vier Jahrhunderte wurde das Teleskop stetig weiterentwickelt, und mit seiner Hilfe gewannen die Astronomen immer wieder revolutionäre neue Erkenntnisse über unser Universum. Während Galileo ein Teleskop benutzte, dessen Optik noch aus Linsen bestand, den Refraktor, entwarf Isaac Newton wenige Jahrzehnte später ein auf Spiegeln basierendes Teleskop, den Reflektor. Diese zwei Gerätetypen konkurrierten über drei Jahrhunderte hinweg miteinander. Beide Konzepte haben Vorteile, aber auch Nachteile, und einige davon ließen sich im Laufe der Zeit beheben.

Die ersten Refraktoren litten unter Farbfehlern. Durch eine geschickte Kombination von Kron- und Flintglaslinsen gelang schon um das Jahr 1750 deren Beseitigung. Der Schweizer Chemiker Pierre Louis Guinand (1748-1824), der um 1800 mit Josef von Fraunhofer (1787-1826) in Benediktbeuern arbeitete, entwickelte Verfahren, mit denen sich große Mengen an homogenem Glas herstellen ließen. Immer größere Linsen wurden gegossen und geschliffen. Eine schlaue (äquatoriale) Montierung erlaubte es, auch große Teleskope leicht zu handhaben. So wurde das 19. Jahrhundert von Refraktoren dominiert. Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichten sie mit den legendären Refraktoren von Lick (1888) und Yerkes (1897), die 91 beziehungsweise 102 Zentimeter Durchmesser bei einer Länge von fast 20 Metern aufweisen.

Die Spiegelteleskope lagen in ihrer Entwicklung lange zurück, weil selbst auf Hochglanz polierte Kupferspiegel mehr als die Hälfte des einfallenden Lichts schluckten und sie durch den Luftsauerstoff schnell korrodierten. Andererseits ließen sich schon früh große Spiegel herstellen, und so verbuchten auch Reflektoren Erfolge. Ende des 18. Jahrhunderts entdeckten die Geschwister Herschel mit ihren für damalige Verhältnisse riesigen Reflektoren mit 61 und 122 Zentimetern Durchmesser den ersten Planeten, der nicht mit bloßem Auge sichtbar ist, Uranus. Diese Teleskope sowie der 1847 fertiggestellte 186 Zentimeter große Leviathan des 3. Earl of Rosse würden sich auch heute noch als Großteleskope qualifizieren.

Gegen 1850 wurden dann endlich zwei Hauptnachteile der Reflektoren behoben: Dem deutschen Chemiker Justus von Liebig (1803-1873) gelang es, Glas mit Silber zu beschichten und somit die Wirksamkeit der Reflektoren dramatisch zu erhöhen. Währenddessen erfand der schottische Ingenieur James Nasmyth (1808-1890) eine Teleskopmontierung, die selbst schwere Reflektoren handlich machten: Er stellte das Teleskop auf einen Drehtisch.

Seit dem Anfang des 20. Jahrhunderts und bis heute gilt: Linsen mit mehr als einem Meter Durchmesser in der benötigten optischen Qualität herzustellen, bleibt eine enorme Herausforderung. Refraktoren hatten um das Jahr 1900 ihre Wachstumsgrenzen erreicht. Um diese Jahrhundertwende traten die Reflektoren ihren noch heute anhaltenden Siegeszug an: In den Jahren 1908 und 1917 wurden die Spiegelteleskope auf dem Mount Wilson mit 1,5 Meter und 2,5 Meter Durchmesser eingeweiht und im Jahr 1948 das berühmte Fünf-Meter-Spiegelteleskop auf dem Mount Palomar in Kalifornien. Letzteres blieb drei Jahrzehnte das größte Teleskop der Welt, bis es im Jahr 1976 vom Sechs-Meter-Teleskop BTA-6 (nach russisch Bolschoi Teleskop Alt-Azimutalnyi) im Kaukasus abgelöst wurde.


Jenseits von sechs Metern Durchmesser

Es bedurfte der nächsten technischen Revolution, um Teleskope mit mehr als sechs Metern Durchmesser bauen zu können. Dies begann Anfang der 1990er Jahre. Die benötigten Spiegelgrößen machten es unmöglich, wesentlich größere formstabile Monolithen zu gießen. Die Spiegel mussten wieder leichter werden und büßten dabei an Stabilität ein.

Der Trick bestand nun darin, die Forderung nach einer den Spiegeln selbst innewohnenden Stabilität gänzlich aufzugeben. Um die Spiegel während der Beobachtungen dennoch in der benötigten perfekten Form zu halten, kontrollieren nun Hunderte auf ihrer Rückseite angebrachte Aktuatoren aktiv die optische Form der Spiegeloberfläche. Dazu wird parallel zu den wissenschaftlichen Beobachtungen etwa im Minutentakt ein Leitstern am Himmel vermessen und anhand der daraus abgeleiteten Formfehler der Spiegel in die optimale Form zurückgebracht. Dieses Verfahren heißt aktive Optik.

