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MELDUNG/131: Resolution - "Für eine natürliche Nacht" (Sterne und Weltraum)


Sterne und Weltraum 4/16 - April 2016
Zeitschrift für Astronomie

Astroszene
Resolution: »Für eine natürliche Nacht«


Mit einem Aufruf an Bürger und Politiker wendet sich die deutschlandweite Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) gegen die zunehmende Aufhellung der Nacht durch künstliche Lichtquellen und ihre negativen Folgen für Mensch und Umwelt. Unterstützt wird die Resolution von Forschern der Astronomischen Gesellschaft (AG) und der Gesellschaft deutschsprachiger Planetarien (GDP).


Wohl die wenigsten Menschen würden sich von der hereinbrechenden Nacht das Ende ihrer alltäglichen Aktivitäten diktieren lassen wollen. Denn elektrische Beleuchtungen von Häusern, Straßen oder Sportplätzen ermöglichen es uns, das Tagwerk auch nach Sonnenuntergang fortzusetzen oder liebgewonnenen Freizeitaktiväten nachzugehen. Hinzu kommt, dass in diesen Tagen der Ruf nach mehr Sicherheit im öffentlichen Raum laut wird.

Doch von vielen Menschen unbemerkt offenbarte sich in jüngerer Zeit auch eine dunkle Seite des Lichts. Die Anzeichen mehren sich nämlich, dass die zunehmende Beleuchtung nicht nur zum Energiehunger unserer Zivilisation beiträgt, sondern auch den Tag-Nacht-Rhythmus von Menschen, Tieren und Pflanzen negativ beeinflusst. Was können wir dagegen tun?

Tatsächlich lassen sich die gegensätzlich erscheinenden Ansprüche vereinen - durch einfache technische Maßnahmen und einen bewussteren Umgang mit Licht. Die Grundvoraussetzung hierfür ist jedoch, dass die »Lichtverschmutzung« und ihre möglichen Folgen überhaupt wahrgenommen werden. Deshalb verabschiedete die deutschlandweite Vereinigung der Sternfreunde e.V. (VdS) - der mit mehr als 4000 Mitgliedern größte Zusammenschluss von Amateurastronomen im deutschsprachigen Raum - im November 2015 die Resolution »Für eine natürliche Nacht zum Schutz von Mensch und Umwelt «. Hiermit appellieren die Initiatoren an Ministerien und Öffentlichkeit, der zunehmenden Lichtverschmutzung Einhalt zu gebieten (siehe Kasten unten).

Unterstützt wird die Resolution von der im Jahr 1863 gegründeten Astronomischen Gesellschaft (AG), die sich für die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern und für die astronomische Bildung einsetzt, sowie von der 2011 gegründeten Gesellschaft deutschsprachiger Planetarien e. V. (GDP). Mit ihrem Aufruf möchten die Beteiligten auf ein die gesamte Menschheit betreffendes Problem hinweisen - denn unnötiges Licht stört nicht nur den Anblick des natürlichen Nachthimmels, sondern ist auch Energieverschwendung.

Den Text der hier wiedergegebenen Resolution stellt die VdS auf ihrer Website unter www.sternfreunde.de bereit. Ansprechpartner ist Andreas Hänel, Fachgruppe Dark Sky, Museum am Schölerberg, Klaus-Strick-Weg 10, 49082 Osnabrück, Tel.: 0541 5600326, ahaenel@uos.de.

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Für eine natürliche Nacht zum Schutz von Mensch und Umwelt: Resolution zur Vermeidung von Lichtverschmutzung

Seit Jahrmillionen haben sich die Lebewesen auf der Erde an den natürlichen Wechsel zwischen hellem Tag und dunkler Nacht angepasst. Künstliche Beleuchtung hat die Wirtschaftskraft und die Ausdehnung menschlicher Aktivitäten in die Nacht hinein erheblich erweitert. Im gerade zu Ende gehenden Internationalen Jahr des Lichts, das von den Vereinten Nationen ausgerufen wurde, sollte der umweltverträgliche Einsatz innovativer technischer Lichtlösungen eine Selbstverständlichkeit sein. Leider ist das aber meist nicht der Fall!

