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INSTRUMENTE/311: Mit SOFIA zu den Sternen (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 10/11 - Oktober 2011
Zeitschrift für Astronomie

Mit SOFIA zu den Sternen
Zwei deutsche Lehrer sind mit dabei

Von Wolfgang Vieser und Jörg Trebs


Im Juli 2011 durften zwei Lehrer aus Deutschland an einem Beobachtungsflug mit der Flugzeugsternwarte SOFIA teilnehmen. Der Flug führte über die Weiten des Pazifiks und das Teleskop von SOFIA beobachtete dabei unter anderem den Ringplaneten Saturn und einen gerade erst entstandenen Stern.


Die Flugzeugsternwarte SOFIA, das »Stratosphären-Observatorium für Infrarot-Astronomie« ist ein deutsch-amerikanisches Projekt, bei dem ein 2,5-Meter-Teleskop in einem Flugzeugrumpf das infrarote Weltall beobachtet. Durch den Aufstieg in Höhen von mehr als elf Kilometern über der Erdoberfläche lässt das Teleskop den größten Teil des atmosphärischen Wasserdampfs unter sich, der am Erdboden einen Großteil der von SOFIA beobachteten infraroten Strahlung fast völlig absorbiert. Die Flugzeugsternwarte folgt einer Tradition der US-Raumfahrtbehörde NASA, die bereits in den 1960er Jahren begann. Schon damals stiegen Flugzeuge auf, um das infrarote Weltall zu erkunden, wenn auch mit wesentlich kleineren Teleskopen.

Bei SOFIA waren von Anfang an Mitfluggelegenheiten für Lehrer und Journalisten vorgesehen, die bei den Beobachtungsflügen den Wissenschaftlern und Technikern an Bord über die Schulter schauen können. Im Jahr 2010 begann SOFIA mit den regelmäßigen Beobachtungsflügen, und nun durften Mitte Juli 2011 erstmals auch zwei deutsche Lehrer mitfliegen: Wolfgang Vieser vom Christoph-Probst-Gymnasium Gilching bei München und Jörg Trebs von der Thomas-Mann-Oberschule Berlin, die beide Physik und Astronomie unterrichten. Vieser ist mit seiner Schule im Verbund der SOFIA-Partnerschulen des Deutschen SOFIA Instituts (DSI) an der Universität Stuttgart, Trebs ist in seiner Arbeit seit mehr als 20 Jahren mit dem DLR verbunden. Wir beide wurden von Cecilia Scorza betreut, die das Partnerschulprogramm des DSI koordiniert.

Da SOFIA auf dem NASA-Stützpunkt Palmdale im US-Bundesstaat Kalifornien stationiert ist, waren die zehn Stunden Beobachtungszeit in einen insgesamt achttägigen USA-Aufenthalt eingebettet. Jetlag-Probleme tauchten bei dem eng gestrickten Terminplan ebenso wenig auf wie Langeweile, denn wir wurden von Jochen Eislöffel, einem Astronom der Thüringer Landessternwarte, und Cecilia Scorza wissenschaftlich begleitet. Auch Kontaktschwierigkeiten blieben aus, denn unser Empfang bei der Dryden Aircraft Operations Facility (DAOF) der NASA in Palmdale durch die Verantwortlichen, Techniker und Wissenschaftler war mehr als herzlich.

Für eine Zivilperson, die in einem amerikanischen Experimentalflugzeug (schließlich hat der Rumpf ein großes Loch) mitfliegt, sind die Sicherheitsvorschriften etwas umfangreicher als bei einem Linienflug mit einer kommerziellen Boeing 747. Nach der ausführlichen Einweisung durften wir den Clipper »Lindbergh«, in dem SOFIA untergebracht ist, betreten und von innen begutachten. Das Flugzeug ist eine schon ältere Dame aus dem Jahr 1977, was sich insbesondere am mehrheitlich analogen Cockpit mit den vielen »Uhren« erkennen lässt. Ab dem Jahr 1999 wurde sie vollkommen umgebaut, und nun beeindruckt sie durch die ingenieurstechnischen Meisterleistungen der Teleskopsteuerung (siehe SuW 7/2011, S. 42) und des Terahertz-Detektors GREAT (German Receiver for Astronomy at THz-Frequencies).