Der Prototyp für jene Entwicklung war das im Jahr 1989 in Betrieb genommene 3,6-Meter-New-Technology-Telescope der ESO auf dem La Silla in Chile (siehe Bild oben). Diese Technologie verwendeten anschließend auch die Acht-Meter-Teleskope des Very Large Telescope der ESO: Ihre Acht-Meter-Spiegel sind nur etwa 18 Zentimeter dick, und ihre Masse liegt pro Exemplar bei lediglich 22 Tonnen - das ist nur knapp die Hälfte derjenigen des russischen sechs-Meter-Spiegels, allerdings bei der fast zweifachen Lichtsammelfläche.

Masse ist jedoch nicht das einzige Problem auf dem Weg zum Teleskop der Superlative. Auch ein dünner Spiegel jenseits von acht Metern Durchmesser lässt sich nur sehr schwer aus einem Guss herstellen. Um dennoch größere Spiegelflächen zu erreichen, ersann ein Erfinder schon in den 1930er Jahren eine Lösung: Damals er stellte der italienische Astronom Guido Horn d‹Arturo (1879-1967) einen Ein-Meter-Spiegel aus mehreren sechseckigen Segmenten.

Eine Verfeinerung dieser Erfindung erlaubt es, den hohen Anforderungen moderner Großteleskope im Bereich der Bildqualität gerecht zu werden. Die Spiegelsegmente und insbesondere die Übergänge zwischen ihnen müssen aktiv im Mikrometerbereich genauestens kontrolliert werden. Dass dies bei Großteleskopen möglich ist, belegten erstmals die beiden Zehn-Meter-Keck-Teleskope auf Hawaii, deren Spiegelflächen aus jeweils 36 Segmenten bestehen (siehe Bild unten). Sie liefern seit 15 Jahren wissenschaftliche Bilder von feinster Qualität und damit den Beweis, dass den Spiegeldurchmessern kaum mehr Grenzen gesetzt sind.


Korrektur der atmosphärischen Verzerrungen

Die Technologie ist also reif zum Bau größerer Teleskope. Aber lohnt es sich auch? Ja, in der Tat. Der größere Durchmesser eines Teleskops bringt einen zweifachen Nutzen. Zum einen vergrößert sich mit dem Durchmesser die Lichtsammelfläche - und zwar im Quadrat. Das Teleskop sammelt somit mehr Photonen, wodurch wesentlich lichtschwächere Objekte zugänglich sind. Zum anderen ist die Winkelauflösung eines Teleskops proportional zu seinem Durchmesser. Ein doppelt so großes Teleskop kann theoretisch doppelt so scharf sehen.

Dieser Vorteil wird aber leider durch die Erdatmosphäre zunichte gemacht. Die Bewegungen und Turbulenzen der Luftmassen in der Troposphäre, dem Bereich vom Erdboden bis in rund 15 Kilometer Höhe, verschmieren jedes Sternbildchen zu einem Fladen von rund einer Bogensekunde Größe. In der Fachsprache wird dies als Seeing bezeichnet. Diese Winkelauflösung von einer Bogensekunde entspricht derjenigen eines 20-Zentimeter-Teleskops. Die derzeitigen Teleskope der Acht- bis Zehn-Meter-Klasse besäßen eine 50-mal so hohe Auflösung, wenn man die Atmosphäre ausschalten könnte.

Dies erklärt, weshalb Astronomen so viel Wert auf den Teleskopstandort legen: Die Atmosphäre über dem Observatorium, und nicht der Teleskopdurchmesser, bestimmt üblicherweise die Sehschärfe. Je ruhiger die Atmosphäre ist, desto leistungsfähiger ist auch das Teleskop. Weiterhin erklärt dies, weshalb das Weltraumteleskop Hubble mit seinem Durchmesser von »nur« 2,4 Metern auf seiner rund 500 Kilometer hohen Umlaufbahn immer noch die spektakulärsten Bilder liefert. Doch die bodengebundenen Teleskope rüsten auf.

Seit etwa zwei Jahrzehnten wird die aktive Optik zur adaptiven Optik weiter entwickelt. Anstatt den Spiegel nur jede Minute in die perfekte optische Form zu bringen, versucht man ihn nun bis zu hundert Mal pro Sekunde in Echtzeit so zu korrigieren, dass er die Turbulenzen der Erdatmosphäre zumindest im nahen Infraroten kompensiert (siehe Grafik oben). Diese Technologie wurde für die Astronomie insbesondere in Europa stark vorangetrieben. Heute ist das Verfahren so erfolgreich, dass das Very Large Telescope (VLT) der Europäischen Südsternwarte (ESO) gleich sieben Systeme mit adaptiver Optik nutzt. Dadurch wird die Winkelauflösung wieder durch den Teleskopdurchmesser begrenzt, nicht mehr durch die Atmosphäre. Mit adaptiver Optik können heute vom Boden aus schärfere Bilder erstellt werden als mit dem Hubble Space Telescope. Die adaptive Optik ermöglicht es, den zweiten Nutzen größerer Teleskopdurchmesser einzufahren: die Winkelauflösung. Deshalb spielt diese Technologie auch beim European Extremely Large Telescope (E-ELT) eine zentrale Rolle.


