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METEOR/033: Der ungewöhnliche Meteorit Almahata Sitta (SuW)


Sterne und Weltraum 3/10 - März 2010
Zeitschrift für Astronomie

Nachrichten
Der ungewöhnliche Meteorit Almahata Sitta


Im Oktober 2008 sorgte der MiniAsteroid 2008 TC3 für Schlagzeilen, als Beobachter feststellten, dass er sich auf direktem Kollisionskurs mit der Erde befand. Nur 15 Stunden nach seiner Entdeckung trat der kleine Himmelskörper über dem nördlichen Afrika in die Erdatmosphäre ein und brach in 37 Kilometern Höhe über dem Erdboden auseinander. Die Bruchstücke gingen im nördlichen Sudan nieder, nicht weit von der Grenze zu Ägypten (siehe SuW 5/2009, S. 18-20).

Unmittelbar nach dem Absturz von 2008 TC3 gingen die Forscher davon aus, dass der Asteroid vollkommen zu Staub zerfallen sein dürfte. Selbst wenn Bruchstücke den Erdboden erreicht haben sollten, wären diese in den dünnbesiedelten Wüsten des Sudan wohl kaum zu finden. Dennoch machte sich der NASA-Wissenschaftler Peter Jenniskens auf, im Sudan zusammen mit Wissenschaftlern der Universität Khartum nach Bruchstücken zu suchen - und hatte Erfolg.

In zwei Suchkampagnen gelang den Forschern die Bergung von rund 300 Meteoritenbruchstücken. Diese tragen heute nach dem Fundort der Bruchstücke den Namen Almahata Sitta (arabisch: Bahnstation 6), da sich im Fundgebiet eine Bahnstation mit der entsprechenden Bezeichnung befindet.

Damit war es erstmals gelungen, von einem zuvor im All als Asteroiden beobachteten Himmelskörper wenige Wochen später Material in Form von Meteoriten in den Händen zu halten. Zur großen Überraschung handelt es sich bei den Meteoritenbruchstücken auch noch um etwas ganz Besonderes, nämlich um einen polymikten Ureiliten.

»Polymikt« bedeutet, dass das Meteo ritengestein eine Mischung aus unterschiedlichen Gesteinen und Mineralen ist. Ureilite gelten als Schmelzreste von Gesteinen, von denen sich beim Aufschmelzen die bei niedrigeren Temperaturen freiwerdenden Bestandteile von den hochtemperaturfesten Mineralen getrennt haben. Benannt wurde diese Meteoritenklasse nach dem Fundort des ersten bekannten Vertreters in Nowo-Urei in Russland.

Die am Johnson Space Center der NASA in Houston im US-Bundesstaat Texas durchgeführten Untersuchungen zeigen, dass die Minerale von Almahata Sitta auf 1150 bis 1300 Grad Celsius erhitzt wurden und danach mit Abkühlraten von mehreren zehn Grad pro Stunde rapide abkühlten.

Die Forscher um Jason S. Herris vermuten daher, dass der Mutterkörper von 2008 TC3 einem Asteroideneinschlag ausgesetzt war. Dabei wurde das Gesteinsgefüge zertrümmert. Die starken Stoßwellen des Einschlags sorgten durch die mit ihnen einhergehenden hohen Temperaturen für eine teilweise Aufschmelzung und Verdampfung der Minerale.

Ungewöhnlich für einen Meteoriten ist die hohe Porosität seines Gesteins, wohl eine Folge des Einschlags auf dem Mutterkörper. Zudem finden sich auf den Porenwänden Rasen aus Olivinkristallen. Diese haben sich direkt aus der Dampfphase an den kühleren Wänden der Poren niedergeschlagen.

Dass das Gestein von Almahata Sitta hohen Temperaturen ausgesetzt war, zeigt sich auch daran, dass Kohlenstoff in den Meteoritenbruchstücken in Form von Graphit und Nanodiamanten auftritt. Gerade letztere belegen kurzzeitig aufgetretene hohe Drücke, wie sie für den Durchgang von Stoßwellen bei Meteoriteneinschlägen typisch sind. Ob dieser auch für das Absprengen von 2008 TC3 von seinem Mutterkörper verantwortlich war, ist derzeit nicht geklärt.


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Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Der dunkle, etwa fünf Zentimeter große Stein in der Bildmitte ist ein Bruchstück des Meteoriten Almahata Sitta in originaler Fundlage.


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Quelle:
Sterne und Weltraum 3/10 - März 2010, Seite 12
Zeitschrift für Astronomie
Herausgeber:
Prof. Dr. Matthias Bartelmann (ZAH, Univ. Heidelberg),
Prof. Dr. Thomas Henning (MPI für Astronomie),
Dr. Jakob Staude
Redaktion Sterne und Weltraum:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Mai 2010