Seit einigen Jahren wird zunehmend erkennbar, dass zu viel oder falsch eingesetztes künstliches Licht negative Auswirkungen auf die Natur und die menschliche Gesundheit hat:

  • Der überwiegende Teil der Tiere ist nachtaktiv, durch künstliches Licht werden ihre nächtlichen Lebensräume beeinträchtigt oder zerstört.
  • Nachtaktive Insekten und Falter werden besonders von Lichtquellen mit hohen Blauanteilen angezogen, verenden und werden damit dem Naturkreislauf entzogen.
  • Singvögel werden in hell erleuchteten Städten zur Änderung ihrer Aktivitätsphasen und ihres Brutgeschäfts gezwungen.
  • Vögel werden von ihren Flugrouten abgelenkt oder stoßen mit beleuchteten Bauwerken zusammen.
  • Künstliches Licht zwingt Fledermäuse zu energiezehrenden Umwegen oder vertreibt sie aus ihren Lebensräumen.

Der Mensch wird durch moderne extrem helle Leuchtmittel stark geblendet, Blaulichtanteile im weißen Licht stören den Tag-Nacht-Zyklus und damit die lebensnotwendigen nächtlichen Regenerationsphasen und beeinträchtigen dadurch die Gesundheit.

Durch blendende Lichtquellen und weithin sichtbare diffuse Lichtglocken über Städten, selbst kleinen Gemeinden, Gewerbe- und Industriegebieten, wird der Blick auf das natürliche Licht der Sterne am Nachthimmel weiträumig verhindert. Dafür hat sich der Begriff »Lichtverschmutzung« eingebürgert. Über den Städten sind nur noch wenige Dutzend Sterne zu erkennen, während bei einem natürlich dunklen Himmel bis zu 4000 Sterne sichtbar wären. In Mitteleuropa gibt es nur noch wenige Möglichkeiten, eine natürliche Nachtlandschaft zu erleben, der Sternenhimmel geht als unmittelbares Naturerlebnis und als Kulturgut immer mehr verloren.

Verantwortlich für die Lichtverschmutzung ist oft unüberlegt eingesetztes Licht. Zahlreiche Lichtquellen werden nicht zielgerichtet eingesetzt und beleuchten mehr Fläche als notwendig. Besonders Scheinwerfer und Bodenstrahler, die zur Anstrahlung von Gebäuden, Werbetafeln oder Bäumen eingesetzt werden, vergeuden viel Energie durch nutzlose Beleuchtung des Himmels.

Doch durch intelligente, moderne und verantwortungsvolle Beleuchtung können die negativen Auswirkungen künstlichen Lichts in der Nacht bereits jetzt reduziert und ohne Komfortverluste erhebliche Energiemengen, damit CO2-Emissionen und Kosten eingespart werden! Entsprechende technische Lösungen existieren, sind leicht einsetzbar und nicht notwendigerweise teurer.

Wir fordern daher Politik, öffentliche Verwaltungen, Handel, Gewerbe, Industrie und Privatpersonen auf:

  • Licht ist nicht nur nach seiner Effizienz, sondern auch nach den durch eine Lichtanwendung verursachten Belastungen und Schädigungen zu beurteilen.
  • Maßnahmen zur Reduzierung von Lichtverschmutzung durch effektive Begrenzung und Verringerung der Lichtbelastung in der Nacht zu ergreifen.
    Die Verwendung umweltverträglicher Lösungen darf nicht weiterhin dem Zufall oder dem Ermessen Einzelner überlassen sein. Informationen und Anleitungen für Planer und Entscheider bei künstlichen Beleuchtungen sind erforderlich. Auf kommunalen Ebenen kann dies etwa durch Beleuchtungsempfehlungen, Lichtplanungen, Gestaltungssatzungen erfolgen.
  • Künstliches Licht zielgerichtet so einzusetzen, dass es nur dorthin strahlt, wo es benötigt wird. Insbesondere ist zu vermeiden, dass Licht an den Himmel oder horizontal in die Umgebung strahlt. Dadurch wird auch die Möglichkeit einer Blendung reduziert. Realisiert wird dies effektiv durch Einsatz von vollabgeschirmten Leuchten ohne Emissionen in den oberen Halbraum (upward light ratio ULR = 0 Prozent oder Lichtstärkeklasse G 6) und den Verzicht von Bodenstrahlern.
  • Bedarfsorientierte Absenkung des Lichtstroms in Abhängigkeit von der Benutzerfrequenz oder gar Abschaltung in den späten Nachtstunden festzulegen.
    Eine Halbierung der Lichthelligkeit wird vom menschlichen Auge kaum wahrgenommen, ist mit modernen Leuchtmitteln leicht realisierbar und spart entsprechende Energiemengen.
  • Eine Begrenzung der Blauanteile im weißen Licht festzulegen, wodurch auch die Blendung reduziert wird. Realisiert werden kann dies durch Reduzierung der Lichtmenge für Wellenlängen kürzer als 500 Nanometer auf maximal zehn Prozent der Gesamtemission von 350 bis 800 Nanometer, was vor allem gelbe und warmweiße Lichtquellen mit äquivalenten Farbtemperaturen von 2000 bis maximal 3000 Kelvin erfüllen. In Untersuchungen wurde diese Lichtqualität von den Menschen auch als angenehmste empfunden. Zudem wird Natriumdampflicht mit einer Farbtemperatur von 1800 Kelvin seit Jahren flächendeckend eingesetzt.
  • Maßnahmen zur Verbesserung der visuellen Wahrnehmung durch Blendungsvermeidung und Erhalt der Dunkeladaption zu ergreifen, was beispielsweise durch gleichmäßig niedrige Helligkeiten statt großer Lichtmengen erreichbar ist. Auf diese Weise werden Blendungen durch Werbetafeln oder zu helle Leuchten vermieden. Gerade moderne Lichtquellen wirken durch ihre hohe Leuchtdichte extrem blendend. Zudem wird ein Bumerang-(Rebound-)Effekt durch vermehrten Einsatz energiesparender Beleuchtung vermieden.
  • Die Beleuchtung von Naturobjekten (Pflanzen, Bäume, Gewässer, Geländeformationen) zu unterlassen.
  • Eine verstärkte Forschung und Aufklärung über die negativen Auswirkungen von künstlichem Licht in der Nacht auf die Artenvielfalt und die menschliche Gesundheit zu unterstützen und eine Förderung der Entwicklung und Anwendung belastungsarmer Beleuchtungslösungen durchzuführen.
  • Projekte der nächtlichen Außenbeleuchtung aus öffentlichen Mitteln nicht ausschließlich nach Energieeffizienzkriterien zu fördern, sondern nur dann, wenn es sich nachgewiesenermaßen auch um lichtverschmutzungsvermeidende Beleuchtungslösungen handelt.

Diese Maßnahmen stellen keine Einschränkungen hinsichtlich der Sicherheit, der wirtschaftlichen Entwicklung oder des individuellen Wohlbefindens dar!

Die Resolution erarbeiteten Harald Bardenhagen, Dr.-Ing. Matthias Engel, Sabine Frank, Torsten Güths, Dr. Andreas Hänel und Alexander Weis.


Literaturhinweise
Hattenbach, J.: Das Auf und Ab der Lichtverschmutzung. In: Sterne und Weltraum 6/2014, S. 76-78

Posch, T. et al. (Hg.): Das Ende der Nacht. Wiley-VCH, Weinheim 2013

Schmidt, M.R., Frank, S.: Sternenpark Rhön. Warum der Schutz der Nacht Menschen und Natur so gut tut. Parzellers Buchverlag, Fulda 2015


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

Abb. S. 80
Allabendlich taucht unsere Zivilisation in ein uferloses Lichtermeer ein. Die zur Beleuchtung von Straßen und Plätzen aufgewendete Energie wird zu einem großen Teil nutzlos in den Himmel abgestrahlt. Die »Resolution gegen Lichtverschmutzung« enthält praktische Maßnahmen, um der zunehmenden Aufhellung der Nacht wirksam zu begegnen.


Der Artikel ist als PDF-Datei mit Abbildungen abrufbar unter:
http://www.spektrum.de/pdf/suw-2016-04-s080-pdf/1402176

© 2016 Andreas Hänel, Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH, Heidelberg

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Quelle:
Sterne und Weltraum 4/16 - April 2016, Seite 80 - 81
URL: http://www.spektrum.de/pdf/suw-2016-04-s080-pdf/1402176
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie)
Redaktion Sterne und Weltraum:
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Verlag: Spektrum der Wissenschaft Verlagsgesellschaft mbH
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E-Mail: suw@spektrum.de
Internet: http://www.astronomie-heute.de
 
Sterne und Weltraum erscheint monatlich (12 Hefte pro Jahr).
Das Einzelheft kostet 8,20 Euro, das Abonnement 89,00 Euro pro Jahr.


veröffentlicht im Schattenblick zum 13. April 2016

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