Das E-ELT - ein Teleskop der Superlative

• Das European Extremely Large Telescope (E-ELT) wird etwa im Jahr 2018 in Betrieb gehen und dann das größte Teleskop
  der Welt sein. Sein 42 Meter großer Hauptspiegel besteht aus rund eintausend hexagonalen Spiegelelementen.
• Der Strahlengang erfordert einen Sekundärspiegel mit einem Durchmesser von sechs Metern.
• Neben aktiver Optik zur Einhaltung der Spiegelform soll das Teleskop eine integrierte adaptive Optik besitzen, mit der sich die
  atmosphärischen Verzerrungen ausgleichen lassen. Der zugehörige flexible ebene 2,6-Meter-Spiegel besitzt eine Dicke von
  lediglich zwei Millimetern.
• Die Sammelfläche des Hauptspiegels übertrifft selbst diejenige des zur Zeit größten Einzelteleskops, des Large Binocular Telescope,
  um den Faktor zwölf.
• Die Winkelauflösung des E-ELT wird fünf Millibogensekunden erreichen - das entspricht zehn Metern Abstand auf dem Mond.
• Nach gegenwärtigen Schätzungen werden die Baukosten für das E-ELT rund 950 Millionen Euro betragen.


E-ELT - das European Extremely Large Telescope

Sowohl Amerikaner als auch Europäer überlegen seit rund zehn Jahren, wie das Teleskop der Zukunft aussehen soll. Verschiedene Konzepte wurden seitdem untersucht. Drei Projekte werden heute verwirklicht, zwei in den USA und eines in Europa - allesamt peilen das Jahr 2018 für die Inbetriebnahme an.

In den USA betreibt die Carnegie Foundation zusammen mit mehreren Universitäten und in internationaler Zusammenarbeit mit Australien und Südkorea den Bau des Giant Magellan Telescope (GMT). Es wird einen Durchmesser von etwa 24 Metern und rund 400 Quadratmeter Lichtsammelfläche besitzen. Der Spiegel ist nicht segmentiert, sondern besteht aus sieben runden Acht-Meter-Spiegeln. Das GMT soll in Chile errichtet werden.

Ein weiteres Großprojekt der Amerikaner ist das Thirty Meter Telescope (TMT). Es wird in den USA vom California Institute of Technology und den Universities of California geführt, mit kanadischer und japanischer Beteiligung. Wie der Name besagt, wird es einen Durchmesser von 30 Metern aufweisen und somit rund 600 Quadratmeter Lichtsammelfläche. Der Spiegel wird aus der Technologie der Keck-Teleskope weiterentwickelt und wird aus fast 500 etwa 1,4 Meter großen hexagonalen Segmenten bestehen. Es soll auf dem 4100 Meter hohen Mauna Kea auf Hawaii gebaut werden (siehe SuW 10/2009, S. 15).

Das größte Teleskop planen jedoch die Europäer. Vierzehn Länder vereinen ihre Kräfte zum Bau des European Extremely Large Telescope (E-ELT). Es wird einen Durchmesser von 42 Metern aufweisen, was zu einer Lichtsammelfläche von unglaublichen 1200 Quadratmetern führt. Das ist doppelt so viel wie beim TMT und dreimal soviel wie beim GMT. Der Spiegel des E-ELTs wird aus fast eintausend hexagonalen Segmenten bestehen. Als einziges der neuen Riesenteleskope wird beim E-ELT die adaptive Optik direkt in das Teleskop integriert sein und damit eine zehnfach bessere Auflösung erreichen als das Weltraumteleskop Hubble. Das E-ELT wird das Teleskop der Superlative und vermutlich für viele Jahrzehnte das Flaggschiff der zukünftigen erdgebundenen Astronomie werden.

Bei diesem Dimensionen wird klar, dass die neuen Riesenteleskope Großforschungsanlagen sind. Sie können weder von einzelnen Instituten, noch von einzelnen Ländern durchgeführt und finanziert werden. Die Baukosten für das E-ELT werden rund 950 Millionen Euro betragen, verteilt über zehn Jahre. Diese Investition ist doppelt so hoch wie die für das VLT der ESO und vergleichbar mit dem neuen Submillimeterteleskop ALMA.

Noch sind bodengebundene Teleskope nicht so teuer wie Weltraumteleskope oder große Teilchenbeschleuniger, doch langsam nähert man sich an: Die Satelliten Herschel und Planck haben jeweils fast das Doppelte gekostet, das neue James Web Space Telescope wird mehr als das Fünffache kosten, der LHC hat knapp das Vierfache gekostet. Da hilft es, dass die Europäer seit mehr als einem halben Jahrhundert ihre Kräfte bündeln und auf eine solide Tradition gemeinsamer Forschungsprojekte zurückblicken können.