Sicherheit geht vor

Vor dem eigentlichen Beobachtungsflug, der nach Sonnenuntergang beginnen sollte, schrieb die NASA eine ausgedehnte Ruhephase für alle Flugteilnehmer bis 15 Uhr vor. Danach blieb uns noch Zeit für eine warme Mahlzeit, die letzte für die nächsten 17 Stunden. Zwei Stunden vor dem Take-Off begann im DAOF das Briefing, das heißt die Abstimmung aller Aktivitäten für den Flug. Angefangen mit den Wetteraussichten, über eventuelle Probleme bei der Technik, bis hin zum Beobachtungsplan wurden von den Beteiligten alle Unklarheiten angesprochen und wenn möglich beseitigt.

Der Beobachtungsflug selbst startete um 20 Uhr von Palmdale. SOFIA flog zunächst in nördliche Richtung, dann nach Westen auf den Pazifik, um nördlich von Hawaii wieder umzukehren und schließlich um 6 Uhr wieder in Palmdale zu landen. Dieser Flugplan wurde noch am selben Tag angepasst, was für die Flexibilität von SOFIA spricht. Das Ziel, dem Wasserdampf in der Atmosphäre zu entkommen, erforderte einen relativ schnellen Aufstieg auf elf Kilometer Höhe, was nach einer Viertelstunde Flugzeit erreicht war.

Zehn Minuten später öffnete sich die Teleskopluke, um den Saturn zu beobachten und das Teleskop zu kalibrieren. Das Öffnen der großen Rumpfluke spürten wir im Flugzeug überraschenderweise nicht. Im Laufe des Beobachtungsflugs stieg die Maschine weiter auf, da sie durch den Treibstoffverbrauch immer leichter wird. Hatte sie beim Start noch 120 Tonnen Kerosin an Bord, war es fünf Stunden später nur noch die Hälfte. Nur so konnte SOFIA gegen Ende des Flugs eine maximale Höhe von 14 Kilometern erreichen, während normale Linienflugzeuge in einer Höhe von rund elf Kilometern reisen. Die unterschiedlichen Flughöhen während des Flugs bestimmten auch den Beobachtungsplan, da für unterschiedliche Objekte unterschiedliche Ansprüche an die Wasserdampfkonzentration in der Luft gestellt werden. Ein leuchtstarkes Objekt lässt sich auch bei etwas Absorption durch Wasserdampf noch beobachten, während sehr lichtschwache eine maximal wasserfreie Atmosphäre erfordern.


Blick in den Kepheus

Nach sieben Stunden Flug, um 3 Uhr morgens, wurde das Teleskop auf das Sternbild Kepheus ausgerichtet. Jochen Eislöffel hatte für das Objekt L 1157 zwei Stunden Beobachtungszeit zugeteilt bekommen. L 1157 ist ein sehr junger Stern, der sich noch innerhalb der Staub- und Gaswolke befindet, aus der er geboren wurde und die während dieses Prozesses eine Scheibe um ihn herum gebildet hat. Dieses Material wird durch die Schwerkraft des Sterns von diesem aufgesammelt. Wie bei den meisten derartigen Akkretionsprozessen bilden sich auch bei L 1157 zwei Ausströmungen aus, die so genannten Jets, in denen senkrecht zur Scheibenebene Materie mit sehr großer Geschwindigkeit wegtransportiert wird. Für den Mechanismus, der zur Bildung dieser Jets führt, gibt es derzeit noch keine völlig befriedigende Erklärung. Die neuen Beobachtungsdaten sollen helfen, der Antwort ein Stück näher zu kommen.

Dazu analysierte Eislöffel Kohlenmonoxid, das schon in früheren Beobachtungen im Jet nachgewiesen wurde, genauer. Dieses langgestreckte Molekül kann um seine Symmetrieachse rotieren. Die Energie, die das Molekül bei der Rotation aufzunehmen vermag, ist gequantelt - das heißt, Kohlenmonoxid kann sich nur in diskreten Rotationszuständen befinden. Welcher Rotationszustand vom Kohlenmonoxid angenommen wird, hängt von der Umgebungstemperatur ab. Das Molekül gelang durch diskrete Energieaufnahme in ein höheres Rotationsenergieniveau, oder fällt von einem höheren in ein niedrigeres Energieniveau. Dabei wird die Energiedifferenz in Form von elektromagnetischer Strahlung zum Beispiel im Infraroten abgegeben.

