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KOMET/075: Warum Komet Lovejoy überlebte (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 5/12 - Mai 2012
Zeitschrift für Astronomie

Nachrichten
Warum Komet Lovejoy überlebte

Von Benjamin Knispel



Es passiert regelmäßig: Im Abstand von wenigen Tagen stürzen Kometen in die Sonne. Die meisten dieser Schweifsterne verdampfen zuvor in der Hitze unseres Zentralgestirns oder stürzen schließlich direkt in den Glutofen der Sonne.

Nicht alltäglich ist, was sich Mitte Dezember 2011 ereignete: Einen Monat zuvor hatte der australische Amateurastronom Terry Lovejoy einen Kometen als nebligen Fleck in seinen Himmelsaufnahmen entdeckt (siehe SuW 3/2012, S. 22). Die Astronomen erwarteten, dass Komet Lovejoy, so der dann offizielle Name, bei der Passage am 15. Dezember 2011 verdampfen und auf Nimmerwiedersehen verschwinden würde.

Doch es kam anders als erwartet: Bilder des NASA-Sonnensatelliten Solar Dynamics Observatory (SDO) zeigten den Kometen unbeschadet direkt nach dem knappen Vorbeiflug an der Sonne, lediglich seinen prächtigen Schweif hatte er eingebüßt. Doch innerhalb der nächsten Tage präsentierte Komet Lovejoy auf den SOHO-Bildern einen neu anwachsenden Staubschweif. Kurz darauf wurde er mit bloßem Auge sichtbar und entwickelte sich zum Weihnachtskometen 2011, der auf der Südhalbkugel Aufsehen erregte (siehe Bild in der Druckausgabe).

Unverstanden war bisher, warum Komet Lovejoy zu dem großen Kometen des Jahres 2011 werden konnte. Warum verdampfte er nicht wie so viele andere Schweifsterne in unmittelbarer Sonnennähe? Physiker des Instituts für Geophysik und extraterrestrische Physik der Technischen Universität Braunschweig um Bastian Gundlach stellten nun ein Modell vor, nach dem gerade das Ausdampfen des Kometenkerns seinen Zusammenhalt garantiert.

Alle Kometen enthalten einen Kern aus Staub und gefrorenen Gasen. In der Nähe der Sonne wirkt ein Zusammenspiel verschiedener Kräfte auf den einige Kilometer großen Brocken: Während die Zugfestigkeit des Kernmaterials und seine Schwerkraft den Kern zusammenhalten, ziehen ihn die Gezeitenkräfte der Sonne auseinander. Nach neuen Erkenntnissen ist dieses Material porös und zerbrechlich, so dass ein Zerbrechen des Kerns in der Theorie unausweichlich erschien. Gundlach und seine Koautoren untersuchten nun, welche Rolle die Kräfte spielen, die durch verdampfende Gase in Sonnennähe verursacht werden. Diese sollten den Kern stabilisieren, indem sie ihn zum Mittelpunkt hin zusammendrücken.

Die Forscher stellten ein mathematisches Modell auf, das alle Kräfte berücksichtigt und gegeneinander verrechnet. Das unerwartete Ergebnis: Die durch das Ausgasen verursachte Stabilisierung ist stärker als alle Einflüsse, die den Kometen zerstören könnten. Komet Lovejoy überstand seine Sonnenpassage also möglicherweise nur deswegen, weil er so aktiv war.

Aus ihrem Modell können die Physiker indirekt Rückschlüsse auf die unbekannte Größe des Kerns von Komet Lovejoy ziehen: sein Radius müsste zwischen 0,2 und 11 Kilometer betragen. Dieser Wert stimmt mit anderen helligkeitsbasierten Abschätzungen überein.

Benjamin Knispel
arxiv.org/abs/1203.1808

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WiS in Sterne und Weltraum
»Tempel 1 - Wir landen auf einem Kometenkern« bezieht sich auf die Meldung »Warum Komet Lovejoy überlebte« auf S. 14 der Druckausgabe. Das Material stellt ein Arbeitsblatt zur Verfügung, auf dem Schüler der gymnasialen Oberstufe eine fiktive Landung auf einem Kometenkern durchspielen können. Dabei ermitteln sie unter anderem ihr Gewicht im Schwerefeld des Kometen. (ID-Nummer: 1063516)


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

- Ein Weitwinkelbild vom 22. Dezember 2011 zeigt den Kometen Lovejoy neben den Kuppeln des Very Large Telescope auf dem Gipfel des Cerro Paranal in Chile. Der Komet ist links im Bild unterhalb der Milchstraße in der beginnenden Dämmerung zu erkennen.

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Quelle:
Sterne und Weltraum 5/12 - Mai 2012, Seite 14 - 15
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Juli 2012