Schutzbau und Standort

Ein Teleskop mit einem Spiegeldurchmesser von 42 Metern beansprucht viel Platz. Die Kuppel, in dem es untergebracht werden muss, wird einen Durchmesser von etwa 100 Metern haben und rund 80 Meter hoch sein. Zum Vergleich zeigt das Bild auf den Seiten 30 und 31 die 30 Meter hohen Schutzbauten der vier Teleskope des VLT und das verhältnismäßig kleine Brandenburger Tor. Die Dimensionen des E-ELT-Schutzbaus ähneln eher denen eines modernen Fußballstadions. Überraschenderweise - aber durchaus passend - kamen für das Projekt Angebote für den Bau des Schutzgebäudes von Firmen, die ansonsten Stadien bauen! Damit das Teleskop schon tagsüber auf die nächtliche Außentemperatur gebracht werden kann wird der Schutzbau voll klimatisiert. Zusätzlich setzt man ihn unter leichten Überdruck, um tagsüber den Staub herauszuhalten. Allein zum Errichten dieser komplexen Struktur wird eine Fläche von etwa 300 x 200 Metern benötigt. Das klingt zwar durchaus groß, erscheint aber nicht riesig - bis man eine solche Fläche auf einem abgelegenen Berg sucht.

Die europäischen Partner treffen in den nächsten Monaten die Entscheidung über den Standort des E-ELT. Die üblichen Verdächtigen bilden die engere Auswahl: mehrere Gipfel in der Atacamawüste, entlang der Anden im Norden Chiles und Argentiniens sowie La Palma auf den Kanarischen Inseln. In allen Fällen werden umfangreiche Planierungsarbeiten nötig sein, um den ausgewählten Standort für das E-ELT vorzubereiten. Die Auswahl des Standorts wird nicht nur durch die klimatischen Bedingungen bestimmt, darunter solche Kriterien wie ruhige Atmosphäre, hoher Anteil an klaren Nächten, trockene, kalte Luft und niedrige Windgeschwindigkeiten. Dies wird seit Jahren an den in Frage kommenden Standorten gemessen (siehe Bild ganz rechts). Die Auswahl berücksichtigt auch weitere wissenschaftliche Aspekte, etwa die Frage, von welcher Hemisphäre aus die für das E-ELT interessanten Objekte zu sehen sind. Und wo stehen die Teleskope, mit denen das E-ELT zusammenarbeiten wird?

Was die Objekte angeht, so ist die Auswahl nicht eindeutig: Die meisten Himmelskörper, darunter Exoplaneten und entfernte Quasare, sind gleichmäßig über den Himmel verteilt. Es gibt nur wenige Ausnahmen, wie das galaktische Zentrum und die Magellanschen Wolken (im Süden) oder der Andromedanebel M 31 und seine Nachbargalaxien (im Norden), die kein entsprechendes Gegenüber auf der anderen Hemisphäre besäßen. Bezüglich der Synergie mit anderen Teleskopen verfolgt das E-ELT einige Ziele, die sich durch das Zusammenspiel mit Radio- und Submillimeterteleskopen wesentlich besser untersuchen ließen. Beispiele hierfür sind die Erforschung der frühen Phasen der Sternentstehung und die Prüfung der Unveränderlichkeit von fundamentaler Physik im Universum. Die zwei leistungsfähigsten Anlagen, mit denen das E-ELT zusammenarbeiten sollte, sind das gerade im Bau befindliche Atacama Large Millimeter Array (ALMA) in Chile und das geplante Square Kilometer Array (SKA) in Südafrika oder Australien - beide Standorte liegen in der südlichen Hemisphäre. Hinzu kommt, dass das leistungsfähigste Durchmusterungsteleskop, das im optischen Spektralbereich arbeitende Large Synoptic Survey Telescope (LSST), das viele Zielobjekte für das E-ELT finden wird, in Chile gebaut wird. Wenn man nun noch berücksichtigt, dass die Europäer mit der Europäischen Südsternwarte ESO ohnehin schon stark im Süden engagiert sind, ist die südliche Hemisphäre als Standort für das E-ELT aus wissenschaftlicher Sicht zu bevorzugen.

Es kommen jedoch noch weitere Überlegungen hinzu: In der Bauphase werden mehr als 1500 Standard-Container aus aller Welt angefahren werden müssen. Gibt es in der Nähe des Standorts einen Hafen, eine Eisenbahnlinie oder eine für solche Schwertransporte über mehrere Jahre hinweg gerüstete Straße? Der Betrieb wird zehn Megawatt Strom benötigen, vergleichbar mit einer Kleinstadt. Steht ein solchermaßen belastbares Stromnetz zur Verfügung? Kann mit Wind oder Solarenergie gearbeitet werden? Wo werden die mehreren hundert Liter Trinkwasser, die täglich benötigt werden, herkommen? Wo werden die rund 200 Beschäftigten mit ihren Familien leben? Dies sind alles Fragen, die man sich in besiedelten Gebieten nicht stellen muss, die jedoch auf kleinen Inseln oder in einsamen Wüsten plötzlich zu entscheidenden Kostenfaktoren werden können. Die Wahl des Standorts ist also nicht leicht.