Bei typischen Temperaturen in der Gaswolke von einigen Hundert Kelvin liegt die Energiedifferenz im Bereich von fünf Millielektronvolt. Dies entspricht Licht einer Wellenlänge um 0,2 Millimeter und einer Frequenz um 1,4 Terahertz. Um diese Wellenlängen im fernen Infraroten zu nachzuweisen, entwickelte ein Konsortium deutscher Forschungsinstitute unter Leitung von Rolf Güsten vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn den Empfänger GREAT, der im Fokus des Teleskops auf SOFIA installiert ist. Jochen Eislöffel beobachtete mehrere Stellen des Jets und suchte nach Kohlenmonoxidgas mit Temperaturen von 300 bis 600 Kelvin. Nur SOFIA ist derzeit in der Lage, die entsprechende Auflösung bei diesen Wellenlängen zu liefern, um die räumliche Verteilung der Gastemperaturen zu untersuchen. Diese wiederum ist notwendig, um Aussagen über den Ursprung des molekularen Gases zu ermöglichen, das normalerweise bei den hohen Temperaturen im Jet in seine einzelnen Atome aufgespalten sein müsste.

Die Existenz molekularen Kohlenmonoxids lässt sich mittels zweier Szenarien erklären: Es besteht aus vormals ruhendem Umgebungsmaterial, das vom vorbeiströmenden Jet mitgerissen wurde. Alternativ könnte es sich um Material im Jet selbst handeln, das hinter einer Stoßfront stark kühlte. Im ersten Fall würde man einen Temperaturgradienten am Rand des Jets, im zweiten Fall direkt im Jet finden. Grobe Aussagen über das Signal-zu-Rausch-Verhältnis oder über den Nachweis eines Signals ließen sich schon während des Flugs gewinnen. Die genaue Auswertung der Spektren ist natürlich eine langwierige Aufgabe. Jochen Eislöffel jedenfalls war mit der Qualität der gewonnen Daten zufrieden.

Wir durften den Forschern bei der Aufnahme der Daten über die Schulter schauen und in der Zwischenzeit mit den Technikern an Bord über die Abläufe und die Teleskopsteuerung unterhalten. Die schnelle präzise Arbeit dieser komplexen, immerhin 17 Tonnen schweren Technik, war äußerst faszinierend.

Wir möchten uns beim DSI und der NASA für die einmalige Gelegenheit bedanken, die größte fliegende Sternwarte begleiten zu dürfen. Wir haben Eindrücke mit in die Schulen genommen, die für uns in den nächsten Jahrzehnten eine Quelle der Motivation sein werden.


Wolfgang Vieser ist Lehrer und Astrophysiker und Jörg Trebs ist Lehrer. Sie unterrichten in den Fächern Physik und Astronomie am Christoph-Probst-Gymnasium Gilching bei München und der Thomas-Mann-Oberschule in Berlin.


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w i s - wissenschaft in die schulen

Zu diesem Beitrag stehen didaktische Materialien auf unserer Internetseite www.wissenschaft-schulen.de/artikel/1121814 zur freien Verfügung. Sie behandeln die Funktionsweise des Infrarotdetektors GREAT. Mit Hilfe von elektronischen/akustischen Versuchen wird das Heterodynprinzip, ein wichtiges Verfahren in der Terahertzspektroskopie näher erläutert.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 24:
Die Flugzeugsternwarte SOFIA absolvierte zwischen 23. Juni und 4. August 2010 zwölf Testflüge. Beim letzten Flug mit offener Teleskoptür über der kalifornischen Wüste entstand dieses Foto.

Abb. S. 25:
Wolfgang Vieser (links) und Jörg Trebs (rechts) diskutieren mit dem Astronomen Jochen Eislöffel (Mitte) über das Beobachtungsobjekt L1157.

Abb. S. 26:
Eine Aufnahme des Infrarotsatelliten Spitzer des jungen Sterns L 1157 im Sternbild Kepheus. Deutlich lassen sich die beiden Jets erkennen, die vom grünlichen Stern in der Bildmitte nach oben und unten ausgehen. Das Bild ist ein Komposit aus Aufnahmen in vier unterschiedlichen infraroten Wellenlängen. Bei den Untersuchungen mit SOFIA konzentrierte man sich auf die Aufnahme von Spektren und nicht von Bildern.


© 2011 Wolfgang Vieser / Jörg Trebs, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg


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Quelle:
Sterne und Weltraum 10/11 - Oktober 2011, Seite 24-26
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
Max-Planck-Institut für Astronomie
Königstuhl 17, 69117 Heidelberg
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Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
Slevogtstraße 3-5, 69117 Heidelberg
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Internet: www.astronomie-heute.de

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. November 2011