Das E-ELT: optische und mechanische Spitzentechnologie

Die Standortwahl erscheint jedoch als eine leichte Aufgabe verglichen mit dem Bau des Teleskops. Allein die Kuppel wird rund 5000 Tonnen Stahl benötigen, die Struktur des Teleskops noch einmal so viel. Die Komplexität eines solchen Monsters, bei dem jede Vibration und jede Verbiegung verstanden und kontrolliert werden muss, ist enorm. Die angewendeten Technologien stammen aus dem Bereich der Spitzenforschung.

Das E-ELT wird eine Montierung erhalten, die das Teleskop um eine vertikale Achse dreht. Der Winkel entlang des Horizonts ist der Azimut. Die andere, dazu senkrechte Achse verläuft horizontal und lässt das Teleskop in verschiedene Höhen blicken. Dieser Winkel ist die Elevation oder Altitude (siehe Bild nächste Seite). Die gesamte Struktur wird sich also drehen, während der 2000 Tonnen schwere innere Teil mit den Spiegeln auch kippen wird. Das Licht lässt sich in beide Richtungen entlang der Kippachse lenken und trifft somit auf eine der zwei Nasmyth-Plattformen, auf denen die Instrumente und Kameras stehen werden. Die beiden Plattformen sind so groß, dass man auf beiden einen ganzen Tennisplatz errichten könnte. Jede Plattform wird bis zu fünf wissenschaftliche Instrumente beherbergen.

Dort, in der Fokalebene des Nasmyth-Fokus, entspricht eine Bogensekunde am Himmel bei einem Öffnungsverhältnis von f/17,7 etwa 3,5 Millimeter. Um in der Fokalebene den gesamten Vollmonddurchmesser mit seinen rund 30 Bogenminuten abzubilden, benötigte man eine Detektorfläche von etwa 40 Quadratmetern! - Kein Vergleich mit den heute üblichen astronomischen CCD-Detektoren, deren Größe in Quadratzentimetern gemessen wird. Durch diese Gegenüberstellung wird schnell klar, dass Riesenteleskope kein großes Gesichtsfeld besitzen können. Ihre Stärke liegt vielmehr in der riesigen Lichtsammelfläche kombiniert mit der hohen Winkelauflösung.

Um diese hohe Winkelauflösung zu erreichen, weicht das E-ELT im optischen Design von herkömmlichen Teleskopen ab und geht einen innovativen Weg: Die Teleskopoptik besteht nicht aus einem einzelnen gekrümmten Spiegel, wie im Modell von Newton, auch nicht aus zwei krümmten Spiegeln, wie in den Modellen von Cassegrain oder Ritchey-Chrétien, die für die meisten modernen Teleskope verwendet werden, sondern vielmehr aus drei Spiegeln. Diese drei gekrümmten Spiegel des E-ELT werden mit aktiver Optik kontrolliert; ihre Form wird im Minutentakt verändert. Drei Spiegel sind aber immer noch nicht ausreichend. Hinzu kommen weitere zwei flache Spiegel, die nicht nur dazu dienen, das Licht zu den Nasmyth-Plattformen umzulenken, sondern die auch die adaptive Optik beinhalten, also Formveränderungen 50 bis 100 Mal pro Sekunde erlauben, und dies bei Spiegeldurchmessern von zwei bis drei Metern.

Den optischen Aufbau des E-ELT veranschaulicht die Grafik auf der rechten Seite: Das Licht von der beobachteten Quelle trifft auf den 42 Meter großen Primärspiegel, dessen knapp eintausend Segmente bis auf Abweichungen im Nanometerbereich in perfekter Form gehalten werden. Von dort gelangt das Licht auf den sechs Meter großen Sekundärspiegel. Dieser Spiegel wäre im Jahr 1970 noch der größte der Welt gewesen. Er hängt in rund 40 Meter Höhe kopfüber oberhalb des Hauptspiegels, und mehr als 150 Aktuatoren auf der Rückseite kontrollieren seine Form. Er bündelt das Licht zu einem Loch im quartären Spiegel. Das Licht gelangt auf den tertiären Spiegel mit 4,2 Meter Durchmesser, der sich auf der Höhe des Primärspiegels befindet. Die drei ersten Spiegel bilden einen so genannten »Three Mirror, on-axis Anastigmat«. Diese Anordnung lässt einen lästigen Abbildungsfehler verschwinden, den Astigmatismus, bei dem nicht alle Bildteile genau im Fokus erscheinen. Darauf folgen zwei flache Spiegel. Der quartäre Spiegel ist neben dem primären das Herzstück der Optik: Die 2,6-Meter-Scheibe ist nur zwei Millimeter dick und wird von bis zu 10.000 Aktuatoren mit einer Frequenz von bis zu 100 Hertz in Schwingung gehalten, um die Turbulenzen der Atmosphäre exakt zu kompensieren. Der quartäre Spiegel erlaubt es im Zusammenspiel mit dem flachen quintären Spiegel die volle Auflösung der 42 Meter Durchmesser zu nutzen und die störende Luftunruhe auszuschalten. Dabei fällt dem quintären Spiegel die entscheidende Rolle zu, das Lichtbündel in der 30 Meter entfernten Kamera auf wenige Mikrometer stabil zu halten.

Bei diesem optischen Aufbau wird klar, dass nicht nur die Optik perfekt geplant und ausgeführt werden muss, sondern auch die Mechanik. Das Teleskop muss größtenteils vibrationsfrei sein, und die Montierungen müssen sich mit Mikrometer-Präzision bewegen, wie zum Beispiel die Optomechanik des fünften Spiegels. Sie hat den Spiegel bei Dimensionen von mehreren Metern, einer Masse im Bereich von Tonnen und mit Frequenzen bis zu 100 Hertz präzise zu bewegen. Dabei sind über das gesamte Teleskop verteilt alle paar Millisekunden bis alle paar Sekunden weit über 10.000 Funktionen zu messen und zu steuern.

Das Ergebnis wird sich lohnen: Die Winkelauflösung, die das E-ELT dank ad aptiver Optik bei einem Mikrometer Wellenlänge, also im nahen Infraroten, erreicht, liegt bei fünf Millibogensekunden. Das ist um einen Faktor 200 besser, als es die Atmosphäre üblicherweise erlaubt. Damit lässt sich auf dem Mond eine Auflösung von besser als zehn Metern erreichen. Im Zentrum unseres Milchstraßensystems in rund 28.000 Lichtjahren Distanz entspricht das etwa 5000 Lichtstunden, vergleichbar mit der Größe des Ereignishorizonts des dortigen extrem massereichen Schwarzen Lochs.


Wissenschaftliche Durchbrüche

Bei solch herausragenden Eigenschaften sind wissenschaftliche Durchbrüche mit Hilfe des E-ELT vorprogrammiert, und in vielen Bereichen erhoffen sich Wissenschaftler enorme Fortschritte. Die spektakulärsten Erfolge sind vermutlich auf dem Gebiet der Exoplanetenforschung und in der fundamentalen Physik zu erwarten.


Exoplaneten: Das E-ELT wird gleich mehrfach der Erforschung von Exoplaneten dienen. Zum einen ist am E-ELT extrem hoch auflösende Spektroskopie geplant. Dabei wird die von der Wellenlänge abhängige Intensitätskurve über einen sehr breiten Weg gespreizt. Dank der großen Lichtsammelfläche und innovativer Kalibrationstechniken, die auf der laserbasierten Präzisionsspektroskopie fußt, für die im Jahr 2005 der Physiknobelpreis verliehen wurde, wird mit dem E-ELT eine Geschwindigkeitsauflösung von wenigen Zentimetern pro Sekunde selbst bei lichtschwachen Objekten möglich sein. Das ist fast einhundertfach besser, als es heute mit den ausgeklügelsten Teleskopen möglich ist. Damit lässt sich die indirekte Radialgeschwindigkeitsmethode zur Entdeckung von Exoplaneten auf erdähnliche Planeten in bewohnbaren Zonen um Nachbarsterne ausdehnen. Die Methode weist das Hin-und-Herpendeln des Sterns durch den Gravitationszug eines umlaufenden Planeten um den gemeinsamen Schwerpunkt im Spektrum nach.

Zweitens kann das E-ELT dank der hohen Winkelauflösung die Exoplaneten direkt abbilden. Instrumente, die auf die extreme adaptive Optik spezialisiert sind, erreichen Kontrastwerte von eins zu einer Milliarde bei Winkelabständen von Bruchteilen einer Bogensekunde. Jupiterähnliche Planeten um sonnenähnliche Sterne oder gar erdähnliche Planeten in bewohnbaren Zonen um massearme Sterne lassen sich somit direkt abbilden und mit niedrigauflösender Spektroskopie untersuchen (siehe Grafik oben). Bei niedrigauflösender Spektroskopie wird die spektrale Information über einen deutlich kleineren Weg gespreizt als bei hochauflösender Spektroskopie. Dies reduziert das Rauschen in den Detektorelementen. Weiterhin erlaubt das E-ELT mit hochauflösender Spektroskopie im infraroten Wellenlängenbereich die Untersuchung der Atmosphären von Transitplaneten, wie sie im Moment mit Weltraummissionen wie COROT gefunden werden. Und schließlich wird es insbesondere im mittleren Infrarot möglich sein, die protoplanetaren Scheiben junger Sterne zu erkunden.

So lassen sich Fragen zur Entstehung von Planeten und vielleicht sogar zur Entstehung von Leben beantworten: Was geschieht in der kritischen Phase, in der die protoplanetaren Scheiben ihr Gas verlieren? Wie kondensieren aus den Scheiben die Kerne erdähnlicher Planeten? Wie verteilen sich in den Scheiben die präbiotischen Moleküle, die später als Bausteine für Aminosäuren und für Leben fungieren können? Das E-ELT könnte unter günstigen Umständen dasjenige Teleskop werden, mit dem wir zum ersten Mal Anzeichen von Leben jenseits unseres Sonnensystems entdecken. Dieser Ausblick wäre sicherlich allein schon aufregend genug, um sich nach diesem Teleskop zu sehnen.


Fundamentale Physik: Der durch das E-ELT versprochene Fortschritt in fundamentaler Physik steht dem aber kaum nach. Ein Beispiel dafür ist die Möglichkeit, Einsteins Relativitätstheorie im Grenzfall starker Gravitationsfelder zu testen. Durch die Entdeckung von Dunkler Energie und mit dem Aufkommen von Theorien der kosmischen Inflation, einer Phase kurz nach dem Urknall, bei dem sich das Universum um einen Faktor zwischen 10sup30; und 10sup50; ausgedeht haben soll, ist die Relativitätstheorie wieder ins Gespräch geraten. Orte, an denen die Relativitätstheorie bei starken Gravitationsfelder überprüft werden kann, sind die Ereignishorizonte von Schwarzen Löchern. Im Zentrum unseres Milchstraßensystems gibt es einen solchen Ort. Dort befindet sich ein extrem massereiches Schwarzes Loch von 4,3 Millionen Sonnenmassen. Die hohe Winkelauflösung des E-ELTs erlaubt es, auf bis zu hundert Schwarzschild-Radien an das Schwarze Loch heranzukommen, wo Objekte schon auf ein Zehntel der Lichtgeschwindigkeit beschleunigt werden. Astrometrie im Bereich von 50 bis 100 Mikrobogensekunden sowie Radialgeschwindigkeiten im Bereich von einem Kilometer pro Sekunde erlauben es, die Vorhersagen der Theorie zu überprüfen, zum Beispiel relativisische Signale über die Rotation des Schwarzen Lochs aufzuspüren. Mit diesen Beobachtungen ließe sich die Relativitätstheorie erneut bestätigen - anderenfalls müssten die Physiker zurück an ihre Schreibtische geschickt werden.

Ein weiterer fundamentaler Test unserer Physik ist der Nachweis der Unveränderlichkeit der Naturkonstanten. Naturkonstanten sollten, ihrem Namen nach, konstant bleiben, und dies seit dem Anfang unseres Universums. Würden sie sich hingegen im Laufe der Zeit verändern, dann wäre unsere Physik nicht mehr gültig, insbesondere bei der Beschreibung der Phänomene im frühen Kosmos.

Im Rahmen der Stringtheorie wird die Unveränderlichkeit einiger Naturkonstanten in Frage gestellt. Hier kommt das E-ELT ins Spiel: Es kann Elementhäufigkeiten in Quasarabsorptionslinien bis hin zu hohen Rotverschiebungen messen, also bis weit zurück in der Zeit über etwa 90 Prozent des Alters des Universums.

Durch Messung der Energieübergänge in Atomen, zum Beispiel in Eisen oder Wasserstoff, und ihrer potenziellen Abhängigkeit von der Rotverschiebung, lassen sich Veränderungen der Feinstrukturkonstante und des Masseverhältnisses von Elektron und Proton bestimmen. Solch winzige Veränderungen über Milliarden von Jahren hinweg können ausschließlich im Universum und keinesfalls im Labor überprüft werden. Ließen sich derartige Veränderungen diagnostizieren, so hätte dies eklatante Auswirkungen auf unser Verständnis der Physik.

Das tollkühnste Unterfangen ist sicherlich die direkte Vermessung des Universums. Das Prinzip klingt einfach: Das E-ELT wird es dank seiner riesigen Lichtsammelfläche und der unglaublich präzisen Radialgeschwindigkeitsmessungen im Bereich von Zentimetern pro Sekunde erlauben, Hunderte von Rotverschiebungen genauestens zu bestimmen. Diese Messungen führt man einmal durch, wartet dann zehn bis zwanzig Jahre, und führt sie ein zweites Mal durch. Für jede gemessene Rotverschiebung, also zu jedem Zeitpunkt in der Entwicklung des Universums, bestimmt man somit auch seine Veränderung: Beschleunigung oder Verlangsamung? Anhand dieser Messungen kann deshalb die Expansionsgeschichte des Universums rekonstruiert werden! Und dies durch direkte »geometrische« Messungen, ohne auf irgendeine Theorie zurückgreifen zu müssen. Der Haken an der Sache ist, dass differenzielle Geschwindigkeiten von nur etwa einem Zentimeter pro Sekunde bestimmt werden müssen - das ist an der Grenze dessen, was selbst das E-ELT zu leisten vermag. Sollte es jedoch gelingen, dann wäre dies für die Entschlüsselung der Natur der Dunklen Energie extrem aufschlussreich und würde so einen Meilenstein im Verständnis der Entwicklung unseres Universums setzen.

Die beschriebenen Untersuchungen schildern nur einige der aufregenden wissenschaftlichen Entdeckungen, die das E-ELT ermöglichen wird. Viele weitere Beobachtungsvorschläge sind bereits bekannt geworden und umspannen die gesamte Astronomie und Kosmologie. Unsere Erfahrungen zeigen jedoch, dass die aufregendsten Entdeckungen diejenigen sind, die wir nicht vorhersehen können.

Vierhundert Jahre nach Galileo Galilei ist ein Teleskop in Reichweite, dessen Öffnung tausend Mal so groß ist wie das des Florentiners, und es könnte unser Weltbild genauso gewaltig verändern wie das erste Teleskop vor 400 Jahren.


Markus Kissler-Patig ist wissenschaftlicher Leiter des E-ELT-Projekts am European Southern Observatory. Nach der Promotion in Bonn forschte er mit den Keck-Teleskopen und stieß im Jahr 1998 zur ESO und dem VLT.


Literaturhinweis

Wamsganss, J.: Auf der Suche nach Planeten bei anderen Sternen. In: SuW-Dossier 1/2004 »Planetensysteme«, S. 70-84.

Althaus, T.: COROT - ein Planetenjäger im All. In: Sterne und Weltraum 1/2007, S. 16-18.

Camenzind, M.: Von der Rekombination zur Bildung Schwarzer Löcher. In: SuW-Dossier 1/2006 »Struktur des Kosmos«, S. 60-70

Weblinks zum Thema: www.astronomie-heute.de/artikel/1012001


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Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Bildunterschrift 1:
Das Brandenbuger Tor (links) und sogar die Schutzbauten des Very Large Telescope (Mitte) nehmen sich im Vergleich zum geplanten E-ELT winzig aus.

Bildunterschrift 2:
Durchbruch Nummer 1: aktive Optik. Ein Blick hinter die Kulissen des New-Technology-Telescope (NTT) der ESO auf La Silla in Chile zeigt den dünnen 3,6-Meter-Primärspiegel. Er wird durch 75 Aktuatoren jederzeit in optimaler Form gehalten. Das NTT war das erste Teleskop mit aktiver Optik.

Bildunterschrift 3:
Durchbruch Nummer 2: segmentierter Spiegel. Der Primärspiegel des im Jahr 1993 in Betrieb genommenen Zehn-Meter-Keck-Teleskops auf dem Mauna Kea in Hawaii ist der erste segmentierte Spiegel eines Riesenteleskops.

Bildunterschrift 4:
Durchbruch Nummer 3: adaptive Optik. Jedes der vier Teleskope des Very Large Telescope (VLT) ist mit adaptiver Optik ausgerüstet. Der Hauptspiegel des Teleskops sammelt das Licht. Von dort gelangt es jedoch nicht direkt zur Kamera, sondern erst auf einen verformbaren Spiegel. Ein Teil des Lichts wird noch vor der astronomischen Kamera abgegriffen, die atmosphärischen Turbulenzen vermessen und mit Hilfe eines Computers in Korrekturen für den verformbaren Spiegel umgewandelt. Dies passiert hundert Mal pro Sekunde. Das Licht, das die astronomische Kamera erreicht, ist nun frei von atmosphärischen Verzerrungen, und das Bild wird gestochen scharf.

Bildunterschrift 5:
Das 42-Meter-European-Extremely-Large-Telescope (E-ELT) wird vermutlich im Jahr 2018 das größte der neuen Riesenteleskope werden.

Bildunterschrift 6:
Wie hier in der Atacama-Wüste sind die möglichen Standorte des E-ELT allesamt mit einer automatisierten Wetterstation ausgestattet, mit denen seit Jahren Nacht für Nacht die Beobachtungsbedingungen überwacht werden.

Bildunterschrift 7:
Die Teleskopstruktur des E-ELTs entspricht derjenigen einer klassischen Altazimutalmontierung, bei der die eine Achse vertikal ausgerichtet ist. Allerdings müssen beim E-ELT 5000 Tonnen bewegt werden. Rechts und links außerhalb der Lager der anderen Achse befindet sich je eine Plattform. Auf ihnen werden die astronomischen Kameras im so genannten Nasmyth-Fokus beobachten. Bei der Nashmyth-Anordnung gelangt das Licht vom Hauptspiegel über einen Umlenkspiegel durch die Höhenachse aus dem Teleskop zu den Instrumenten. An vier Positionen um den Primärspiegel herum sind die Vorrichtungen für Laser-Leitsterne angebracht. Man beachte die winzige Person auf der linken Nasmyth-Plattform zum Größenvergleich.

Bildunterschrift 8:
Das innovative optische Design des E-ELT besteht aus fünf Spiegeln: drei gekrümmten (grau) und zwei flachen (rot). Dies ergibt nicht nur außergewöhnlich gute Abbildungsqualitäten, sondern erlaubt es auch, eine adaptive Optik direkt ins Teleskop zu integrieren

Bildunterschrift 9:
Mit den zukünftigen Riesenteleskopen möchten die Astronomen nicht nur neue Welten in bewohnbaren Zonen außerhalb unseres Sonnensystems entdecken, wie hier bei Gliese 581 mit dem VLT der ESO, sondern sie auch direkt abbilden und ihre Atmosphären untersuchen.


© 2009 Markus Kissler-Patig, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 12/09 - Dezember 2009, Seite 30-39
Zeitschrift für Astronomie
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Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Januar 2010